Der amerikanische Maschinenbauer Eugene Bradley Clark ahnt vermutlich nicht, welche Auswirkung die Erfindung seines Tructrators nach sich ziehen würde. Eigentlich entwickelt Clark den motorisierten Wagen 1917 nur, um mehr Material (Sand und Gussrohlinge) innerhalb des Betriebes, der Bohrer und Zubehörteile für die Autoindustrie produziert, schneller zu transportieren. Doch sein flexibler Lastkarren, er gilt als Vorläufer des Gabelstaplers, stößt schnell auf das Interesse von Besuchern des Unternehmens. Ein Jahr später liefert die Firma die ersten Fahrzeuge aus. Mit dem „Truclift“ folgt 1920 eine Weiterentwicklung. 1928 kommt der erste „richtige“ Clark-Gabelstapler mit Hubgerüst, der „Tructier“, auf den Markt. In Europa spielen Hubfahrzeuge zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle. Ihre Ära beginnt in der Alten Welt erst mit dem schwedischen Ingenieur Ivan Lundquist. Er erkennt während einer USA-Reise im Jahr 1946 das Potential der Hubwagen. Doch in der Nachkriegszeit fehlen den Unternehmen die finanziellen Möglichkeiten, die teuren motorisierten Stapler zu kaufen. Das weiß auch der Schwede und sucht nach einer kostengünstigen Alternative. Das Ergebnis seiner Entwicklung ist nahezu jedem schon einmal begegnet: Die handgeführten Gabelhubwagen, „Ameisen“ genannt, transportierten damals wie heute schwere Lasten. Sie sind längst auch mit Elektromotor auf dem Markt und der Wegbereiter für alle Flurförderfahrzeuge (FFZ , kurz: Flurförderzeuge) in den nachfolgenden Jahrzehnten. Ihr Einsatzgebiet finden sie überall dort, wo Waren produziert, gelagert, transportiert oder umgeschlagen werden: im Discounter, in der Logistik- und Lagerbranche, im Handwerk, in der Land- und Forstwirtschaft, im Gartenbau, im Krankenhaus (Bed Mover), in der Industrie oder an Häfen.
Vielfältige Einsatzgebiete
Für jedes Einsatzgebiet stellt die Branche entsprechende FFZ zur Verfügung. Für den Antrieb sorgen Diesel-, Gas- und Elektromotoren. Die Tragkraft beträgt bis zu 60 Tonnen. So umfangreich wie die Einsatzgebiete ist auch das Zubehör der Alleskönner, deren Vorteil in ihrer Rangierfähigkeit auf kleinstem Raum liegt. „Industrie 4.0 ist in der Intralogistik mittlerweile auf nahezu allen Ebenen angekommen. Die Branche hat Software als eine der wichtigsten Kompetenzen für sich erkannt. Das zeigt sich unter anderem in der Vielzahl vernetzter Lösungen, aber auch in vielen neuen rein digitalen Produkten und Dienstleistungen.“ Das erklärt Dr. Klaus-Dieter Rosenbach, Vorsitzender des VDMA Fachverbands Fördertechnik und Intralogistik, während der Hannover Messe im April dieses Jahres. „Die damit verbundenen Möglichkeiten stellen Hersteller und Anwender vor zahlreiche Herausforderungen und Fragen.“ Die gehen die Hersteller von Flurförderzeugen unterschiedlich an. Etliche bieten ihren Kunden bereits seit langem komplette Intralogistiklösungen an. Ihr Service reicht bis zur schlüsselfertigen Übergabe von Lagerhallen mit anschließender Wartung und anschließenden Serviceleistungen aller Systeme. Der Weg in die völlig automatisierte Lagerverwaltung ist dabei vorgezeichnet – die Ingenieure rechnen mit der Verwirklichung in den kommenden zehn bis 20 Jahren. Die Bereiche AGV (Automatic Guided Vehicles) und FTS (fahrerlose Transportsysteme) bestimmen zunehmend die Entwicklung der FFZ in Kombination mit sich ständig weiterentwickelnden Pick-up-Robotersystemen. Andere Unternehmen besinnen sich auf ihre Kernkompetenz und setzen ihr Know-how in der Verbesserung der Fahrzeugtechnik ein, ohne allerdings die technischen Anforderungen der Digitalisierung zu ignorieren. Für bestimmte Zielgruppen, etwa kleine und mittelständische Untzernehmen (KMU), bleiben wohl auch in Zukunft Stapler und Hubwagen die Mittel der Wahl, um Güter zu bewegen, zu lagern, umzuschlagen, zu kommissionieren und zu versenden. Gerade für KMU haben sich die Investitionen in teure Automatisierung nicht gelohnt. Hyundai beispielsweise gliedert seine Gabelstaplersparte derzeit in den Bereich Baumaschinen ein. Auch UniCarriers bleibt reiner Hersteller von Flurförderzeugen. Die Unternehmen setzen auf die Weiterentwicklung ihrer Produkte rund um Sicherheit, Flexibilität und Komfort, um so im Wettbewerb zu bestehen.
Welcher Antrieb ist der Richtige?
Im Bereich der Antriebstechnik geht die Tendenz insbesondere in den kleinen Tragkraftklassen bereits stark weg vom Diesel. Benzinbetriebene FFZ spielen in Europa kaum eine Rolle. Elektrische oder gasbetriebene FFZ stehen im Vordergrund. In den Fokus geraten EU-weit immer mehr Effizienz, Abgas und Lärm. Welche Antriebstechnik sich durchsetzt, Batterie oder Brennstoffzelle oder eine Kombination aus beidem, ist im Augenblick noch nicht absehbar. Bei der Akku-Technik ist der Weg hin zur Lithium-Ionen-Technologie mit ihren Unterarten vorgezeichnet. Die Akkus sind länger betriebsbereit, lassen sich schneller aufladen und erlauben das Zwischenladen. Sie sind wartungsärmer als die Blei-Säure-Batterien. Im Dreischichtbetrieb bleiben die elektrisch betriebenen Stapler wegen der immer noch relativ langen Ladezeiten ein Einsatzhindernis. Im Bereich der Schwerlaststapler mit Tragkräften bis zu 60 Tonnen gibt es derzeit keine Alternative zu den Dieselantrieben. Bei der Wahl der Antriebe (elektrisch, Diesel, Gas) der FFZ lohnt es sich für Unternehmen, genau hinzusehen. Je nach Einsatzbereich (innen, außen, Untergrund, Einsatzdauer) kann sich der Vergleich (Anschaffungspreis, Wartung, Unterhaltungskosten) lohnen. Die Branche der Flurfahrzeughändler und -vermieter sieht sich auch im Jahr 2017 auf Wachstumskurs. Die Unternehmen gehen von einem Gesamtumsatzwachstum von rund drei Prozent gegenüber 2016 aus. Insbesondere in den Sparten Kundendienst/Service und Ersatzteilhandel wird ein Plus von rund fünf Prozent erwartet. Die Nachfrage nach Neu- und Gebrauchtfahrzeugen wird das Vorjahreswachstum wohl nicht erreichen. Dirk Heuer | redaktion@niederrhein-manager.de
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