Karriere

Arbeitszeit: Work-Life-Balance: Mythos oder Realität?

Eine Analyse der aktuellen Trends in Bezug auf Work-Life-Balance und Tipps für eine erfolgreiche Balance im Berufs- und Privatleben.

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von Regiomanager 18.04.2023
(© ­­­master1305 − stock.adobe.com)

Work-Life-Balance, das Gleichgewicht von Berufs- und Privatleben, ist plötzlich in aller Munde. Junge Berufstätige, ob aus Generation X, Y oder Z, wollen einen interessanten, gut bezahlten Job und genügend Zeit für Familie, Freunde und Freizeitaktivitäten. Unternehmen hoffen mit Human-Resources-Maßnahmen, den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. Und alle vertreten ihre Position, als sei ihnen das Thema jetzt gerade eingefallen. Dabei hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereits 2005 in einer Modellrechnung festgestellt, dass eine verbesserte Work-Life-Balance Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Aber das war eine Modellrechnung, erfundene Zahlen sind geduldig.


Geheimrezept 4-Tage-Woche?


Nun liegt eine Studie aus Großbritannien vor, die einen Aspekt der Work-Life-Balance herausgegriffen hat: die Arbeitszeit. 61 Unternehmen aus der Finanz-, IT-, Bau- und Gesundheitsbranche sowie der Gastronomie mit 2.900 Beschäftigten führten für ein halbes Jahr eine Vier-Tage-Woche bei gleichbleibender Bezahlung ein. Fazit: Die Mitarbeitenden waren zufriedener und meldeten sich weniger häufig krank und der Umsatz der beteiligten Unternehmen stieg in der Projektphase um 1,4 Prozent. Für diesen Aspekt der Work-Life-Balance liegt also sogar ein Nachweis vor. Aber Work-Life-Balance umfasst mehr als eine kürzere Arbeitszeit und sie ist für jeden unterschiedlich, während die einen sich über einen zusätzlichen freien Tag freuen, wäre es anderen wichtiger, am Arbeitsort eine Rückzugsmöglichkeit zu haben oder Pausen für regelmäßige Sportaktivitäten zu nutzen.


Individuelle Lösungen finden


Nicht überall ist es möglich, die Arbeit auf vier statt fünf Tage zu verteilen, aber oft reichen schon kleine Veränderungen im Unternehmen, um den Mitarbeitenden ein besseres Gefühl zu vermitteln; das kann ein Raum sein, in den man sich zurückziehen kann, um privat zu telefonieren oder einfach mal die Seele baumeln zu lassen. Denkbar ist auch ein Raum mit Freizeitangeboten wie Billard, Kicker oder einem Gaming-PC. Für Eltern könnte die Möglichkeit der betriebsnahen Kinderbetreuung die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben erleichtern. Bei der Einrichtung solcher Life-Inseln im Unternehmen ist zu beachten, dass es kein allgemeingültiges Rezept gibt. Je mehr also die Beschäftigten in die Planung einbezogen werden, umso größer wird die Wirkung sein. Das Ziel der Work-Life-Balance ist im Kern, die innere Zufriedenheit der Beschäftigten zu verbessern, Stress und damit verbundene Krankheiten zu verhindern. Dazu trägt auch das betriebliche Gesundheitsmanagement bei. Und da ist das Spektrum weit; es reicht vom ergonomischen Arbeitsplatz bis zu Sportangeboten in Unternehmen, von Gesundheitstagen in der Firma oder betrieblich organisierten Gesundheitschecks, die den Beschäftigten die Terminlogistik beim Hausarzt ersparen. Letztlich sind es die vielen kleinen Lasten und Erleichterungen, die die Arbeit angenehm oder belastend empfinden lassen.


Arbeitszeit flexibler organisieren


Auch wenn die Arbeitszeit nicht um einen Tag reduziert werden kann, lässt sie viel Spielraum, Arbeit und Leben harmonischer zu verbinden. Flexible Randzeiten und die Möglichkeit, während der vorgesehenen Arbeitszeit Freistunden zu nehmen, z.B. um persönliche Dinge zu klären, erleichtern die Alltagsgestaltung und reduzieren die Sorge, alles Berufliche und Private zu bewältigen, und damit einen Stressfaktor. Ein Arbeitszeitkonto, auf dem Stunden für ein Sabbatical oder eine besondere Reise angesammelt werden, hebt die Grundstimmung und motiviert, weil ein persönliches Ziel winkt. Für manche Berufstätige ist das Homeoffice in Verbindung mit einer Vertrauensarbeitszeit die optimale Lösung, weil die Zeit für den Arbeitsweg wegfällt und sinnvoll genutzt werden kann, um private Interessen und Verpflichtungen wie die Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen mit der Arbeit zu koordinieren. Schließlich sollten beide Seiten vereinbaren, inwieweit die Lebensbereiche ineinandergreifen, das Privatleben in die Arbeitszeit und die Arbeit in das Privatleben, durch die ständige Erreichbarkeit per Smartphone verwischen die Grenzen immer mehr. Es gibt kein Rezept, wie das für alle richtig gelöst wird, die einen sehen diese Vermischung als Belastung, während andere sie als Chance empfinden, dadurch mehr Freiheiten in der Arbeitszeit zu erlangen.


Sinn der Arbeit stärken


Schließlich sind es auch Inhalt und Organisation der Arbeit, die dazu beitragen, dass Beschäftigte den Eindruck gewinnen, ihre Work-Life-Balance sei in Schieflage oder nicht. Je sinnvoller eine Tätigkeit wahrgenommen wird, umso wohler fühlt sich derjenige, der sie ausübt. Und das lässt sich beeinflussen, auch bei monotonen Aufgaben, deren Zweck sich den Einzelnen nicht erschließt. Wo Prozesse in ihren Detailschritten deutlich gemacht werden, kann sich jeder als relevanter Teil des Ganzen verstehen und einen Sinn in seiner Arbeit erkennen. Beschäftigte, die in die Prozessgestaltung eingebunden werden, erkennen Redundanzen und können helfen, diese abzustellen, sodass nur noch die wichtigen und notwendigen Schritte umgesetzt werden und nicht vermeintlich überflüssige Arbeit frustriert. Eine realistische Arbeitsplanung, die Zeitpuffer enthält, hilft ebenso, Stress zu vermeiden, wie erreichbare Zeitziele für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.


Work-Life-Balance besser
kommunizieren


Es gibt also auch jenseits der Reduzierung der Arbeitstage, wie sie derzeit diskutiert wird, viele große und kleine Wege, die Work-Life-Balance der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu verbessern. Bleibt die Frage, ob sich der Aufwand für Unternehmen lohnt? Sicher nicht, wenn die Maßnahmen nur im Verborgenen passieren. Je stärker das Engagement des Betriebs für die Work-Life-Balance wahrgenommen wird, umso leichter verbreitet sich das Image eines arbeitnehmerfreundlichen Unternehmens. Und das kann den Ausschlag geben, ob eine Fachkraft sich für diesen oder jenen Arbeitgeber entscheidet. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel ein Weg, der nicht unterschätzt werden sollte. Aber auch die Stammbelegschaft arbeitet engagierter und motivierter, wenn sie sich als Mensch und nicht nur als Fachkraft wahrgenommen fühlt. Und wer gerne arbeitet, verbessert die Grundstimmung und ist auch bereit, das Tempo zu steigern oder sich auf Neues einzulassen. Arbeit ist wie Leben Veränderung – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Work-Life-Balance bietet auf vielfältige Weise die Chance dazu.

Dr. Birgit Ebbert | redaktion@regiomanager.de

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