NRM: Frau Dr. Otten-Pappas,
scheinbar immer mehr Frauen treten die Nachfolge in Familienunternehmen
an. Haben Sie dazu belastbare Zahlen?
Dr. Dominique Otten-Pappas:
Studien, die rund fünf Jahre zurückliegen, kommen zu dem Ergebnis, dass
zwischen 20 und 25 Prozent der Familienbetriebe von Frauen übernommen
werden. Wir hier vom Wittener Institut für Familienunternehmen WIFU
arbeiten gerade an einem Projekt, das bald auch noch aktuellere Zahlen
liefern wird, um gegebenenfalls einen Trend identifizieren zu können.
Mein persönliches Gefühl ist bereits, dass es mittlerweile noch mehr
Frauen sind also vor einigen Jahren. Gleichzeitig scheint es leider
immer noch etwas Besonderes zu sein, als Tochter das Familiengeschäft
fortzuführen, wenn man sich anschaut, wie z.B. Medien darüber berichten
oder Menschen darüber sprechen. Oft fallen Sätze wie „Das ist ja toll,
dass Sie das als Tochter übernommen haben“. Es ist anscheinend noch
nicht selbstverständlich.
NRM: Wann spielt es denn überhaupt eine Rolle, ob ich Tochter oder Sohn bin, wenn es um die Unternehmensnachfolge geht?
Dr. Dominique Otten-Pappas: Zunächst
einmal spielt die Sozialisation bzw. die Familienkonstellation eine
Rolle. Wie traditionell oder konservativ sind die Familie und das
betroffene Unternehmen? In sehr traditionell orientierten Unternehmen
wird dann eher noch der jüngere Sohn als die Tochter mit der Nachfolge
betraut. In moderner ausgerichteten Betrieben spielt das weniger eine
Rolle. Wir dürfen einfach nicht vergessen, dass kultureller Wandel recht
langsam sein kann. Die Mütter vieler Nachfolgerinnen sind noch in einer
Zeit aufgewachsen, in der eine Frau ihren Mann noch um Erlaubnis bitten
musste, wenn sie einem eigenen Beruf nachgehen wollte!
NRM: Das heißt aber auch, dass auf Söhnen immer noch ein anderer Druck liegt als auf Töchtern.
Dr. Dominique Otten-Pappas:
Richtig, in der Regel ist das so. Und damit sprechen Sie einen weiteren
Punkt an, bei dem das Geschlecht eine Rolle spielt: dem Freiheitsgrad
der Entscheidung. Töchter sind grundsätzlich freier in ihrer
Entscheidung, das Familienunternehmen zu übernehmen. Sie kommen oft aus
eigenem Antrieb auf diese Idee. Söhne stehen unter einem höheren
Entscheidungsdruck und haben eher das Gefühl, einer Verpflichtung
nachkommen zu müssen. Allerdings findet auch bei den Männern der
Nachfolge-Generation Y ein Wandel statt, denn sie denken zunehmend
familienorientierter.
NRM: Womit wir
zu einem weiteren Punkt kommen: der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Man bekommt den Eindruck, dass hier besonders die Frauen unter Druck
stehen, alles unter einen Hut bekommen zu müssen.
Dr. Dominique Otten-Pappas:
Ja, das ist nach wie vor eine große Herausforderung. Wenn es dann auch
noch Frauen sind, die eine Unternehmensnachfolge antreten, ist die
Belastung besonders groß. Die haben z.B. nicht die Möglichkeit wie eine
Führungskraft in einem externen Unternehmen, mal eben zwei Jahre in
Mutterschutz zu gehen. Sie brauchen einen größeren Vorlauf, um ihre
Abwesenheit zu planen. Auf der einen Seite haben sie mehr Möglichkeiten,
auf der anderen Seite aber auch noch mehr Verantwortung.
NRM: Wir sprechen nun über Druck und über Erwartungen. Sie haben in
Ihrer Forschung auch untersucht, dass es vielmehr um die
„Erwartungserwartungen“ geht. Was genau meinen Sie damit?
Dr. Dominique Otten-Pappas: Damit ist gemeint: Ich erwarte, dass
etwas Bestimmtes von mir erwartet wird, ohne jedoch genau zu wissen, was
wirklich von mir erwartet wird – und richte danach mein Verhalten aus.
Konkret bezogen auf die Nachfolgesituation heißt das z.B.: Der
Nachfolger äußert in einem vertraulichen Gespräch, dass er glaubt, dass
seine Eltern insgeheim erwarten, dass er die Unternehmensnachfolge
antritt, obwohl diese zuvor offen kommuniziert haben, dass er vollkommen
frei in dieser Entscheidung ist. Es ist quasi eine interne und
projizierte Erwartung, die aber dennoch Einfluss auf die Person hat.
NRM: Wie ausschlaggebend ist das Geschlecht denn heute überhaupt noch bei der Nachfolgeregelung?
Dr. Dominique Otten-Pappas: Wir glauben, dass das Geschlecht gar
keine so große Rolle mehr spielt bei der Nachfolgeregelung wie allgemein
angenommen. Vielmehr wollen wir durch unsere Forschungsarbeit
aufdecken, wie hier Gesellschafts-, Generationen- und
Geschlechter-Themen ineinanderspielen und oft auch vermischt werden.
Wichtiger sind Fragen wie: Wie arbeiten wir heute und zukünftig? Wie
strukturieren wir unser Arbeits- und Privatleben? Welche Eigenschaften
brauchen wir dafür? Um letztendlich das wichtigste
betriebswirtschaftliche Ziel zu erreichen: die Zukunft des
Familienunternehmens zu sichern.
NRM: Apropos Zukunft: Wie sehen Sie hier die Rolle der Frau in Familienunternehmen?
Dr. Dominique Otten-Pappas: Meine
persönliche Hoffnung ist, dass es noch selbstverständlicher wird, dass
Frauen die Nachfolge in einem Unternehmen antreten, wenn sie die
Fähigkeiten dafür haben. Ich hoffe auch, dass das Thema noch mehr
gesehen wird, denn es gibt noch viel familieninternes Potenzial bei der
Nachfolge-Frage. Und dieses Potenzial müssen die Betriebe nutzen.
NRM: Frau Dr. Otten-Pappas, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Thomas Corrinth I redaktion@niederrhein-manager.de
Teilen: