Menschen werden immer älter; der erste Mensch, der 150 Jahre erreichen wird, ist Wissenschaftlern zufolge schon geboren. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass Menschen einmal 1.000 Jahre alt werden können. Damit überträfen sie Methusalem: Der älteste Mensch der Bibel erreichte nämlich angeblich 969 Jahre. Die Lebensdauer von Firmen hingegen nimmt immer weiter ab. Das zeigt z.B. ein Blick auf den marktübergreifenden US-amerikanischen Börsenindex S&P 500, konkret: auf die durchschnittliche Verweildauer der Unternehmen darin. Im Jahr 1965 lag sie noch bei 33 Jahren, 1990 nur noch bei 20 Jahren und für 2026 prognostiziert die Unternehmensberatung Innosight nur mehr 14 Jahre. Für Deutschland gibt die Creditreform an, dass weniger als zwei Prozent aller Unternehmen 100 Jahre und mehr erreichen. In ihrer Gesamtheit werden deutsche Unternehmen bis zu ihrer Insolvenz im Schnitt nur acht bis zehn Jahre alt – fand Professor Dr. Rafael Weißbach am Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie der Universität Rostock heraus.
Branche einerlei
Die Wahl des Wirtschaftszweiges hat keinen Einfluss darauf, ob eine Firma jung stirbt oder ein ehrwürdiges Alter erreicht. „Es ist egal, ob Sie Bananen, Flugzeuge oder was auch immer verkaufen“, so Marcus Hamilton, Studienleiter am Santa Fe Institute für die Untersuchung „The Mortality of Companies“ (die Sterblichkeit von Unternehmen): Die Sterblichkeitsrate bleibt die gleiche, so fand das Studienteam heraus. Die typische Firma existiert etwa zehn Jahre, bevor sie aufgekauft, fusioniert oder liquidiert wird. Diese Untersuchung basiert auf einer komplexen Analyse der statistischen Daten von 25.000 US-amerikanischen Unternehmen.
Familienunternehmen
Die Lage in Japan und Deutschland hingegen ist eine andere. Denn die 20 ältesten Unternehmen in Deutschland sind mittelständisch geprägt. Können Familienunternehmen es besser? Das würde man beim Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) bejahen. Dort fasste man zentrale Erkenntnisse des amerikanischen Wissenschaftlers Dennis T. Jaffe zusammen, der 100 langlebige US-Familienunternehmen untersucht hatte. Im Gegensatz zu Publikumsgesellschaften verfolgen diese nicht nur finanzielle Ziele und haben „einen langfristigen Fokus, weil sie ihr Familienunternehmen und ihr Vermögen als Geschenk an die nachfolgenden Generationen sehen und daher in Innovation und Zukunft sowie in das Wachstum und die Entwicklung von VerantwortungsträgerInnen in jeder neuen Generation investieren“. Bereits Otto Fürst von Bismarck sah das skeptischer. Der langjährige Reichskanzler stellte fest: „Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt.“ Hinzu kommt die immer lautere Klage über Nachfolgeprobleme in Familienunternehmen.
Stabile Kapitalrendite
Nach einer neuen Studie geben lediglich zwei ökonomische Kennzahlen den Ausschlag dafür, ob ein Konzern dauerhaft Gewinne erzielen kann. Forscher der Universität Bamberg und der spanischen Universität Jaume I nahmen die 500 langlebigsten US-Konzerne unter die Lupe, darunter Apple, Procter & Gamble und Johnson & Johnson – allesamt über 25 Jahre alt. Ergebnis: Über die gesamte Bandbreite der Wirtschaft außer dem Bankwesen schafften alle langlebigen Unternehmen langfristig eine Gesamtkapitalrendite von im Schnitt etwa neun Prozent. Die Kapitalrendite – also die Profitabilität der Unternehmen – schwankte außerdem höchstens um sechs Prozent pro Jahr. „Die Kapitalrendite und deren Schwankungen bleiben für langlebige Konzerne sogar in globalen Krisenzeiten sehr stabil“, wie Volkswirtschaftsprofessor Mishael Milakovic im „Harvard Business Manager“ zitiert wird. Bei langlebigen deutschen Konzernen wie VW, Siemens oder Bayer liegen Kapitalrendite und Schwankungsbreite ein Drittel unter den Werten der amerikanischen Unternehmen, bei japanischen Unternehmen sogar noch mehr.
Dienst am Kunden
Allein in Japan gibt es über 33.000, nach anderen Angaben 50.000 Unternehmen, die seit über 100 Jahren existieren und überwiegend von Familiendynastien geführt werden. Aber selbst sie können untergehen. Das allerälteste japanische Familienunternehmen, die im Jahr 578 gegründete Baufirma Kongo Gumi, kam nach einer Historie von sagenhaften 1.428 Jahren in Schieflage und wurde 2006 verkauft. Das derzeit älteste Unternehmen der Welt ist ebenfalls ein japanisches: Nishiyama Onsen Keiunkan nennt sich das Hotel mit Thermalquelle, das im Jahr 705 gegründet wurde – rund vierzig Jahre vor der Geburt Karls des Großen. Japanischen Unternehmen ist optimaler Dienst am Kunden wichtiger als schneller Gewinn. Kundenwünschen zu entsprechen heißt „Omotenashi“
auf Japanisch.
Beharrungsvermögen,
Behäbigkeit
Die meisten Untersuchungen über die „Überlebenskünstler“ unter den Unternehmen geben keine Handlungsempfehlungen. Die niederländische Innovationsagentur The USP Company geht hier weiter. Ihr Chef Hans Middelhoek leitet aus seiner Analyse konkrete Tipps ab. „Firmen halten zu lange daran fest, was sie groß gemacht hat.“ Kodak und Nokia sind für ihn Beispiele einst großer Konzerne, die überflüssig wurden, weil sie die Zeichen der Zeit nicht sahen; Lego stellt für ihn ein Positivbeispiel dar. Zweitens sind für ihn viele Unternehmen zu groß und damit ineffizient. Je größer sie sind, desto mehr Zeit und Energie verwendeten sie zwangsläufig darauf, sich selbst zu managen – statt die Wünsche der Kunden.
Dauerhafte Innovation
Als dritten und wichtigsten Grund nennt er die Schnelligkeit der Entwicklungen ringsumher: Digitalisierung, Robotisierung, künstliche Intelligenz, Blockchain – kaum ein Unternehmen bleibt da gleichmäßig gut auf der Höhe. Außerdem würden die Wünsche der Kunden immer anspruchsvoller. Neue Firmen aber haben es leichter, diesen Ansprüchen zu genügen, als alte, die ihre Vergangenheit mit sich herumschleppen, findet Middelhoek. Seine USP Company rät Unternehmen, ständig an Innovationen zu arbeiten: einerseits an inkrementellen Veränderungen des Bestehenden („Horizont 1), weitergehend an bahnbrechenden Durchbrüchen („Horizont 2“) und sogar an der Disruption des eigenen Geschäftsmodells („Horizont 3“). Als Beispiel für ein solches Unternehmen nennt Middelhoek Google. „Google arbeitet tatsächlich kontinuierlich an Innovation. Das ist ein gutes Zeichen. Wenn man dort arbeitet, darf man 20 Prozent seiner Zeit in neue Ideen stecken.“ Ganz ähnlich sieht dies übrigens der McKinsey-Partner Claudio Feser, der „Serial Innovators“ die längste Lebenserwartung verspricht. Ob die großen „Ideen-Konzerne“ unserer Tage so Methusalems werden, bleibt allerdings abzuwarten.
Die ältesten Firmen
der Welt
(nach: Swiss Life; andere Quellen kommen zu anderen Ergebnissen)
1. Nishiyama Onsen Keiunkan, Japan, 705
Hotel mit Thermalquelle seit 52 Generationen in Familienhand
2. Stiftskeller St. Peter, Österreich, 803
Ältestes Restaurant Europas, erwähnt von Alkuin, Berater Karls des Großen
3. Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan, Deutschland, 1040
Gründung von Benediktinern, gehört heute dem Freistaat Bayern
4. Cambridge University Press,
England, 1534
Erhielt Druckprivileg von Heinrich VIII. nach dessen Bruch mit der katholischen Kirche
5. Fonjallaz SA, Schweiz, 1552
Winzer in der 13. Generation und ältestes Familienunternehmen der Schweiz
6. Mellerio dits Meller, Frankreich, 1613
Juweliershaus in 14. Generation, zuerst von Königin Maria de‘ Medici privilegiert
7. Compagnie de Saint-Gobain,
Frankreich, 1665
Lieferte die Spiegel im Versailler „Spiegelsaal“, heute börsennotierter Baustoffkonzern
8. Gaggenau, Deutschland, 1683
Hammer- und Nagelschmiede, dann Eisengießerei, heute Edel-Küchengerätefabrikant
9. Twinings, England, 1706
Twinings‘ (Logoänderung zuletzt 1787) Tearoom liegt bis heute am Londoner Strand
10. Vacheron Constantin, Schweiz, 1755
Ein französischer Hugenotte eröffnete die heute älteste Uhrenmanufaktur in GenfClaas Syrt Möller
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