Management

Digitalisierung

Fintech erobert den Finanzsektor.

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von Regiomanager 01.01.2017
Foto: © adiruch na chiangmai – stock.adobe.com

„Wo es um große Summen geht, ist es ratsam, niemandem zu trauen“, mahnte bereits Krimiautorin Agatha Christie ihre Leser. Und wer kann es dem deutschen Mittelstand schon verübeln, wenn er angesichts der Finanzkrise von 2008 sein Vertrauen in die Banken verloren hat. Doch Obacht, denn wie aus der Asche erhebt sich mit der Finanztechnologie, kurz Fintech genannt, ein neuer Phoenix, einer, der von Finanzexperten gefeiert und von klassischen Banken gefürchtet wird. Eine jener disruptiven Geschäftsmodelle, die das Zeug dazu haben, eine ganze Branche auf den Kopf zu stellen. Ganz in diesem Sinne war die Finanzkrise damit auch gleichzeitig die Geburtsstunde der Fintechs. Doch was ist Fintech genau?

Die vier Standbeine des Fintech

Fintech ist ein Sammelbegriff, unter den alle modernen digitalen Innovationen rund um Finanzdienstleistungen fallen. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und der damit verbundenen Weiterentwicklung von Smartphones oder Tablets, dem vereinfachten und schnellen Zugang zum Internet via WLAN, LTE oder 4G sowie der Innovation von Mobile Payment genießt Fintech die zunehmende Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, Investoren und Unternehmen. Fintech verteilt sich auf viele verschiedene Bereiche des Bankensektors. Man kann Fintech dabei grundsätzlich in die folgenden vier Kernbereiche gliedern: Payment und Zahlungsverkehr, Persönliches Finanz-Management (PFM), Trading- und Beratungsplattformen für Vermögensanlagen sowie neue Ansätze zur Finanzierung und Kreditvergabe. Letztere machen den größten Anteil der Fintech-Anbieter aus und richten sich vor allem an private Anleger und Kreditnehmer, aber auch an Firmenkunden, welche auf diesem Weg ein Unternehmens-Darlehen, z.B. zum Anschub eines Start-ups, nutzen möchten. Fintech ermöglicht dabei auch Personen mit einer schwachen Bonität, die keinen Kredit bei einem klassischen Kreditinstitut erhalten würden, via Peer-to-Peer Kredite in Anspruch zu nehmen. Peer-to-Peer-Kredite sind dabei Darlehen, die direkt von Privatpersonen an Privatpersonen vergeben werden, ohne dass eine Bank als Vermittler agiert. Fintech bietet dabei lediglich die Plattform zur Abwicklung der Finanztransaktion. Anbieter wie die englische iBondis oder die Berliner Lendico bieten zudem sogar kleinen und mittelständischen Unternehmen an, am System Peer-to-Peer als Kreditnehmer zu partizipieren. Der zweitgrößte Tätigkeitsbereich der Fintech ist Payment und Zahlungsverkehr, gefolgt von PFM. Studien zufolge haben die angebotenen Zahlungsarten in einem Online-Shop einen signifikanten Einfluss auf dessen Erfolg. Ist die Abwicklung an der virtuellen Kasse zu kompliziert, dann brechen Käufer nicht selten den ganzen Einkauf ab. Auch führt die steigende Anzahl an im Internet getätigten Geschäftsabschlüssen zu neuen Bezahlmodellen und zu einer Nachfrage an einfacherer Abwicklung bei geringen Transaktionskosten. In diese Nische ist bereits 1998 dasUS- amerikanische Unternehmen PayPal eingedrungen. PayPal ist heute das weltweit verbreitetste Online-Bezahlverfahren und in Deutschland mittelweile als Zahlungsart neben Banküberweisung, Kauf auf Rechnung oder Kreditkarte zu finden. Jeder Fünfte nutzt das Bezahlsystem beim Online-Kauf. Auch Skrill, Paydirekt oder FinTecSystems bieten Online-Payment-Verfahren an und genießen dabei besonders bei jungen und ungebildeten Käufern mehr Vertrauen als Hausbanken. Ein weiterer Fintech-Zweig ist der Robo-Advisor. Hierbei handelt es sich um Algorithmus-basiertes Portfolio-Management, bei dem der Mensch nicht mehr eingreift. Es gibt zwei Arten von Robo-Advisors: Die einen beschäftigen sich mit der Komplettverwaltung von Anlagen, die anderen bieten Beratungssoftware, welche Kunden mittels einer Online-Plattform helfen, die für sie geeignete Anlagestrategie zu finden. Der Vorteil bei Robo-Advisor liegt in einer breiten Streuung des Portfolios, was das Anlagerisiko minimiert, in der transparenten Kostenstruktur sowie einem niedrigen Mindestanlagebetrag, der oft bei 1.000 Euro liegt. Im Vergleich zu angelsächsischen Regionen ist in Deutschland der Robo-Advisor-Markt noch überschaubar. Anbieter wie die Münchner Easyfolio, die Frankfurter Vaamo oder die Berliner Growney beherrschen derzeit den hiesigen Markt. Das PFM als viertes Standbein des Fintech bietet im Bereich des Online-Banking erweiterte, hoch automatisierte und webbasierte Werkzeuge, welche sich durch eine innovative Bedienung auszeichnen. Sie unterstützen Kunden bei der Verwaltung und Kontrolle ihrer Finanzen durch grafische Auswertung, Kategorisierung von Buchungen oder Zusammenführung von mehreren Bankkonten und sind so eine gute Möglichkeit zur Kundenbindung. Im Bereich des PFM überwiegt in Deutschland das B2B-Geschäft, was heißt, dass Banken mit Fintech-Unternehmen kooperieren. So arbeitet die Deutsche Bank mit dem Hamburger Start-up Figo zusammen.

Der Fintech-Markt

So weit zum Inhalt. Doch welchen Markt hat Fintech? Heutzutage gibt es laut einer Studie der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey & Company aus dem März 2016 weltweit geschätzt rund 12.000 Fintech-Start-ups. Das globale Investitionsvolumen in Fintech betrug laut einer Accenture-Studie vom Mai 2016 rund 22,2 Milliarden Dollar in 2015. Dies entsprach einem Wachstum von 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zu diesem rasanten Anstieg haben vor allem asiatische und europäische Märkte beigetragen, wo sich die Investitionen in 2015 vervierfacht bzw. verdoppelt haben. Im nordamerikanischen Markt hat sich dagegen das Wachstum mit stolzen 44 Prozent verlangsamt, auch wenn dieser Markt nach wie vor im Umsatz und in den getätigten Transaktionen spitze ist. In Deutschland konzentrieren sich etwa 400 Fintechs in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg sowie dem Großraum Düsseldorf-Köln. Das Gesamttransaktionsvolumen im laufenden Jahr wird dabei laut Statista auf über 91 Millionen Euro geschätzt. Dieses sollte laut Prognosen in den nächsten vier Jahren auf rund 156 Millionen steigen. Dabei wird der Anteil Business Finance von 345 Millionen auf knapp 14 Milliarden Euro steigen.

Fintechs als neue Partner im Bankgeschäft

Die Fintechs vereinfachen das Bankgeschäft, sind innovativ und wissen vor allem, was Kunden in der digitalen Welt wünschen. Zusätzliche Tools, wie z.B. Ausgabenanalyse, Konto-Alarm oder vereinfachte Überweisung, können gerade für jüngere, digitalaffine Kunden einen Ausschlag zugunsten der Fintechs geben. Doch sind dadurch die klassischen Bankinstitute wirklich gefährdet? Fintechs werden nicht umsonst als disruptive Geschäftsmodelle angesehen und stellen mit ihren innovativen Ideen eine reale Gefahr für etablierte Banken dar. Der zunehmende Wettbewerb mit Fintechs stellt Banken vor große Herausforderungen. Doch wie in einem disruptiven Markt üblich, wird sich hier nicht jeder Anbieter langfristig am Markt halten können. Die Fluktuation von Gründung und Pleite der Fintechs ist zudem noch zu hoch. Hinzu kommt, dass auch Fintechs eine Vollbankenlizenz benötigen, wenn sie das gesamte Dienstleistungsspektrum eines Bankinstituts anbieten wollen. Für viele Start-ups führt daher der Weg über eine Kooperation mit einer lizensierten Bank. Lizenzierte Fintech-Banken sind z.B. die SolarisBank oder die Berliner Fintech-Bank N26. Etablierte Banken haben bereits auf den neuen Trend reagiert. Sie investieren in Innovationslabs und digitale Technologien. Andere Banken dagegen versuchen einen Weg der Kooperation, denn Fintechs sind nicht nur Konkurrenten, sondern sie können auch Partner sein – Partner der Banken und ihrer Kunden.
André Sarin | redaktion@regiomanager.de

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