Mobilität & Logistik

Mobilität der Zukunft: Fahrerlos, vernetzt und flexibel

Aus dem fahrerlosen Kleinbus auf den geliehenen E-Scooter: Die Zukunft der Mobilität ist klimaneutral, digital und vernetzt Stadt und Land wie nie zuvor.

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von Regiomanager 20.07.2021
© metamorworks – stock.adobe.com

2040 ist der Verkehr auf Deutschlands Straßen fast emissionsfrei. Die Luft wird besser und es gibt weniger Lärm in den Städten, weil die meisten Fahrzeuge keine Verbrennungsmotoren mehr verwenden. Es werden weniger Autos unterwegs sein. „Aber trotzdem werden die Menschen deutlich mobiler sein und dafür einen Mix verschiedener Verkehrsmittel nutzen“, sagt Stefan Gerwens, Leiter des Verkehrsbereichs des ADAC in München. Sie steigen um – vom fahrerlosen Bus ins gemeinsam genutzte E-Auto und dann auf den geliehenen E-Scooter.
In einer vom renommierten Zukunftsinstitut durchgeführten aktuellen Studie zur „Evolution der Mobilität“ kommt der ADAC zu diesem – auch für den Automobilclub mit großen Veränderungen verbundenen – Ergebnis: In der Zukunft gibt es weniger private Autos, deutlich mehr öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und andere gemeinschaftlich genutzte Fahrzeuge. „Wir erleben schon jetzt den langsamen Abschied vom Auto, wie wir es kannten“ und „stehen vor ähnlichen Umwälzungen wie nach der Erfindung des Autos vor 125 Jahren“, schreiben die Zukunftsforscher in der ADAC-Studie. Eine Renaissance des eigenen Fahrzeugs wegen Corona? Das halten selbst die Strategen des bundesweit größten Automobilclubs langfristig für unwahrscheinlich. Das einstige Symbol für Freiheit, Unabhängigkeit und sozialen Status verliere auch im Autoland Deutschland zunehmend seine einstigen Vorteile: „Angenehm und schnell von A nach B kommen gelingt mit ihm angesichts überfüllter Straßen und staugeplagter Städte nicht mehr überall.“


Bedürfnis nach Mobilität steigt

Gleichzeitig steigt das Bedürfnis nach Mobilität in der Bevölkerung – und zwar nach sehr individuell ausgestalteter Mobilität. 2040 ist Arbeit noch zeit- und ortsunabhängiger als heute, das wünschen sich Arbeitnehmer wie Arbeitgeber. „Corona hat diesen Trend durch die Homeoffice-Erfahrungen sogar beschleunigt“, sagt Gerwens.
Auch dieser Arbeitstrend verändert die Ansprüche an Fahrzeuge, die zu Lebens- und Arbeitsorten werden können und sollen.
„Autonomes Fahren wird bei der Mobilität der Zukunft eine große Rolle spielen“, sagt der ADAC-Verkehrsexperte. Er erwartet, dass sich hier schon bis zum Ende dieses Jahrzehnts einiges tun wird – wiederum insbesondere im öffentlichen Verkehr, da die Technik zunächst sehr kostenintensiv ist und sich eher bei gemeinschaftlicher Nutzung rechnet. „Das können aber auch kleine Fahrzeuge sein, nicht unbedingt große Busse.“


Friseurbesuch beim
Fahren zur Arbeit

Es könnten Fahrzeuge sein, die ihre Passagiere von beliebigen Orten zur vereinbarten Zeit zum Ziel bringen, die Routen mit denen anderer Nutzer kombinieren und „in denen man sich in Zukunft vielleicht die Haare schneiden lassen kann, sich zum Meeting mit den Kollegen trifft oder seine Arbeit am Computer erledigt“. Statt selbst zu fahren. Oder auf einen starren Busfahrplan angewiesen zu sein. „Der ÖPNV wird eher individueller Massenverkehr, bei der auf einer Fahrt mehrere zusteigen“, sagt Gerwens. „Die Menschen werden in Zukunft unterschiedliche aufeinander abgestimmte Verkehrsmittel wie selbstverständlich per Smartphone bestellen und damit an ihr Ziel kommen, während sie gleichzeitig etwas anderes machen.“
Auch Eike Arnold, Leiter interne Kommunikation beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), sieht schon mittelfristig „Mobilitätsformen auf Abruf“ als zukunftsweisend. „Klar ist, dass für unsere Städte nichts damit gewonnen ist, wenn plötzlich alle mit ihren E-Autos statt mit der S-Bahn hineinpendeln.“ Dafür sei einfach der Platz nicht da. Und das auch nicht, wenn diese Fahrzeuge nicht parken, sondern autonom auf den Straßen weiterfahren. „Wir gewinnen nichts, wenn die autonomen Pkw massenweise durch die Stadt fahren, weil sie keinen Parkplatz finden, während die Eigentümerin am Rathaus ein Eis isst“, sagt Arnold.


Gemeinschaftliche
Nutzung wird steigen

Der geringere Besetzungsgrad mit Passagieren beim Auto bleibe ein verkehrstechnischer und ökologischer Nachteil gegenüber dem ÖPNV. „Die großen Probleme bei Klimaschutz, der Energieeffizienz, Luft- und auch Aufenthaltsqualität in den Städten lassen sich nicht anders lösen als mit viel mehr gemeinschaftlicher Beförderung“, sagt Arnold. Tatsächlich hat sich die Bundesregierung aus diesem Grund das Ziel gesetzt, die Zahl der Fahrgäste im ÖPNV bis 2030 zu verdoppeln. Dass diese während der Pandemie zurückgegangen sind, „sollte nicht überschätzt werden“, so der VDV-Sprecher. „Diejenigen, die derzeit mehr Pkw fahren, werden das nicht mehr in dem Maße tun, wenn sie wieder viel Zeit im Stau verbringen.“ Mit dem Ende der Corona-Beschränkungen – insbesondere der Maskenpflicht – sei davon auszugehen, dass die Menschen den ÖPNV wieder verstärkt nutzen.
In Zukunft mehr und anders, sieht auch Eike Arnold. Vor allem: flexibler. Und: mit autonom fahrenden Fahrzeugen, die fahrerlos und zu an die Bedürfnisse angepassten Zeiten Fahrgäste befördern – aus Fahrgastsicht auch nach dem altbewährten Prinzip des Anrufsammeltaxis. Gesteuert und gesichert wird der autonome Verkehr künftig von einer Art Leitstelle, die in der jeweiligen Kommune angesiedelt ist, erwartet Arnold. „Die Technik ist fahrerlos, aber funktioniert deshalb auch nicht ohne Personal.“


Renaissance des eigenen
Autos unwahrscheinlich

Das Anrufsammeltaxi „wird schon jetzt in völlig neue App-organisierte Formen gegossen“, sagt Arnold. Ein weiterer Schritt in Richtung Zukunft der Mobilität. Wie Gerwens und die Forscher des Zukunftsinstituts sieht er: „Wir werden nicht weniger, sondern eine andere Mobilität haben, nicht mehr so starr Montag bis Freitag und mit mehreren Möglichkeiten von A nach B zu kommen.“ Jüngere in Großstädten verzichten bereits auf einen eigenen Pkw, „weil sie es nicht als Verzicht erleben“, sagt Stefan Gerwens vom ADAC. Eine Renaissance des eigenen Autos durch Corona hält er deshalb hier langfristig für unwahrscheinlich. „Menschen müssen und werden sich umstellen“, sagt der Verkehrsexperte. Die Zustimmung zum Klimaschutz sei hoch in der Bevölkerung. „Das Verhalten verändert sich langsamer“, sagt Gerwens. Es müsse sich in Stadt und Land etwas tun, Fahrspuren anders geplant, die E-Tank-Infrastruktur ausgebaut werden und ein flächendeckendes 5-G-Netz Standard sein. Sharing-Angebote für Fahrzeuge wie Carsharing, aber auch Ride-Sharing, bei dem sich mehrere Fahrgäste für Routen zusammentun, würden stärker genutzt, je dichter ihr Netz ist. Mit dem gerade neu überarbeiteten Personenbeförderungsgesetz dürfen Kommunen ihre ÖPNV-Angebote mit solchen Diensten ergänzen und öffentliche Aufträge für Verkehrsunternehmen entsprechend ausschreiben und vergeben. Ein weiterer Schritt in Richtung Zukunft.
„Verteuerungen reichen nicht, um Verhalten von Menschen zu verändern“, sagt Gerwens. „Der Anspruch der Bevölkerung an die Mobilität muss erhalten bleiben, weil Menschen aller Altersgruppen in Arbeit und Freizeit so mobil sein wollen wie nie zuvor.“
Ist das intelligente Netz aus verschiedenen vernetzten Verkehrsmitteln da, erwartet Gerwens einen weiteren Trend: „Vielleicht werden auch mehr Menschen aufs Land ziehen und aus den Städten raus, weil Pendeln in autonomen Fahrzeugen und außerhalb starrer Taktungen etwas ganz anderes sein wird, als es das heute ist.“

Miriam Bunjes | redaktion@regiomanager.de

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