Den Unterschied zwischen der amerikanischen und der deutschen Personalpolitik im Betrieb erklärt Dr. Philipp Grunau im Interview. Er ist Mitarbeiter am Forschungsbereich „Betriebe und Beschäftigung“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Für ihn steht fest, dass eine langfristig angelegte Personalpolitik am Ende des Tages erfolgreich ist. Der amerikanische Weg des hire and fire passe einfach nicht zu Deutschland.
Regio Manager: Eine Kündigung auszusprechen, ist nichts für Feiglinge. Stimmt das?
Dr. Philipp Grunau: Sicherlich bedarf es einiger Überwindung, dies dem Betroffenen mitzuteilen. Aber ist es nicht mutiger, im Falle mangelnder Passgenauigkeit weiter an den Mitarbeiter zu glauben, ihn weiterzubilden oder nach einem anderen, besser passenden Arbeitsplatz im Unternehmen zu suchen?
RM: Wie beschreiben Sie langfristiges Personalmanagement?
PG: Langfristiges Personalmanagement zielt nicht darauf ab, schnellstmöglich den für eine unbesetzte Stelle geeignetsten, verfügbaren Kandidaten zu finden und einzustellen. Durch eine langfristige Strategie und Planung sollen stattdessen Talente entwickelt und vorhandenes Potenzial bestmöglich ausgeschöpft werden. Gerade bei zunehmenden Fachkräfteengpässen gewinnt die Bindung der Beschäftigten an den Betrieb an Bedeutung. Daher wird in solchen Firmen vermehrt Wert auf Weiterentwicklung, Weiterbildung und weitere Maßnahmen wie z.B. mobiles Arbeiten gelegt. Dadurch verbessert sich die Verbundenheit mit dem Betrieb und die Beschäftigungsfähigkeit bleibt erhalten.
RM: Und was charakterisiert eine Personalpolitik, die auf eine hire and fire-Strategie setzt?
PG: Eine solche Strategie legt den Fokus auf maximale Flexibilität. So will die Firma sicherstellen, dass sie immer den für die aktuelle Auftragslage passenden Personalbestand zur Verfügung hat und weder aufgrund zu viel noch zu wenig Personal an Effizienz einbüßt. In Deutschland trifft man diese Strategie in ihrer Reinform aufgrund eines strikten Kündigungsschutzes, starken industriellen Beziehungen und einer anderen Unternehmenskultur jedoch kaum an.
RM: Sollten Betriebe in ihrer Personalpolitik eine hire and fire-Strategie besser nicht einsetzen?
PG: Angesichts der sich durch Fachkräfteengpässe immer weiter verschärfenden Lage auf dem Arbeitsmarkt setzen Unternehmen zunehmend auf eine langfristige Bindung. Sie versuchen, Talente frühzeitig zu fördern und das Commitment ihrer Beschäftigten zum Betrieb zu steigern. Für diese Unternehmen halte ich dies für eine gute Idee. Es ist übrigens die einzig nachhaltige Strategie im Wettbewerb um Personal. Für die kleiner werdende Gruppe der Firmen, die nicht oder kaum von Engpässen betroffen sind (und zudem keinem strengen Kündigungsschutz unterliegen), kann es bei großem Bedarf an Flexibilität aber durchaus Sinn machen, auf eine hire and fire-Strategie zu setzen.
RM: Sind Unternehmen mit einem langfristigen Personalmanagement erfolgreich?
PG: Kurzfristig trifft das nicht zwangsläufig zu. Eine langfristige Personalpolitik erfordert Weitblick, ein nicht unwesentliches Investment in Talente und Personalmaßnahmen. Oftmals zahlt sich das durch das stärkere Commitment und die bedarfsgerechte Qualifizierung der Mitarbeitenden erst später aus. Bei der Weiterbildung fallen zunächst Kosten an und die Teilnehmenden sind während der Maßnahme nicht produktiv. Talente müssen Firmen oft über Monate, wenn nicht gar Jahre, aufbauen. Auf lange Sicht sind Betriebe mit langfristiger Personalpolitik dann aber tendenziell erfolgreicher.
RM: Ist eine langfristige Personalstrategie Ausdruck von Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern und honorieren sie das?
PG: Eine langfristige Personalstrategie legt den Fokus auf die Mitarbeitenden als wichtigste Ressource eines Unternehmens. Die damit verbundenen Maßnahmen liegen im Interesse der meisten Beschäftigten und signalisieren ihnen Wertschätzung. So wirken sich Angebote von Weiterbildungen, an der Entwicklung des Einzelnen orientierte Mitarbeitergespräche und mobile Arbeit positiv auf die Verbundenheit mit dem Unternehmen aus. Gerade in Branchen mit starkem Wettbewerb um Arbeitskräfte zahlt sich das mittel- und langfristig für das Unternehmen aus.
RM: Warum passt die hire and fire-Strategie beim Personal eher zu amerikanischen Unternehmen?
PG: Der amerikanische Arbeitsmarkt ist im Vergleich zum deutschen durch einen deutlich geringeren Kündigungsschutz geprägt. Dort haben es große und kleine Unternehmen einfacher, Personal zu entlassen. In Deutschland ist dies nur im Rahmen der Probezeit, bei Befristung und in kleinen Betrieben, die nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, möglich. Außerdem spielen Tarifverträge und Betriebsräte, wenn sie vorhanden sind, bei der betrieblichen Personalpolitik eine Rolle. Hierzulande sind die Erwartungen an den Arbeitgeber andere als in Amerika.
RM: Unterschätzen Topmanager und Vorstände den Grad der Loyalität von Mitarbeitern mit dem Unternehmen?
PG: Ich denke, es herrscht mittlerweile Konsens beim Management, dass Investitionen in das Commitment von Beschäftigten für den langfristigen unternehmerischen Erfolg essenziell sind. Früher war die Situation auf dem Arbeitsmarkt eine andere: Es gab in der Regel ausreichend qualifizierte Bewerber, eine hohe Arbeitslosigkeit, die zwangsweise für eine stärkere Bindung ans Unternehmen sorgte. Zudem war die Unternehmenskultur früher eine andere und Beschäftigte tendenziell einfacher zu motivieren, da das Gehalt einen höheren Stellenwert hatte als die individuelle Weiterentwicklung, Arbeitsinhalte und mobiles Arbeiten.
RM: Steht das deutsche Arbeitsrecht einer hire and fire-Strategie entgegen?
PG: Definitiv ja, Entlassungen sind in Deutschland nur in bestimmten Situationen einfach und schnell durchzuführen. Der starke Kündigungsschutz, die andere Unternehmenskultur und die industriellen Beziehungen stehen dem entgegen.
RM: Was löst es bei einem Beschäftigten aus, wenn er oder sie weiß, dass der Arbeitsplatz relativ sicher ist?
PG: Aus Studien wissen wir, dass ein wahrgenommener unsicherer Arbeitsplatz mit geringerer Jobzufriedenheit, Verbundenheit mit dem Arbeitgeber und Produktivität einhergeht. Insbesondere in Bereichen mit ausgeprägten Fachkräfteengpässen zahlt es sich, selbst bei moderaten Nachfrageschwankungen bei den Aufträgen, langfristig aus, für sichere Arbeitsplätze zu sorgen.
Info – Wer ist Dr. Philipp Grunau?
Philipp Grunau (38) studierte Sozialwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist seit September 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsbereich „Betriebe und Beschäftigung“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Er war Gastwissenschaftler am Swiss Forum for Migration and Population Studies (SFM) der Université de Neuchâtel (Schweiz). Seine Promotion erwarb er an der Friedrich-Alexander-Universität. Seine große Leidenschaft ist das Reisen. Für das Interview erwischte Regio Manager ihn im kanadischen Vancouver.
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