10 Jahre, 25 Jahre, 50, 100 oder sogar noch mehr: Manche Unternehmen erreichen ein hohes Alter – während andere schon nach kurzer Zeit die Segel streichen. Die Jubilare können sich auf die Schulter klopfen, gehören sie doch zu einer Minderheit: Die Hälfte aller Unternehmen stirbt bereits in den ersten fünf Jahren nach Gründung, weniger als fünf Prozent von ihnen erlebt die dritte Generation. Firmen, die sich über viele Jahre halten, werden gerne als „Traditionsunternehmen“ bezeichnet. Damit ist allerdings weitaus mehr gemeint als der Faktor Langlebigkeit. Unter Tradition versteht man im Allgemeinen die Weitergabe von Handlungsmustern, Überzeugungen und Glaubensvorstellungen sowie von Konventionen, Bräuchen und Sitten. All diese Faktoren zusammen ergeben ein individuelles Profil, durch das eine Firma als Traditionsunternehmen wahrgenommen und geschätzt wird. Dafür sorgt natürlich auch ein teils raffiniertes Marketing: Viele Firmen nutzen ihre langjährigen Unternehmensgeschichten heutzutage professionell in der Außenkommunikation als Wettbewerbsvorteil und schreiben sich eine besondere Erfahrung und Kompetenz zu – die Rede ist dann von History Marketing oder Heritage PR.
Anteil an Familienunternehmen ist hoch
Wenn man sich die bekanntesten deutschen Traditionsunternehmen anschaut, fällt auf, dass viele von ihnen in Familienhand sind. Dr. Oetker zum Beispiel, C&A, Merck oder Haniel. „Das ist nicht verwunderlich“, sagt Professor Tom Arne Rüsen vom Wittener Institut für Familienunternehmen WIFU. „Es ergibt sich aus der Grundlogik von Familienunternehmen. Wenn in einer Familie strategisch geplant wird, ein Unternehmen in die jeweils nächste Familiengeneration weiterzugeben, dann ist die Identifikation mit dem Unternehmen eine andere. Die Kontinuität im Eigentum und in der Führung sind ein Wert an sich. Wir sprechen dabei vom transgenerationalen Moment“, erklärt Rüsen, der sich mit seinem Team zu den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit Familienunternehmen auseinandersetzt.
Ein bekanntes Familienunternehmen aus Nordrhein-Westfalen ist etwa die Privatbrauerei Jacob Stauder aus Essen, die in diesem Jahr ihr 150. Jubiläum feiert. Das Unternehmen wird mittlerweile in der sechsten Familiengeneration geführt, aktuell von den beiden Cousins Dr. Thomas Stauder und Axel Stauder. Das ganze Jubiläumsjahr 2017 über setzen die Essener ein vielfältiges öffentlichkeitswirksames Veranstaltungskonzept um. Beim Konzept „Stauder am Zapfhahn“ etwa zapfen die beiden Manager in angesagten Kneipen des Reviers ihr Pils persönlich und pflegen so ihr Image als Ruhrgebiets-Marke zum Anfassen; beim Konzept „Stauder erzählt Stauder“ gewährt die Familie sehr private Einblicke in die Familien- und Firmengeschichte; bei „Stauder zeigt Stauder“ bieten die Geschäftsführer persönliche Brauereiführungen und bei „Stauders kleine Bierkunde“ erfahren die Gäste Wissenswertes über Bier und erleben eine Verkostung. Beachtliche Jubiläen feiern in diesem Jahr auch noch einige andere Traditionsunternehmen in Familienhand im Verbreitungsgebiet der Regio Manager. Die Duisburger Grillo Werke AG, Spezialist für Zink und Schwefel, waren in ihrer nun 175-jährigen Geschichte bis auf eine kurze Ausnahme – von 1988 bis 1994 – immer in Familienhand. Der Elektrogerätehersteller Severin aus Sundern wird stolze 125 Jahre alt. Immerhin 70 Jahre besteht der Pumpenspezialist Bungartz mit Sitz in Düsseldorf und wird in dritter Familiengeneration geführt. Keine runden, aber dafür recht beachtliche Geburtstage feiern in diesem Jahr zum Beispiel diese Familienunternehmen: Seit 261 Jahren sitzt die Franz Haniel & Cie. GmbH bereits in Duisburg-Ruhrort und ist heute in den unterschiedlichsten Geschäftsfeldern aktiv – das Portfolio reicht von Matratzenbezügen über Handel, Aufbereitung und Recycling von Rohstoffen bis hin zu Großhandel und Food. Der weltweit älteste Industrieschmierstoffhersteller Carl Bechem GmbH aus Hagen wurde vor 183 Jahren gegründet und der Kräuterbitter-Hersteller Underberg (Semper Idem) aus dem niederrheinischen Rheinberg vor 171 Jahren. Gratulation!
Konzerne mit
Jahrhundertgeschichte
„Besonders attraktiv für Kunden scheint ein traditionelles Familienunternehmen zu sein, weil es psychologisch greifbarer ist als ein Nicht-Familienunternehmen. Oft wird mit einer Marke, hinter der ein Familienunternehmen steht, Kontinuität, Verlässlichkeit und gute Qualität assoziiert“, erklärt Tom Arne Rüsen. Durch das langfristige Denken stünden Gewinnmaximierung und die kontinuierliche Erschließung neuer Marktanteile nicht so sehr im Vordergrund wie bei Unternehmen, bei denen Eigentum und Führung entkoppelt sind. Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Unternehmen in der Region, die es auch ohne durchgängig familiäre Führung zu einem stattlichen Alter gebracht haben. Der Weltkonzern ThyssenKrupp etwa. Die Anfänge des einen Konzernzweigs, Thyssen, gehen bis in das Jahr 1871 zurück, die Geschichte von Krupp beginnt gar im Jahr 1587 – das sind stolze 430 Jahre Unternehmensgeschichte! Ein paar Kilometer weiter, in Duisburg, behauptet sich Klöckner & Co seit nun mehr 111 Jahren im weltweiten Stahl- und Metallhandel. Den Schritt an die Börse haben die Duisburger genau 100 Jahre nach ihrer Gründung, im Jahr 2006, gewagt. Die Zwilling J.A. Henckels AG aus Solingen, weltbekannt für ihre Kochmesser, Scheren und Bestecke, ist mit dem Geburtsjahr 1731 eines der ältesten deutschen Unternehmen überhaupt. Alleinige Aktionärin seit 1970 ist die Neusser Wilh. Werhahn KG.
Gute Zukunftsaussichten
Auch mit Blick in die Zukunft sieht Professor Rüsen gute Chancen für Traditionsunternehmen: „In einer schnelllebigen globalisierten und digitalisierten Welt ist Tradition ein Wert, der Verbrauchern wertvolle Orientierung und vielleicht auch Sicherheit gibt.“ Denn Digitalisierung und Tradition müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen: Erfolgreiche Traditionsunternehmen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie immer am Zahn der Zeit waren und auf gesellschaftliche Veränderungen gut reagiert haben, um zu überleben. Wenn sie die vielen Vorteile der Digitalisierung nutzen und weiterhin ihr Image als Traditionsunternehmen bewahren, stehen ihnen wohl noch viele weitere Jahre
bevor. Thomas Corrinth I redaktion@regiomanager.de
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