Management

Die richtige Strategie macht den Unterschied

Nicht alle Bauunternehmen leiden gleichermaßen unter der aktuellen Lage am Bau. Der SÜDWESTFALEN MANAGER hat bei den BAUVERBÄNDEN.NRW nachgefragt, wie es um die Baubranche in NRW steht und was erfolgreiche von erfolglosen Bauunternehmen unterscheidet.

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von Klaus Dr. Heimann 13.09.2024
(© deagreez – stock.adobe.com)

Die klaren Worte des Ökonomen der BAUVERBÄNDE.NRW, Heinz G. Rittmann, überraschen dann schon: „Eine umfassende Krise am Bau in NRW, die gibt es nicht. Nur der Wohnungsneubau, der ist abgestürzt.“ Belegen kann Rittmann, der auch stellvertretender Hauptgeschäftsführer ist, seine Einschätzung mit aktuellen Daten beim Umsatz, dem Auftragseingang und mit der Entwicklung der Beschäftigtenzahlen. Sein Datenschatz ist höchst aktuell und reicht bis in die ersten fünf Monate 2024 (bis Mai 2024). Er kann die Entwicklung, mit der aus dem Vorjahr vergleichen. Um von einer Megakrise im Bauhauptgewerbe zu sprechen, das geben die Zahlen für NRW jedenfalls nicht her.

Aufträge gibt es, aber nicht mehr so viele und nicht überall

Zunächst ein Blick auf den Auftragseingang im Bauhauptgewerbe in NRW. Er weist für die ersten fünf Monate immer noch ein kleines Plus von 1,4 % auf. Im Vorjahreszeitraum lag der Zuwachs noch bei knapp 11 %. Die Aufträge sprudeln also nicht mehr so üppig. Der Auftragseingang passt aber nicht zu den schrillen Rufen von der ‚Megakrise‘.
Einen drastischen Einbruch gibt es allerdings im Segment Wohnungsneubau. Und zwar einen Rückgang an Neuaufträgen von rund 10 %
in NRW. „Im Bereich der Einfamilienhäuser und im Geschosswohnungsbau gibt es einen deutlichen Einbruch beim Auftragseingang, der mehr als nur eine Delle und folgenreich ist.“ Rittmann warnt, dass auf lange Sicht durch fehlenden und bezahlbaren Wohnraum die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst.

Diese Entwicklung spiegelt sich ebenfalls in den bundesweiten Genehmigungszahlen für den Neubau von Wohnungen wider. Die sind im ersten Halbjahr massiv eingebrochen. Im ersten Halbjahr 2024 wurden gerade mal 106.700 Wohnungen genehmigt. Das waren 21,1 % oder 28.500 weniger als im Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Der Einbruch ist am stärksten bei den Einfamilienhäusern (minus 30,9 %), bei den Zweifamilienhäusern um 14,9 % und bei den Mehrfamilienhäusern mit 20,8 %. Hohe Finanzierungs- bzw. Baukosten und lange Wartezeiten bei den Baugenehmigungen haben Experten als Gründe für den Abwärtstrend ausgemacht.

Sinkende Zahl an Baugenehmigungen sorgen für Unruhe

„Das aktuelle Niveau der Baugenehmigungen entspricht nur etwas mehr als 200.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr“, kommentiert der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien aus Düsseldorf. Die Bundesregierung strebt aber eigentlich 400.000 neue Wohnungseinheiten pro Jahr an. Das ifo-Institut bestätigt in seiner Konjunkturumfrage, dass die Aussichten für eine Trendwende im Wohnungsneubau nicht besonders gut sind. Im Juli spricht mehr als jede zweite Baufirma von einem Auftragsmangel in dieser Bauart. „Was heute nicht beauftragt wird, kann morgen nicht gebaut werden“, kommentierte der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, die schlechte Entwicklung.
Dass im Wohnungsneubau auch in NRW einiges im Argen liegt, zeigt sich auch an den Umsätzen. In den ersten fünf Monaten gab es ein Minus von 7,6 %. Im gesamten Bauhautgewerbe in NRW stieg der Umsatz an, wenn auch nur um 1 %. Ein deutlich geringerer Wert als im Vorjahr. Damals lag das Plus noch bei 6,1 %. Den Rückgang beim Neubau von Wohnungen kompensieren beispielsweise öffentliche Aufträge (plus 5 %).

Strategisch besser aufgestellt

Trotzdem: Dass die 14.000 Betriebe im Bauhauptgewerbe in NRW den Einbruch im Wohnungsneubau besser weggesteckt haben als in anderen Bundesländern, das freut Rittmann. Der Ökonom führt das vor allem darauf zurück, dass die Betriebe sich zwischenzeitlich „strategisch anders und besser positionieren“.

Obwohl auch er eingestehen muss, dass Baufirmen, die überwiegend im Segment Wohnungsneubau tätig sind, es äußerst schwer haben – egal ob sie Einfamilienhäuser oder mehrgeschossige Wohnhäuser bauen. „Von Betrieben, die sich keine anderen Kunden erschließen konnten, musste der ein oder andere aufgeben und Insolvenz anmelden.“ Insgesamt gab es im Bauhauptgewerbe in NRW im ersten Quartal 2024 236 Insolvenzen. Das sind zwar 22 % mehr als im Vorjahr, aber der Anstieg fällt geringer aus als im Landesdurchschnitt bei allen Insolvenzanmeldungen.

Rittmann leitet aus den Zahlen unternehmens-strategische Folgerungen ab. So sei es nicht empfehlenswert, sich von einem Sektor oder gar einem Auftraggeber in der Bauwirtschaft abhängig zu machen. Baufirmen sollten ihre Risiken beim Auftragseingang und beim Umsatz möglichst breit streuen. Weil viele Unternehmen diesem Rat folgen, hat das NRW-Bauhauptgewerbe insgesamt die ersten fünf Monate 2024 gleichbleibend gut gegenüber dem Vorjahr bewältigt.
Das allein erklärt aber nicht die relativ konstante Entwicklung beim Auftragseingang und Umsatz. „Unsere Betriebe legen Wert darauf, qualifizierte Mitarbeiter zu beschäftigen, setzen auf die eigene Ausbildung und sie entwickeln ihre Unternehmensstrategie. Das sind für mich super Punkte, wie man einen Betrieb erfolgreich führt.“ Betriebe, die so aufgestellt sind, davon ist Rittmann überzeugt, haben kein Problem, sich weiterhin am Markt zu behaupten und durchzusetzen.

Der Verbandsvertreter von 4.500 Mitgliedsbetrieben stellt sich immer wieder die Frage, warum sind einige Betriebe gewachsen und haben sich erfolgreicher als andere im Markt positioniert? Die Antwort liegt für den gelernten Diplom-Ingenieur und -Kaufmann auf der Hand: „Weil sie die richtige Unternehmensstrategie hatten und sie konsequent verfolgt haben.“ Nicht immer erkennen die Chefs, die mehrheitlich kleine Betriebe mit 10 bis 20 Beschäftigten führen, dass die richtige Positionierung die zentrale Zukunftsfrage ist. „Sie sind ausgelastet durch ihr Tagesgeschäft. Viele leiten einen 10-Mitarbeiter-Betrieb, wo die Ehefrau die Buchführung, das Inkasso macht und die Personalabteilung in einer Person ist. Dass diese kleinen Betriebe sich schwertun, Strategiefragen in den Fokus zu rücken und sie mit Defiziten kämpfen, ist doch klar“, erläutert Rittmann.

Beschäftigtenzahlen konstant, Azubis gesucht

Dass es aktuell nicht die große Baukrise gibt, macht der stellvertretende Hauptgeschäftsführer von Bauverbände NRW auch an der Entwicklung der Beschäftigtenzahlen fest. Die Zahl der Mitarbeiter im Bauhauptgewerbe hat sich in den ersten fünf Monaten des Jahres 2024 nur unwesentlich verändert. Sie lag vom Ausgangsmonat Dezember 2023 bei 88.100 Beschäftigten und ist bis Mai 2024 leicht auf 89.200 angestiegen. Trotz der stabilen Mitarbeiterzahlen gibt es in den Firmen dramatische Veränderungen: „Wir verlieren in den nächsten 10 Jahren 40.000 Beschäftigte in NRW (bundesweit sind es 200.000), die ins Rentenalter kommen und ausscheiden. Der demografische Wandel geht also weiter“, so Rittmann.

Die Baubetriebe versuchen deshalb einiges, um den Arbeitskräfteschwund durch die eigene Ausbildung zu kompensieren. Bislang aber mit mäßigem Erfolg. Die BAUVERBÄNDE.NRW helfen deshalb seit 2022 beim Recruiting, in dem sie interessierte Jugendliche aus Äthiopien und Mosambik anwerben. Zum Ausbildungsstart 2024 sind es 28 Jugendliche, die zunächst einen Deutschkurs (Niveau B1) als Voraussetzung für den Start in die Ausbildung absolvierten. Dass die so vorqualifizierten mit ‚Kusshand‘ die Betriebe übernehmen und die Nachfrage nach mehr Bewerbern steigt, wertet Rittmann als positives Signal. „Die Baubetriebe bauen offensichtlich zusätzliches Personal auf, sie glauben an ihre Zukunft.“
Dr. Klaus Heimann | redaktion@regiomanager.de

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(© Gajus – stock.adobe.com)

Heinz G. Rittmann, Ökonom bei den BAUVERBÄNDEN.NRW

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