Verfolgt man die Nachrichten, so kann man zu der Auffassung gelangen, die moderne IT-Technologie sei einer neuzeitlichen Büchse der Pandora entwichen. Wie in der griechischen Mythologie, wo aus einer Truhe, der Büchse der Pandora, die größten Übel und Laster über die Menschheit kamen, nachdem sie gegen Zeus’ Anweisung geöffnet worden war. Die heutigen Übel der IT-Technologie sind Hackerangriffe auf Bundestag und Unternehmen sowie Verstöße gegen den internationalen Datenverkehr (Stichwort „Safe-Harbour“) oder die ausufernde Speicherung unserer Kommunikationsdaten. Dabei haben die digitale Technologie und ihre Vernetzung über das Internet längst alle Lebensbereiche durchdrungen.
Fakt 1 ist: Wir müssen lernen, damit zu leben! Fakt 2: Die IT-Wirtschaft lebt zunehmend gut damit. Denn allen Schlagzeilen und Skandalen zum Trotz, entwickelt sich diese ungebrochen positiv: „IT ist Kreativität, ist Teamarbeit, ist der Austausch mit Kunden“, beschreibt der Branchenverband Bitkom die positive Seite der Medaille.
Neue Märkte erschließen
Die IT-Zunft bestand im Jahr 2013 aus 82.672 Unternehmen, die zum Stichtag
30. September rund 902.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigten, so die Ergebnisse eines aktuellen Branchen-Reports des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. Dort sieht man die Aufgaben der Informationstechnologie darin, den Menschen den Datenzugang zu erleichtern, Geschäftsprozesse zu beschleunigen und damit neue, globale Beschaffungs- sowie Absatzwege zu erschließen.
Dazu teilt sich die Branche in sechs Segmente auf. Kleinster Bereich ist die Entwicklung von IT-Software mit 891 Unternehmen. Mit der Reparatur von Datenverarbeitungsgeräten beschäftigten sich 1.384 Unternehmen, 3.211 Unternehmen sind es bei der Herstellung von IT-Geräten und -Bauteilen. Das drittgrößte Segment der Branche ist der Bereich Datenverarbeitung und Hosting von Websites und -Portalen (3.970 Unternehmen). Mit dem Handel von IT-Geräten beschäftigten sich 5.211 Unternehmen. Unangefochtener Spitzenreiter ist jedoch die Zunft der IT-Dienstleister mit rund 68.000 Unternehmen und mehr als 600.000 Mitarbeitern. Hier gibt es wenige sehr große
Firmen sowie eine sehr große Zahl an Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern. Das Herz der Branche schlägt jedoch im IT-Mittelstand, der laut Branchenverband Bitkom aktuell rund 9.000 Unternehmen umfasst: Die Mittelständler machen unter den IT-Unternehmen nur neun Prozent aus, sie stehen aber für 33 Prozent des Umsatzes – und sogar für 53 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Schauen wir auf die Landkarte, zeigt sich das digitale Deutschland derzeit allerdings noch als Flickenteppich. In einem interaktiven IT-Mittelstandsatlas (siehe www.bitkom.org) zeigt der IT-Verband Bitkom sehr anschaulich, wo die regionalen Schwerpunkte des IT-Mittelstands liegen. In Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, der Rhein-Main-Region sowie im Ruhrgebiet ist punktuell die größte Zahl an IT-Mittelständlern anzutreffen. Mit einer breiten IT-Firmenstreuung kann sich NRW immerhin Platz 1 im Ranking der Bundesländer sichern, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. „Der IT-Mittelstand ist da, wo seine Kunden sind“, sagt Bitkom-Präsidiumsmitglied Dirk Röhrborn. Die Schließung der weißen Flecken auf der Landkarte sollte für die Branche ein ebenso großes Ziel sein wie ein möglichst schneller Ausbau mit schnellen Netzverbindungen auch abseits der Großstädte.
Wettbewerbsfähigkeit stärken
Ein schneller Austausch von Daten und Informationen ist der entscheidende Wachstumsfaktor der Wirtschaft. So muss die effektive Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnik für jedes Unternehmen in Deutschland ein strategisches Ziel sein. „Wir wollen die vielfältigen Chancen der datengesteuerten Vernetzung von Menschen, Maschinen und Dienstleistungen für unsere Wirtschaft und die Beschäftigten am Standort Deutschland nutzen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im September bei der Eröffnung von zehn Industrie-4.0-Kompetenzzentren. „Die neue Initiative soll den Mittelstands- und Handwerksunternehmen helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und neue Geschäftsfelder im Kontext von Digitalisierung und Industrie 4.0 zu erschließen“, so Gabriel. Besonders kleine und mittlere Unternehmen sollen praxisnah für die Möglichkeiten von Industrie-4.0-Anwendungen sensibilisiert werden.
Auch für den IT-Mittelstand gehört „Industrie 4.0“ zu den Trend-Themen, die im Vergleich zum Vorjahr deutlich an Bedeutung gewonnen haben und die eine gesamtwirtschaftliche Entwicklungsperspektive bieten. Dirk Röhrborn: „Es muss uns gelingen, unsere innovativen IT-Unternehmen und unsere starken Fertigungsbetriebe zusammenzubringen. Dem Mittelstand kommt auf beiden Seiten eine ganz besondere Bedeutung zu.“ Weitere Top-Trends mit kontinuierlich wachsender Bedeutung sind Bitkom zufolge die Themen Cloud Computing und IT-Sicherheit: „Der Trend zur Cloud ist ungebrochen. Zugleich ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit von entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen deutlich gestiegen.“
Zuwanderung aktiv gestalten
Mit neuen Technologien und Services sinken die Preise. Das führt aber nicht zum Rückgang der Umsätze. Im Gegenteil: Mit der Zahl der Unternehmen wachsen auch die Umsätze – auf insgesamt rund 227 Milliarden Euro in 2013. „Der IT-Mittelstand ist der entscheidende Jobmotor der Branche“, so Röhrborn. Sechs von zehn Unternehmen würden im laufenden Jahr gerne neue Mitarbeiter einstellen, rund ein Drittel (34 Prozent) möchte die Beschäftigtenzahl konstant halten. Ein großes Problem für die Unternehmen sei es jedoch, geeignete Fachkräfte zu finden. Daher fordert der Branchenverband, die Zuwanderung aktiv zu gestalten. Dazu werde noch in dieser Legislaturperiode ein Zuwanderungsgesetz benötigt. Aber auch den heimischen IT-Nachwuchs will der Verband schon möglichst früh erreichen. Junge Menschen, und vor allem mehr Mädchen, sollen schon in der Schule für die Informatik oder ein IT-nahes Studium begeistert werden. Dabei könne Informatik als Pflichtfach in der Schule helfen. Emrich Welsing I redaktion@regiomanager.de
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