Da Ärzte letztlich auch „nur Menschen“ sind, können auch ihnen Fehler unterlaufen. Wie hoch die tatsächliche Dunkelziffer ist, weiß niemand. Die Zeiten, in denen Mediziner nur für „Kunstfehler“ im engeren Sinne geradestehen mussten, sind vorbei. Der Medizinbetrieb ist deutlich komplexer geworden. Damit ist auch der Facharztstandard gestiegen, wodurch letztlich die Anforderungen an das Handeln der Ärzteschaft strenger geworden sind. Zudem ist die Erwartungshaltung der Patienten gestiegen. Dies mag letztlich auch auf das Internet, Social Media, Medienpräsenz etc. zurückzuführen sein. Die Haftung eines Arztes kann sich nicht nur aus einem Behandlungsfehler ergeben. Daneben ist auch noch die Haftung aus einem Aufklärungsfehler, zum Beispiel wegen unzureichender Aufklärung über Risiken und Erfolgsaussichten einer Behandlung / Operation, möglich. Zudem kann die Verletzung der Dokumentationspflicht zu einer Beweiserleichterung, ggf. auch zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Arztes führen. Denn dieser ist zu einer lückenlosen, fehlerfreien und zeitnahen Dokumentation verpflichtet.
Vorgehensweise
bei vermuteten
Behandlungsfehlern
Doch wie sollten Patient und Arzt damit umgehen, wenn ein Behandlungsfehler vermutet wird? Da sich Patienten vertrauensvoll in die Hände ihres Arztes begeben, um gesund zu werden bzw. gesund zu bleiben, sitzt der Schock tief, wenn ein folgenschwerer Fehler befürchtet wird. Das Vertrauensverhältnis kann hierdurch erschüttert sein. Ein vermeintlich kleiner Fehler kann unter Umständen zu gravierenden, zum Teil dauerhaften Gesundheitsschäden des Patienten führen. Ungeachtet dessen: Wer glaubt, Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein, sollte je nach Vertrauensbasis zunächst das persönliche Gespräch mit seinem Arzt suchen. Dies kann zu einer schnellen und unbürokratischen Lösung des Problems führen. Sollte dem Patienten im Zuge dessen eine vergleichsweise Regelung angeboten werden, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, anwaltlichen Rat einzuholen. Denn ein Vergleich läuft meist darauf hinaus, dass mit einer Einmalzahlung alle Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche abgegolten sind. Darunter fallen auch alle zukünftigen (Folge-)Schäden, die mitunter noch gar nicht bekannt sind. Ein Vergleich hat den Vorteil, dass das Verfahren abgekürzt wird und es nicht zu einem jahrelangen Prozess kommt. Gleichgültig, wie sich der Patient entscheidet, ob er zunächst das Gespräch zu seinem Arzt sucht oder direkt einen Anwalt zur Hilfe nimmt, er sollte von Anfang an ein Gedächtnisprotokoll oder Tagebuch führen. Darin sind der Krankheitsverlauf, die Behandlung, einschließlich möglichst genauer Daten, beteiligter Personen (behandelnde Ärzte, Pflegepersonal, Zeugen), Gespräche mit dem Arzt etc. niederzuschreiben. Gleiches Vorgehen ist im Übrigen auch dem betroffenen Arzt zu empfehlen.
Zur Prüfung eines vermuteten Behandlungsfehlers gibt es aus Sicht des Patienten verschiedene Möglichkeiten: Er kann über seine Krankenkasse ein Gutachten beim Medizinischen Dienst (MDK) oder der Gutachterkommission der Ärztekammer einholen. In beiden Fällen ist das Gutachten kostenlos. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Einholung eines Privatgutachtens bei einem Arzt, den der Patient auswählt. Letzteres ist jedoch vom Patienten selbst zu bezahlen. Die Gutachten werden nach Aktenlage erstellt. Das heißt, dass zuvor alle Krankenunterlagen (sämtlicher vor- und nachbehandelnder Ärzte) des Patienten einzuholen sind. Nach dem Patientenrechtegesetz hat der Patient das Recht auf Einsichtnahme bzw. Kopie gegen Entgelt seiner Krankenakte (§ 630g BGB). Wird durch ein derartiges Gutachten letztlich ein Behandlungsfehler bestätigt, wird die Beweisführung für den Patienten zur Durchsetzung seiner Ansprüche erleichtert. Doch auch jetzt wird der Gang zum Anwalt empfohlen. Denn weder die Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein noch der MDK treten in die Schadensregulierung mit der Gegenseite für den Patienten ein.
Schadensersatz
und Schmerzensgeld
Je nach Schwere und Folgen eines Behandlungsfehlers ist insbesondere die Höhe eines angemessenen Schmerzensgeldbetrages problematisch. Auch wenn die Deutsche Gerichtsbarkeit in den letzten Jahren zunehmend patientenfreundlicher entscheidet, liegen die Schmerzensgeldbeträge deutlich unter US-amerikanischen Verhältnissen und dürften aus der Sicht der Patienten immer noch unzureichend sein. Schadensersatzansprüche in Form von Verdienstausfall, Erwerbsminderungsschaden, Haushaltsführungsschaden, Behandlungs-, Fahrtkosten, Unterhaltsansprüchen etc. orientieren sich demgegenüber an dem tatsächlichen Schaden.
Teilen:
Weitere Inhalte der Serie