In Industriebetrieben schlummert ein großes Kosteneinsparpotenzial, insbesondere bei KMUs. Und dieses Potenzial liegt nicht nur in der viel beachteten Technologie, sondern auch im Material- und Energieverbrauch. Dies ist das zentrale Ergebnis einer mit rund 1.600 teilnehmenden Betrieben repräsentativ angelegten Erhebung „Modernisierung der Produktion“ des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Demnach können Betriebe im verarbeitenden Gewerbe nach eigener Einschätzung noch durchschnittlich 14 Prozent des Energiebedarfs und 6 Prozent des Materialverbrauchs in der Produktion einsparen, wenn sie alle technischen Möglichkeiten optimal nutzen würden.
Interessant dabei: Je kleiner ein Betrieb ist, desto seltener werden Einsparpotenziale wahrgenommen. 22 Prozent der kleinen Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten glauben, im Bereich Energie kein weiteres Einsparpotenzial zu haben, während es bei Betrieben bis 249 Beschäftigten 11 Prozent und bei Betrieben ab 250 Beschäftigten 7 Prozent sind. Auch bei der Frage nach Materialeinsparungen ist der Anteil der mittleren und großen Betriebe, die noch Einsparpotenziale in ihrer Produktion sehen, deutlich höher als bei kleinen Betrieben. „Diese Ergebnisse zeigen, dass besonders KMUs ihre Einsparpotenziale falsch einschätzen. Denn dass sie wenige oder keine Einsparpotenziale sehen, heißt nicht, dass sie generell ressourceneffizienter produzieren als mittlere oder große Betriebe und bereits alle Potenziale erschlossen haben. Vielmehr nutzen sie weniger häufig Instrumente, die ihnen dabei helfen könnten, Einsparpotenziale zu identifizieren“, sagt Angela Jäger vom Geschäftsfeld Industrielle Innovationsstrategien am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI – eine der Autorinnen dieser Studie.
Management-Tools helfen
bei der Umsetzung
Diese Hilfsmittel können u.a. organisatorische Maßnahmen in Form von Management-Tools sein. Aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Kosten sind diese nicht technischen Maßnahmen vor allem für KMUs ein niedrigschwelliger, aber wirkungsvoller Einstieg in eine ressourceneffiziente Produktion. „Oft reicht es schon, wenn man sich intensiver mit den vorhandenen Technologien und Prozessen auseinandersetzt, um Einsparpotenziale zu identifizieren und auszuschöpfen. Dies sind auch zentrale Faktoren für eine effiziente Produktion und die Wettbewerbsfähigkeit“, so Angela Jäger. „Das Argument vieler KMUs, die Zeit und Ressourcen dafür seien nicht vorhanden, ist häufig nicht haltbar, zeigt sich uns in der Praxis.“ Vor allem, wenn man sich bewusst macht, wie groß der Kostenanteil ist: Materialkosten machen in einem Industriebetrieb durchschnittlich rund 45 Prozent der Gesamtbetriebskosten aus, Energiekosten rund zwei Prozent. Auch für das Marketing lassen sich die Einsparungsmaßnahmen nutzen: Für immer mehr Konsumenten ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor bei der Kaufentscheidung.
Zu diesen Management-Tools zählen Total-Cost-of-Ownership-Ansätze (TCO), Qualitätsmanagementkonzepte sowie Energiemanagement- und Umweltkennzahlensysteme. Sie verbessern die Kenntnis der eigenen Prozesse, decken Einsparpotenziale systematisch auf und sind somit eine gute Entscheidungsgrundlage für einen Einsatz von Ressourceneffizienzmaßnahmen in der Produktion. „In der Praxis zeigen sich immer Potenziale für Kosteneinsparungen durch organisatorische Maßnahmen. Es gibt keinen Endpunkt dafür. Man kann also als Unternehmer gar nichts falsch machen, wenn man sich damit auseinandersetzt“, sagt Dr.-Ing. Clemens Rohde, der das Geschäftsfeld Energieeffizienz beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe leitet. „Zudem ist der Payback sofort da – und nicht erst nach einigen Jahren, wie das bei technologischen Investitionen meist der Fall ist.“ Wie beispielsweise das Energiemanagement in einem Betrieb aussehen kann, hängt natürlich auch von dessen Größe ab. Professionelle Energiemanagementsysteme lohnen sich betriebswirtschaftlich für Unternehmen ab einer Größe von rund 50 Mitarbeitern, schätzt Rohde. Ein Betrieb, der zum Beispiel rund 10.000 Euro investiert für eine Energieberatung und entsprechende Software und seinen Jahresgewinn von 200.000 Euro dadurch um 10 Prozent steigert, macht also abzüglich der Investitionskosten 10.000 Euro mehr Gewinn in diesem Jahr. Eine Stufe weiter geht ein zertifiziertes Energiemanagementsystem nach ISO 50001. Dieses ermöglicht die Identifizierung von Energieeinsparpotenzialen und damit auch die Verbreitung von Energieeffizienzmaßnahmen. Die Ergebnisse der Fraunhofer-Studie zeigen, dass drei Viertel der Betriebe, die solche Energiemanagementsysteme einsetzen, technische Energieeffizienzmaßnahmen in ihrer Produktion nutzen. Demgegenüber wenden lediglich gut ein Drittel der Betriebe ohne solche Energiemanagementsysteme technische Energieeffizienzmaßnahmen im
Produktionsprozess an.
Austauschen in lernenden Energieeffizienz-Netzwerken
Um mit wenig Aufwand Energieeinsparpotenziale zu identifizieren und entsprechende Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen, bietet sich auch die Teilnahme an lernenden Energieeffizienz-Netzwerken an. In solchen Netzwerken tauschen sich 10 bis 15 Unternehmen über ihre Potenziale aus, lernen voneinander und steigern so ihre Energieeffizienz doppelt so schnell wie der Durchschnitt der Industrie. Das Fraunhofer-Institut ISI unterstützt solche Netzwerke im Rahmen des Projekts „LEEN100plus“ mit Netzwerken für größere Unternehmen mit mehr als 500.000 Euro Energiekosten pro Jahr (LEEN-Klassik) und für kleinere Betriebe mit bis zu 500.000 Euro Energiekosten pro Jahr (Mari:e/LEEN-Kompakt). Die in diesen Netzwerken erstellten Berichte entsprechen unter anderem der Norm ISO 50001 und sind beispielsweise für Anträge zum Spitzenausgleich nutzbar. „In diesen Netzwerken lernen die Unternehmen voneinander und setzen sich gemeinsam Ziele“, so Rohde. „Es wird ein gemeinsames Einsparziel festgelegt, und technologische und organisatorische Maßnahmen werden für die nächsten zwei bis drei Jahre festgelegt.“ Die Zusammensetzung der jeweiligen Akteure eines Netzwerkes kann dabei sehr verschieden sein, je nach Region und Branchenmix. Aktuell gibt es rund 100 dieser Netzwerke, bis 2020 wollen rund 20 Verbände der deutschen Wirtschaft gemeinsam mit der Bundesregierung 500 deutschlandweit initiiert haben.
Thomas Corrinth I redaktion@regiomanager.de
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