Recht & Finanzen

E-Wallet und der digitale Warenkorb

Alternative Bezahlsysteme vor dem Durchbruch?

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von Regiomanager 01.01.2016
Foto: © Artram – stock.adobe.com

Ob Visa Card, MasterCard oder American Express, zu Beginn der Ära des E-Commerce waren Kreditkarten die bevorzugte Bezahlmethode. Doch in Zeiten der vorschreitenden Digitalisierung verändert sich auch der Habitus von Kunden weltweit und so etablieren sich alternative Bezahlmethoden im Bereich Online und Mobile Payment als ernstzunehmende Konkurrenz. Ein Beispiel aus Übersee gefällig? Hier nutzten 2014 bereits 43 Prozent der Amerikaner im E-Commerce eine andere Bezahlmethode als ihre Kreditkarte. Einer aktuellen Studie zum Thema „The Future of Online and Mobile Payments“ der internationalen Investmentbank GP Bullhound zufolge, werden zudem bereits 2017 knapp 60 Prozent der Online-Transaktionen der US-Amerikaner durch alternative Bezahlsysteme abgewickelt werden. Und wie schaut das bei uns, im alten Europa, aus? Hier bringt eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney von 2013 Antworten. Der Untersuchung zufolge wird die Anzahl bargeldloser Zahlungsvorgänge in den 27 Staaten der Europäischen Union von derzeit über 90 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 auf mehr als 175 Euro Milliarden steigen, was einem Wachstum von acht Prozent pro Jahr entspricht. Zum Vergleich: In den vergangenen Jahren war der Markt mit nur fünf Prozent jährlich gewachsen. „Der Haupttreiber des Wachstums kommt aus dem E-Commerce. Immer mehr Menschen kaufen im Internet ein, und das geht natürlich nur selten mit Bargeld. Außerdem rechnen wir mit großem Wachstum alternativer Bezahlmodelle. Dabei können in der Regel höhere Margen durchgesetzt werden, als es im klassischen Zahlungsverkehr auch angesichts der regulatorischen Rahmenbedingungen zuletzt üblich war“, sagt Studienautor Andreas Pratz, Partner bei A.T. Kearney.

Kunde, Komfort, Kosten

Alternative Bezahlmethoden stellen gerade für kleine und mittelständische Unternehmen eine besondere Herausforderung dar. Sei es nun im Online-Handel über den eigenen Shop oder Amazon, im Zusammenspiel mit Affiliates oder am Point-of-Sale im Shopping-Center ist, die Wahl des oder der verschiedenen Bezahlsysteme kann ein entscheidender Erfolgsfaktor werden. Kunde, Komfort und Kosten bilden dabei die Schwerpunktkriterien in der Auswahl des richtigen Payment-Service-Providers. So sollten sich Zahlungslösungen zunächst verstärkt an den konkreten Kaufsituationen ausrichten. Der Kauf eines Gebrauchtwagens etwa stellt Händler und Käufer in puncto Sicherheit und Komfort vor andere Herausforderungen als eine über Ratenkredit bezahlte Küche oder der Kauf eines Bustickets. Entscheidend für den Erfolg der genutzten Bezahlsysteme wird nicht zuletzt sein, wie bequem der Konsument eine Lösung nutzen kann und wie nah sie den Präferenzen der Kunden kommen. Ein innereuropäischer Vergleich zeigt z.B., dass 2013 nur knapp zehn Prozent der Deutschen die Kreditkarte beim Online-Kauf nutzten, während in England oder Italien über zwei Drittel der Kunden ihren elektronischen Warenkorb mit Plastikgeld bezahlten. Kosten und Risikomanagement der Zahlung sind weitere wichtige Komponenten alternativer Bezahlsysteme und stellen dabei eher auf der Seite des Payment-Service-Providers eine Herausforderung dar. Wer daher als Mittelständler dem Zug der Trendsetter folgen und so den Anschluss an die Digitalisierung nicht verlieren möchte, der sollte sich genau überlegen, welches alternative Bezahlsystem er nutzen möchte. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist aber genau diese Auswahl eine komplexe Themenstellung mit vielen offenen Fragen: Welche grundlegenden Bezahlmethoden und Zahlungssysteme sollen unterstützt werden? Müssen europäische oder internationale Kunden in ihrer eigenen Sprache oder Währung berücksichtigt werden? Wie soll die Integration des Payment-Gateways in die bestehende IT-Infrastruktur erfolgen? Muss ein Payment Card Industry Standard gegeben sein? Und nicht zuletzt: Welche Kosten kommen auf uns zu?

Alternative Bezahlsysteme im Überblick

Bekannte Platzhirsche wie PayPal bieten als Full-Service-Provider flexible Komplettlösungen an. Doch auch noch weitgehend unbekannte Anbieter können gerade kleineren Online-Händlern den gleichen Service sicher, rechtskonform und zu transparenten Konditionen bieten. Doch um hier einen ersten Überblick über die Fülle von Payment-Service-Providern zu bekommen, werfen wir einen Blick in die grundlegenden Bezahlmethoden. Am bekanntesten und selbsterklärend ist wohl die Banküberweisung oder das Lastschriftverfahren – wobei erstere als Sofortüberweisung mittels sicherem Log-in in ein Online-Konto per PIN eine Besonderheit des schnellen E-Commerce darstellt. Platzhirsch PayPal fällt dagegen unter die Zahlungsart des „Cyberwallet“ beziehungsweise „E-Wallet“. Beim E-Wallet wird eine virtuelle Geldbörse mit einer von Kunden festgelegten Summe aufgeladen und kann dann zum sicheren Einkauf genutzt werden. Nach einem ganz ähnlichen Prinzip funktioniert die „Mobile Wallet“, also die digitale Geldbörse auf dem Smartphone, mit dem Unterschied, dass diese Bezahlmethode auch offline, also im Shop vor Ort, genutzt werden kann. Doch das Smartphone kann noch mehr, denn unter dem Begriff des „Direct Carrier Billing“ kann man nicht nur Apps per Handy-Rechnung bezahlen. Hinter dem Begriff verbirgt sich auch eine weitverbreitete Bezahlmethode in sich noch entwickelnden Märkten wie z.B. in Afrika. In entwickelten Märkten wie Europa hat sich dagegen zusätzlich zur Kreditkarte noch eine Form der „Local Card Schemes“ etabliert. So war bis 2010 die Carte Bleue eine beliebte, rein national nutzbare Karte für den innerfranzösischen Zahlungsverkehr. Weitere bekannte Bezahlmethoden sind die an fast allen Tankstellen und Supermarktkassen erhältlichen Prepaid-Karten für Ikea, Sony, Xbox und Hunderte weitere Anbieter. „Post-Pay“, beispielsweise Skype-Zahlungen über den brasilianischen Anbieter Boleto Bancário, ist eine weitere Bezahlmethode, die sich zudem auch mit der Abholung in Shops vor Ort oder bei Affiliates nutzen lässt. „E-Invoices“ stellen die letzte Gruppe der Methoden dar. So haben die Verbraucher beim schwedischen Anbieter Klarna die Möglichkeit, per Rechnung zu bezahlen. Der Online-Shop versendet die Ware an den Verbraucher, der sich seine Bestellung ansehen kann und die Rechnung innerhalb von 14 Tagen an Klarna bezahlt. Das Unternehmen zahlt im Anschluss dann an den Shop, auch bei Betrugsfällen von Käufern, und bietet so einen Käufer- und Verkäuferschutz.

Spagat und harte Bandagen

Wie sehen in Zukunft die etablierten und alternativen Bezahlsysteme und -methoden in einer sich immer weiter globalisierenden und digitalisierenden Welt des E-Commerce aus? „Händler müssen einen Spagat zwischen einer weiter wachsenden Auswahl an Bezahlverfahren und einem klaren, einfachen „Check-out“ schaffen. Dabei sollte man die Kreditkarte als universelles, etabliertes Verfahren nicht abschreiben – ergänzt durch alternative und kontobasierte Zahlverfahren“, so Pratz. Nicht unterschätzen sollte man dabei auch die starke Konkurrenz auf dem Markt, denn laut den Experten von A.T. Kearney wird im Wachstumsmarkt des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit harten Bandagen um Marktanteile und Kundenbeziehungen gekämpft. Kreditkartenkonzerne, Mobilfunkbetreiber, Technologie- und Telekommunikationsfirmen sowie Banken liefern sich ein hartes Wettrennen um das digitale Portemonnaie der Verbraucher. Dabei kommt dann das ein oder andere Bezahlsystem unter die Räder. So schließt z.B. die Deutsche Telekom im Mai 2016 ihren Online-Bezahldienst ClickandBuy. Parallelen zu der Entwicklung von Kodak, dem einstigen Marktführer im Bereich der Fotografie, der sich zu spät dem digitalen Markt öffnete, zeigen, was solch eine Entscheidung in einer globalisierten und digitalisierten Shopping-Welt für ein Unternehmen bedeuten
kann. André Sarin | redaktion@regiomanager.de

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