Es ist noch keine zehn Jahre her, da fanden sich landauf, landab viele mittelständische Firmen in genau dieser Situation: Die Finanz- und Wirtschaftskrise traf auch deutsche Unternehmen mit ungeahnter Wucht, ließ Aufträge einbrechen, machte dringend benötigte Finanzierungen durch Banken unmöglich. Erste-Hilfe-Maßnahmen nach dem Rezept „Kosten runter, Liquidität sichern“ kamen in vielen Fällen zu spät. Wer jedoch sachlich überlegte, was in dieser Lage zu tun war, statt kopflos zu unüberlegten Sofortmaßahmen zu greifen, hatte die Chance, die Krise zu überstehen. Ein Mittelständer, dem dies gelungen ist, ist die Murtfeldt Kunststoffe GmbH & Co. KG mit Sitz in Dortmund.
„Wir haben in den Jahren 2008/2009 u.a. davon profitiert, dass wir bereits ein flexibles Arbeitszeitmodell eingeführt hatten“, sagt Andreas Balla, Geschäftsführer des Herstellers für technische Kunststoffe. Da die Mitarbeiter die auf Arbeitszeitkonten angesammelten Guthaben-Stunden aufzehrten, als Murtfeldt die Produktion herunterfuhr, musste niemand entlassen werden. Zudem setzte das Unternehmen eine spezielle Software zur Produktivitätssteuerung ein. „Das Zeiterfassungsprogramm gleicht die Anwesenheitsminuten der Mitarbeiter in der Produktion mit den tatsächlichen Arbeitsminuten ab“, erklärt Balla.
So lässt sich feststellen, wer wann an Kundenaufträgen arbeitet und wer einfach nur „da ist“. Ziel des Instruments ist es, diejenigen, die aufgrund von Auftragsrückgängen weniger zu tun haben, an anderer Stelle im Unternehmen sinnvoller einzusetzen. „Natürlich waren wir nicht auf eine Wirtschaftskrise dieses Ausmaßes vorbereitet“, sagt Balla. Doch die Maßnahmen, die man einleitete, erlaubten es Murtfeldt, im Abschwung flexibel zu reagieren und sich keine Chancen für die Zukunft zu verbauen.
Krisenanzeichen nicht ignorieren
Große Krisen, die die gesamte Wirtschaft eines Landes treffen, sind glücklicherweise selten. Doch wenn Aufträge plötzlich ausbleiben, häufig storniert werden, Unternehmer auf Forderungen sitzen bleiben oder klar wird, dass die Personalkosten deutlich zu hoch sind, kann die Lage der eigenen Firma heikel werden. Bemerken Unternehmer erste Anzeichen für eine Krise, sollten sie diese auf keinen Fall ignorieren, verdrängen oder lediglich „äußeren Einflüssen“ zuschreiben. Jetzt ist es an der Zeit zu überprüfen, was im Einzelnen die Ursachen für die schwierige Situation sind und ob das Unternehmen überhaupt noch rentabel arbeitet. Kann diese Frage ehrlich mit „Ja“ beantwortet werden, muss ein Konzept her, das aus der Krise führt.
Dabei geht es zunächst darum, zügig Maßnahmen einzuleiten, um die Liquidität der Firma zu stabilisieren und zu verbessern. Da es in einer ohnehin schon kritischen Situation kaum möglich ist und auch nicht sinnvoll wäre, weiteres Fremdkapital aufzunehmen, sollten Unternehmer gut überlegen, wie sie dies aus eigener Kraft schaffen können. Eventuell ist es möglich, die Bareinlagen der Gesellschafter zu erhöhen oder auch ein Gesellschafter-Darlehen in Anspruch zu nehmen. Nicht zwingend benötigte Vermögenswerte können veräußert, die Lagerbestände z.B. durch Sonderverkäufe reduziert werden. Ganz wichtig ist es jetzt auch, das Forderungsmanagement zu optimieren, um alle offenen Rechnungen so schnell wie möglich einzutreiben. Sind in jüngster Zeit Material oder Arbeitsmittel bestellt worden, die nicht unbedingt benötigt werden, sollte der Firmenchef zusammen mit seinen Führungskräften prüfen, ob eine Stornierung oder Rückabwicklung solcher Aufträge noch möglich ist.
Kurzfristige Maßnahmen einleiten
Nach diesen sorgfältig durchdachten Sofortmaßnahmen, die dem Unternehmen schon etwas mehr Luft verschaffen, kommen kurzfristige Maßnahmen an die Reihe. Auch wenn es unangenehm ist, die prekäre Lage gegenüber Banken und Lieferanten offen zu kommunizieren, kann dies durchaus von Vorteil sein. Eventuell lassen sich Stillhalte-Abkommen vereinbaren, sodass Kreditraten und Forderungen ein wenig nach hinten verschoben werden können. Auf hohe Gewinnentnahmen sollten alle Gesellschafter verzichten, bis die Krise überstanden ist. Wer noch nie darüber nachgedacht hat, öffentliche Förderprogramme der Europäischen Union, des Bundes oder der Länder in Anspruch zu nehmen, kann nun checken, welche Möglichkeiten sich nutzen lassen. Der Weg durch den „Förder-Dschungel“ ist aufgrund der zahlreichen Töpfe und Programme zwar beschwerlich, er sollte aber unbedingt beschritten werden. Zudem sollten Rechnungswesen und Controlling jetzt dringend auf Prüfstand gestellt und, sofern nötig, verbessert werden. Etwas mehr Zeit benötigen Unternehmer, um sämtliche Prozesse und die gesamte Absatzorganisation zu durchleuchten. Das ist jedoch notwendig, da eine Optimierung eventuell zu Kostenersparnissen führt. Gut ist es zudem, sich etwa Einkaufsverbänden anzuschließen, um Energie, Material oder Arbeitsmittel künftig günstiger zu beziehen. Auch wenn die Mitarbeiter nicht gerade begeistert sein werden, können Firmenchefs Zulagen kürzen, Dienstwagen streichen und mittelfristig eine leistungsbezogene Entlohnung einführen – oder aber flexible Arbeitszeitmodelle wie im Fall von Murtfeldt.
Langfristig wieder stabil aufgestellt
Für den dauerhaften Unternehmenserfolg sollten schließlich notwendige langfristige Maßnahmen geplant werden. Wichtig ist es, Krisenphasen zu nutzen, um darüber nachzudenken, wie die eigene Produktpalette verändert oder auch erweitert werden kann. Läuft alles gut, überlegen sich Unternehmer zuweilen nicht, ob und wie sich ein bestehendes Produkt abwandeln und vielleicht in weiteren Bereichen einsetzen lässt. Dabei kann genau dies eventuell zusätzliche Erträge bringen. Auch eine Verlegung des Standortes oder eine Zusammenführung mehrerer Standorte ist ein Punkt, der jetzt gründlich durchdacht werden sollte. Nicht zuletzt stehen die Prüfung der Gesellschafterstruktur und alle Möglichkeiten für die Erschließung neuer Märkte auf der Checkliste. Denn nur, wer eine schwierige Situation nutzt, um sich langfristig wieder stabil aufzustellen, hat die Chance, künftig in keine größere Krise mehr zu schlittern. Andrea Martens I redaktion@regiomanager.de
INFO
Tipps für Krisenfälle
- Nehmen Sie alle Frühwarnsignale ernst und ignorieren Sie diese nicht.
- Das Unternehmen aus der Krise zu führen ist Chefsache. Sie brauchen dabei aber Unterstützung. Bilden Sie mit Ihren zuverlässigsten und besten Mitarbeitern ein Krisenteam.
- Berufen Sie regelmäßige Sitzungen des Krisenteams ein, in denen die Entwicklung des Sanierungskonzeptes und dessen Umsetzung überprüft und diskutiert werden.
- Informieren Sie Banken und Gläubiger über Ihr Sanierungskonzept. Das mag unangenehm sein, doch wer offen kommuniziert, hat es leichter, das Vertrauen von Kreditinstituten und Gläubigern zurückzugewinnen.
- Steckt das Unternehmen in einer schweren Krise, holen Sie sich Hilfe von außen. Berater, die auf Krisen- und Sanierungskonzepte spezialisiert sind, kosten zwar ihr Geld. Sie sind aber Profis und wissen genau, was zu tun ist. Durch diese Unterstützung bleibt Ihnen als Firmenchef zudem mehr Zeit für andere wichtige Aufgaben.
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