„Datenautobahn oder Nadelöhr? Der Breitbandausbau als wirtschaftliche Herausforderung der Zukunft“ – mit diesem Titel betrachteten wir 2013 eine Entwicklung, die vergleichbar mit dem historischen Ausbau der logistischen Anbindung unserer Exportnation an den Weltmarkt ist. Doch was uns damals mit Bravour gelang, stellt uns heute im Falle des Breitbandausbaus vor große Herausforderungen. Als entscheidende Komponente für unsere ökonomische Entwicklung ist der Breitbandausbau dennoch, auch in 2016, das zentrale Nadelöhr unserer Wirtschaft. Anknüpfend an diese Feststellung könnte man nun wieder Statistiken über die Erhöhung der weltweiten Datenmengen oder die zu erwartenden Datenströme im Zuge von Industrie 4.0 oder Big Data anführen. Lassen Sie uns stattdessen an dieser Stelle, vor dem Hintergrund von Erfahrungen im Austausch von Datenmengen, den gesunden Menschenverstand heranziehen. 2016 ist die Cloud und die mit ihr verbundenen Datenmengen allgegenwärtig. Ob Google Drive oder Dropbox; bereits als Student einer Universität in Nordrhein-Westfalen erhalten Sie mit Sciebo einen kostenlosen Cloudservice für Daten von 30 bis 500 GB. Angesichts moderner Digitalkameras, die einzelne Bilder mit 15-30 MB produzieren, Videostreaming in HD mit 5 Mbit pro Sekunde oder Videospiele-Downloads in der Größe von 25-30 GB sollte jedem klar sein, dass heutzutage wesentlich größere Dateien via Internet verschoben werden als noch zu Zeiten von Windows 95. Man braucht daher keine Studie, um die Notwendigkeit von modernem Breitband zu erkennen und sollte sich als Unternehmer den Möglichkeiten des Breitbandausbaus bewusst werden. „Der Breitbandausbau ist ein wichtiger Baustein in der digitalen Infrastruktur“, erklärt Thomas Jarzombek, Mitglied des Bundestages und Sprecher der Arbeitsgruppe Digitale Agenda der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Nicht minder wichtig sind außerdem die Dateninfrastruktur – Stichwort Open Data – und die Verfügbarkeit von Wagniskapital bei Internet-Gründungen. Die USA zeigen, dass, trotz ähnlicher oder gar schlechterer Breitbandverfügbarkeit, sehr viel mehr erfolgreiche Internet-Unternehmen entstanden sind“, so Jarzombek.
Glasfaser bis zur letzten Meile
Ein Breitbandanschluss gehört schon heute zu den wichtigsten Faktoren bei Unternehmensansiedlungen. Er ermöglicht den Austausch größerer Datenmengen für Planentwicklungen, Produktionsabläufe oder Marketinganalysen und ist dennoch in vielen Teilen unseres Landes ferne Zukunft. Der Grund hierfür liegt in der technischen Umsetzung des Breitband-Internets. Der Breitbandausbau kennt zwei grundlegend unterschiedliche Technologieformen beim Thema Festnetzausbau. So werden bei den Fibre To The Curb (FTTC) und Fibre To The Node (FTTN) Glasfaserkabel von Ortsvermittlungsstellen bis Kabelverzweigern in der Nähe der Teilnehmer geführt. Hier wird das optische Signal dann in ein elektrisches Signal transformiert und über die alten Kupferleitungen geführt. Nachteil dieser Technik ist, dass die Datenrate via kupferbasierten Leitungen im ungünstigsten Fall mit anderen Teilnehmern geteilt werden muss, und dass das Bandbreitenpotenzial von maximal 50Mbit pro Sekunde nahezu ausgeschöpft wird. Übertragungsraten über 50 Mbit pro Sekunde sind zudem nur mit aufwendigen technischen Maßnahmen, wie z.B. dem Vectoring, realisierbar. Weitere negative Effekte dieser Technik sind der hohe Einsatz von Energie und Wartung, was bei einer großen Anzahl von Standorten mit aktiver Technik letztlich auch zu höheren Betriebskosten führt. Dagegen schaffen Fibre To The Home (FTTH), Fibre To The Building (FTTB) und Fibre To The Office (FTTO) ein vollkommen neues Telekommunikationsnetz, das für Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 1GB pro Sekunde pro Anschluss geeignet ist. Jedes Unternehmen und jeder Haushalt in diesem Netz ist dabei individuell per Glasfaser angeschlossen. Das bedeutet, dass in einem Bürokomplex jede Firma über ihre eigene Leitung über 100Mbit pro Sekunde oder mehr verfügt. Zudem kennt die Technologie der Glasfasernutzung bis zur letzten Meile keine asymmetrische Datenrate. Der heutzutage so wichtige Upload ist in seiner Bandbreite identisch zum Download. Für Unternehmen sind FTTH, FTTB und FTTO zudem auch in explosionsgefährdeten oder unwirtlichen Umgebungen möglich, da Erdung, Potenzialausgleich, Abschirmung und Überspannungsschutz entfallen. Während der Platzhirsch Deutsche Telekom mit seiner Variante des Vectoring noch auf das alte Kupferkabel setzt, bauen neue Anbieter in großen Schritten die neuen Technologien aus – gemeinsam mit Kommunen, Bürgern und Unternehmen. So zum Beispiel die Deutsche Glasfaser, derzeit sehr aktiv in der Städteregion Aachen, am Niederrhein und in Westfalen, oder die Versatel in Dortmund. „Je mehr Tempo, umso besser. Aber am Ende muss der Kunde die Anschlüsse auch buchen“, so Jarzombek.
Breitbandausbau
kostet 50 Milliarden
Ein flächendeckender Glasfaserausbau bis in die Unternehmen und Wohnungen kostet in Deutschland nach verschiedenen Studien 50-80 Milliarden Euro. „Das würde die Preise sehr stark verändern“, sagt Jarzombek. Zum Vergleich: In den USA kostet ein DSL-Anschluss bei AT&T derzeit rund 30 Dollar, ein FTTH-Anschluss aber 150 Dollar. „Hierzulande scheint die Bereitschaft für solche Ausgaben eher gering. Vielleicht aber auch deshalb, weil aufgrund unserer Infrastruktur die DSL-Anschlüsse sehr viel schneller sind als in den USA (100 MBit/s vs. 6 Mbit/s). Und bei aller Begeisterung für die Leistung: Bezahlbare Anschlüsse sind ebenfalls ein wichtiges Ziel. Breitband darf kein Luxusgut für Reiche werden“, mahnt Jarzombek, der in seiner Funktion als Sprecher der Arbeitsgruppe Digitale Agenda die Zukunft fest im Blick hat. Der Ausschuss für Digitale Agenda versteht sich als Treiber der Digitalisierung. „Gemeinsam haben wir erreicht, dass nun erstmals in Deutschland ein richtiges Förderprogramm für Breitbandausbau im Ländlichen startet. Zweite Maßnahme war die Umwidmung alter TV-Frequenzen für Breitband, die im nächsten Jahr die Kapazität der mobilen Netze verdoppelt. Der dritte Schwerpunkt besteht auf der Infrastruktur für taktile Netze (5G), die wesentlich für das Internet of things, connected car und Industrie 4.0 sein werden“, erklärt Jarzombek. „Dazu wird gerade das Digitalnetzegesetz beraten, das den Ausbau der vielen Sendestationen und die Anbindung mit Glasfaser sehr viel einfacher gestalten wird.“
Die weißen Flecken
der Breitbandkarte
Die Breitbandkarte NRWs zeigt uns, dass wir einen relativ guten Ausbau in den Ballungsregionen haben und in ländlichen Räumen noch auf die Entwicklung warten. Nun sitzen Mittelständler, oft regional verbunden, nicht zwangsläufig gleich in der Düsseldorfer Innenstadt, sondern auch im Bergischen Land, an der niederrheinischen Grenze oder im Sauerland. Schon heute orientieren sich viele Unternehmen bei der Standortsuche nach dem Kriterium Internetanbindung. Laufen wir bei dieser Art des Breitbandausbaus vielleicht Gefahr, dass wir bestimmte Wirtschaftsstandorte schwächen oder gar abschaffen? Und wie stellen wir sicher, dass wir einen nahezu flächendeckenden Ausbau haben und die Wettbewerbsverzerrung im Land im Rahmen halten? „Solche Ängste sind unbegründet, denn genau deshalb haben wir das neue Förderprogramm mit 2,7 Milliarden Euro gestartet. Dies richtet sich ausschließlich auf die Versorgung von Gebieten im ländlichen Raum“, beschwichtigt Jarzombek. „Breitbandausbau muss aber auch Chefsache im Rathaus sein: Das unterschiedliche Engagement von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern spiegelt sich zuweilen auch in der Breitbandqualität vor Ort wider. Dort, wo die Rathausspitze wirklich will, findet sich auch immer eine Lösung.“ André Sarin | redaktion@regiomanager.de
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