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Digitalkompetenz: Kein X für‘n U

Auch wenn der Begriff „Digitalisierung“ mittlerweile ähnlich strapaziert ist wie „Achtsamkeit“, ändert dies nichts an der Relevanz. Wie Unternehmer am besten vorgehen, um ihre digitale Kompetenz zu stärken

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von Regiomanager 01.06.2018
Foto: Trueffelpix – stock.adobe.com

Der Grad der Digitalisierung deutscher Unternehmen stagniert. Wie auch im Vorjahr erreichten deutsche Firmen beim „Wirtschaftsindex Digital“ im Juni 2018 im Durchschnitt 45 von 100 Punkten. Das haben Kantar TNS und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim bei der Studie „Monitoring-Report Wirtschaft Digital 2018“ im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) herausgefunden. Wenig überraschender Spitzenreiter der Rangliste ist die Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche mit 74 von 100 Punkten. Der Grad der Digitalisierung des Handels entspricht mit 54 Punkten dem Durchschnitt aller Firmen.

Mit einem Bereich anfangen

Für die Digitalisierungsstrategie von Unternehmen gibt es keinen Königsweg. Für alle Unternehmen gilt jedoch, dass „die Geschäftsleitung eine übergeordnete Digitalstrategie für das Gesamtunternehmen entwerfen sollte, von der sich dann einzelne abteilungsspezifische Strategien mit klaren Zuständigkeiten ableiten“. Dieser Ansicht ist Dr. Christopher Meinecke, Leiter Digitale Transformation beim Digitalverband Bitkom. „Unternehmer sollten bei ihrer digitalen Transformation fokussiert vorgehen und ihr Augenmerk auf einen bestimmten Unternehmensbereich legen“, rät Tobias Thimm, Referent des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Berlin. Es sei empfehlenswert, zu Beginn das Nadelöhr im Unternehmen zu identifizieren und bei den Kernprozessen anzusetzen.

Auf interne und externe Digital-Experten setzen

„Je größer die Belegschaft, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich im eigenen Unternehmen digitalaffine Mitarbeiter befinden“, sagt Thimm. Er rät Unternehmern, zu überlegen, welche Mitarbeiter sie bei Digitalisierungsprojekten mit einbinden können. Im Unternehmen sollte Dr. Meinecke zufolge ein Team geschaffen werden, dass sich im Idealfall nicht nur aus IT-Spezialisten, sondern auch aus Mitarbeitern aus allen anderen relevanten Bereichen wie der Produktion und dem Personal zusammensetzt, um passende Maßnahmen für das Unternehmen zu entwickeln. Es geht, so Dr. Meinecke, auch um die horizontale Vernetzung im Unternehmen: „Hier ist auch eine Mischung von unterschiedlichen fachlichen Hintergründen von Vorteil, weil so jeder seine Stärken, Sichtweisen und Ansätze einbringen kann.“

Eine Anlaufstelle dafür ist das vom BMWi geförderte Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum in Siegen. Das Ziel dieses Zentrums liegt u.a. darin, Mitarbeiter von KMUs im Bereich „Digitalisierung“ zu qualifizieren – bei Mensch-Maschine-Kooperationen und beim Thema „Maschinen- und Sensorsysteme“. Bundesweit gibt es insgesamt 23 dieser Kompetenzzentren, die kleine und mittlere Unternehmen bei ihren Digitalisierungsvorhaben unterstützen. Ein Beispiel für ein gefördertes Digital-Projekt ist die Zusammenarbeit des Berliner Kompetenzzentrums mit der Firma Zemmler Siebanlagen GmbH, für das sich die Firma beworben hatte. Das Kompetenzzentrum hat das Unternehmen dabei unterstützt, seine Materialbewirtschaftung von analog auf digital – also von Papier auf Tablet – umzustellen. „Mit dem entwickelten Dashboard sind die Warenbestände im Lager nun in Echtzeit für den Einkauf und die Produktionsplanung verfügbar“, erklärt Thimm. „Die Lösung wurde als Prototyp entwickelt, der auch allen anderen Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen kostenfrei zur Verfügung steht.“ „Wenn Unternehmer langfristige digitale Änderungen in ihrem Geschäftsmodell durchführen und wenige interne Forschungskapazitäten zur Verfügung haben, bietet sich auch die Kooperation mit einer Hochschule über ein Forschungsprojekt an“, erklärt Dr. Matthias Mainz, Geschäftsführer der IHK NRW für den Bereich Wirtschaftspolitik.

Eine ähnliche Strategie verfolgt das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum eStandards, das Mittelständler insbesondere für den Einsatz offener, freier Standards sensibilisieren will. Das örtliche Projektbüro in der Hagenagentur betreibt seit Juli auf dem Campus der Fernuniversität in Hagen eine so genannte Offene Werkstatt, in der der Einsatz offener Standards in der Additiven Fertigung, bei digitalen Assistenzsystemen und Smart-Home-Anwendungen demonstriert wird.

IHK informiert über IT-Sicherheit

Unter dem Motto „Digital in NRW“ unterstützt auch das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum in Dortmund kleine und mittlere Unternehmen aus der Region dabei, ihre Prozesse zu digitalisieren. In den drei Regionen des Kompetenzzentrums – Metropole Ruhr, Rheinland und Ostwestfalen-Lippe – bieten wissenschaftliche Einrichtungen laut eigenen Angaben Unternehmern kostenlose, praxisnahe und anbieterneutrale Informationen an. In der Region Metropole Ruhr liegt der Schwerpunkt laut Angaben des Kompetenzzentrums auf effizienten und wandelbaren Logistiksystemen sowie intelligenten Wertschöpfungsnetzwerken. Die Experten der Region Rheinland beschäftigen sich vor allem mit intelligenten Produktionstechnologien. Thematischer Schwerpunkt der Region Ostwestfalen-Lippe ist die intelligente Automatisierung sowie intelligente technische Systeme im Maschinen- und Anlagenbau. Die Bitkom Akademie bietet Fach- und Führungskräften zum Teil kostenlose Weiterbildungen zu IT-Themen und digitalen Trends an. Auch die IHKs in Nordrhein-Westfalen offerieren Dr. Mainz zufolge regelmäßige Informationsveranstaltungen und Workshops sowie kostenlose Einzelberatungen für Unternehmer zu digitalen Themen. Eine dieser Veranstaltungen ist der „IT-Sicherheitstag NRW“ am 4. Dezember. Die Teilnehmer erfahren bei der Veranstaltung u.a., wie sie ihre Daten besser schützen können.

Digitale Fachkräfte über Online-Präsenz ansprechen

Mittelständler wie große Unternehmen sollten Juliane Petrich (siehe unten) zufolge auch soziale Netzwerke und Communitys gezielt zur Vernetzung, zur Kommunikation und zum Austausch innerhalb der Belegschaft nutzen, um Kompetenzen und Innovationen zu entwickeln. Auch für die Kommunikation nach außen bieten soziale Netzwerke laut Thimm viele Vorteile. „Die Präsenz eines Unternehmens in den sozialen Netzwerken kann dabei unterstützen, neue Kunden zu gewinnen, Kunden zu pflegen und Produkte besser zu verkaufen“, erklärt der Digitalexperte. Dabei sei entscheidend, dass sich das Unternehmen vorab mit den Bedürfnissen, Interessen und Verhaltensweisen seiner Kunden auseinandersetzt. So könne eine zielgruppenspezifische Ansprache auch über soziale Netzwerke zu dem erwünschten Ziel führen: „Auch potenzielle digitale Fachkräfte können über eine gute Online-Präsenz angesprochen werden.“

Außerdem sollten „Unternehmer ständig auf dem Laufenden bleiben, welche neuen Technologien es gibt und welche von Konkurrenten bereits in welcher Form eingesetzt werden“, sagt Dr. Mainz. Eine der derzeit viel diskutierten Zukunftstechnologien ist die Künstliche Intelligenz (KI). Allerdings nutzen derzeit nur knapp fünf Prozent der befragten 1.061 Entscheider der BMWi­-Studie diese Technologie. Am meisten nutzen aktuell 43 Prozent der Befragten Cloud-Computing-Anwendungen. Vor allem sollten sich aktuell sehr erfolgreiche Mittelständler aber laut Dr. Meinecke die Frage stellen, ob ihre analogen Produkte oder Dienstleistungen, die jetzt gut im Markt funktionieren, noch in fünf Jahren gefragt sein werden und wie sie diese so digitalisieren können, um auch künftig erfolgreich zu bleiben.

Barbara Bocks | redaktion@regiomanager.de

 

INFO

„Qualifizierung als strategische Aufgabe verstehen“

REGIO MANAGER: Mit welchen konkreten Maßnahmen können Mittelständler ihre Mitarbeiter fit für die Digitalisierung machen?

Juliane Petrich: Unabhängig von konkreten Maßnahmen ist es zunächst wichtig, Qualifizierung als strategische Aufgabe zu verstehen. Sie muss glaubhaft durch die Unternehmensführung vertreten werden. Ein langfristig angelegtes individuelles Coaching mit klaren Zielsetzungen ist für Mitarbeiter auch in kleinen Unternehmen sinnvoll. Je nach Weiterbildungsziel und Präferenz des Mitarbeiters bietet sich eine ganze Fülle an Weiterbildungsmaßnahmen – online und offline – an: webbasierte Lernprogramme und Online-Seminare, Präsenzschulungen, Lernspiele, interaktive Videos oder Lern-Apps.

REGIO MANAGER: Sind Online-Trainings ausreichend für die Mitarbeiter oder sollten es auch Schulungen und Veranstaltungen vor Ort zu dem Thema geben?

Juliane Petrich: Online-Angebote bieten eine ganze Reihe von Vorteilen, gerade für den Mittelstand. Starre Lernkonzepte können durch hochflexible und individualisierbare digitale Anwendungen abgelöst werden. Dank Learning Analytics lassen sich individuelle Lernprofile erstellen. Außerdem kann man lernen, wann man will und wo man will. Viele Unternehmen setzen laut einer Bitkom-Umfrage aber auf einen Mix aus klassischen Präsenz-Seminaren und digitalen Lerntechnologien. Zwei Drittel aller Unternehmen (65 Prozent) nutzen externe Seminarangebote oder Inhouse-Schulungen. Ähnlich viele Unternehmen (63 Prozent) setzen digitale Lernprogramme oder onlinegestützte Angebote für die Weiterbildung ein.

REGIO MANAGER: Was machen Mittelständler bei der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter bei digitalen Themen gerne falsch und wie könnten sie es besser machen?

Juliane Petrich: Nicht nur bei der Weiterbildung rund um digitale Kompetenzen fehlt häufig eine strategische Ausrichtung. Weiterbildung muss zur Chefsache werden, in der Unternehmensstrategie fest verankert und mit einem entsprechenden Budget hinterlegt werden. Auch sollten digitale Lernformate stärker berücksichtigt werden, denn die Vorteile liegen für viele Nutzer auf der Hand: Digitale Angebote sind viel leichter in den Arbeitsalltag zu integrieren und steigern Motivation und Lernerfolg. Nie war es einfacher, unabhängig von Zeit und Ort zu lernen – am Arbeitsplatz, auf Bahnfahrten oder im Wartezimmer.

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