Kolumne am Niederrhein

Editorial: Keine alten Hüte bitte

Mit den bekannten Konzepten lässt sich der Fachkräftemangel längst nicht mehr bewältigen. Es braucht visionäre Ideen für eine neue Arbeitskultur.

Beate Träm

Kaum ein Tag vergeht, an dem uns von Wirtschaftsexperten, Medien und Politik nicht entgegentönt: Der Fachkräftemangel ist das größte Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Er wird zunehmend zur Bedrohung für den wirtschaftlichen Erfolg, ja er kann sogar den Fortbestand von Unternehmen gefährden. Die Gründe für den Fachkräftemangel sind bekannt. Einfache Antworten darauf gibt es dennoch nicht. Die Generation der Babyboomer steht kurz vor dem Ruhestand, und die nachrückenden Schul- und Studienabsolventen können die Abgänge an Arbeitskräften nicht auffangen. Die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt gelingt nur unzureichend und die gezielte Anwerbung von internationalen Fachkräften steckt noch in den Kinderschuhen.

Neben bürokratischen Hürden, sprachlichen Herausforderungen und kulturellen Unterschieden, sind auch veränderte Einstellungen zur Arbeit und zur Leistung Gründe, weshalb die Gewinnung von Fachkräften und Nachwuchs sich so schwierig gestaltet. Hinzukommt der „Kampf um die Köpfe“ – jeder Standort, jedes Unternehmen steht im Wettbewerb um die besten Talente. Ein Patentrezept gibt es nicht. Social-Media und Homeoffice allein machen keinen attraktiven Arbeitgeber.

Heute braucht es Kreativität, freies Denken und eine große Portion Mut, um neue Wege zu beschreiten und eine neue Arbeitskultur zu entwickeln. Dazu könnte die Automatisierung und der Einsatz Künstlicher Intelligenz gehören, um Arbeitsprozesse zu ergänzen und den Bedarf an neuen Mitarbeitenden zu reduzieren. Ebenso denkbar sind Arbeitszeitmodelle, die sich an den Bedürfnissen der Zielgruppen orientieren. Nicht jeder möchte oder kann im Homeoffice arbeiten. Vielleicht arbeitet der eine lieber länger an vier Tagen und der andere lieber samstags statt montags? Auch spezielle Benefits für die Babyboomer, wie zusätzliche Urlaubstage oder Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung, könnten dazu beitragen, diese länger im Unternehmen zu halten.

Ein weiterer Ansatz ist die gezielte Anwerbung von „Senior Experts“, also Menschen, die aus dem Ruhestand zurückkehren. Viele ältere Menschen wünschen sich eine weitere berufliche Tätigkeit, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Junge Menschen wiederum wollen gefördert werden. Die Übertragung eigener Projekte, die Arbeit in gemischten Teams, Mentoringprogramme und Micro-Learning können die Freude an der Ausbildung steigern. Frühe Übertragung von Verantwortung zahlt sich häufig mit einer stärkeren Bindung an das Unternehmen aus.

Und wie steht es mit „Out-of-the-Box“-Denken im Recruiting-Prozess? Lässt sich ein Unternehmen auf Menschen mit unorthodoxen Bildungs- und Lebenswegen ein und wird so zum „Chancen-Ermöglicher“? Es gibt viele Wege zum Ziel, doch nicht alle sind für jedes Unternehmen gangbar. Mit Offenheit für Neues, kritischer Reflexion der eigenen Situation und der Bereitschaft, technologische Fortschritte wie KI zu nutzen, lässt sich jedoch eine Roadmap zur Fachkräftesicherung entwickeln.

Lassen Sie uns mutig sein!

wir4 Agentur für Wirtschafts- und Strukturförderung Moers, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Rheinberg GmbH

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