Mit seinen Anfängen in den 90er Jahren und der fortschreitenden Entwicklung im 21. Jahrhundert gehört das additive Manufacturing, kurz 3D-Druck genannt, neben Big Data sowie Virtual und Augmented Reality zu den interessantesten Entwicklungen unserer Zeit. Dabei ist der Anwendungsbereich des 3D-Drucks heute ebenso vielfältig wie seine Entwicklung, die in einigen Branchen über die Testphasen hinausreicht und sich in anderen noch im Reifeprozess befindet. Sicher haben Sie bereits von der praktischen Anwendung des 3D-Drucks in der Luft- und Raumfahrt, im Bauwesen oder in der Automobilindustrie gehört. Letztere ist derzeit die wichtigste und fortschrittlichste Branche, wenn es um den 3D-Druck geht.
3D-Druck in der industriellen Fertigung
So nutzt der Automobilkonzern Daimler den Metall-3D-Druck für die Herstellung selten bestellter Ersatzteile im LKW-Afterservice insbesondere bei älteren Baujahren. Der Stuttgarter Autobauer kann so auf Knopfdruck Ersatzteile ohne kostspielige Lagerhaltungskosten herstellen. Auch der Automobilhersteller Volkswagen möchte in Zukunft bei der Produktion von Ersatzteilen auf 3D-Druck setzen und testet dies im Zusammenspiel mit den Modellen Golf GTI sowie GTE. In Frankreich haben die Ingenieure von Renault Trucks bereits einen Prototyp des DTI5-4-Zylinder-Euro-6-Schritt-C-Motors im 3D-Druck-Verfahren hergestellt. Bei BMW nutzt man den 3D-Druck in Kombination mit Virtual Reality beim Prototyping. Die bayrischen Motorenbauer versetzten damit Ingenieure und Designer in die Lage, kostengünstig und unabhängig Fahrzeugteile und Systemkomponenten zu testen, und wollen zukünftig Kunststoffkomponenten im 3D-Druckverfahren herstellen. Ersatzteile, Lichtbauelemente und Motoren sind das eine, doch mittels 3D-Druck lassen sich auch ganze Wohnhäuser bauen. So gelang es dem chinesischen Ingenieur Ma Yihe bereits 2015, eine Villa zu drucken. Mit einem Beton-3D-Drucker, der als Material schnell härtenden Zement gemischt mit Sand und gemahlenem Bauschutt sowie Glas nutzte, gelang den Chinesen ein solches Projekt, bei dem die Bauzeit um 50 bis 70 Prozent gesenkt werden konnte. Doch es geht noch besser. So hat das Unternehmen Apis Cor in Russland in diesem Jahr das erste Grundgerüst eines Wohnhauses mit einem mobilen 3D-Drucker vor Ort gedruckt. Das Haus mit etwa 40 Quadratmetern Wohnfläche wurde innerhalb von knapp 24 Stunden gebaut. Dach, Fenster und Isolierung sowie andere Komponenten wurden später von Hand hinzugefügt. Die Gesamtkosten des Projekts beliefen sich auf vergleichsweise bescheidene 10.000 US-Dollar. Wer einmal selbst sein Haus umgebaut hat oder einen Wintergarten anbauen wollte, für den ist leicht ersichtlich, dass der 3D-Druck im Baugewerbe bezüglich der Komponenten, Zeit und Kosten eine biblische Offenbarung darstellt.
Einfacher, schneller, günstiger
Der 3D-Druck zeichnet sich durch eine Reihe von Vorteilen aus. Bei der Anwendung von additiven Fertigungen entfällt zum einen das aufwendige Herstellen von Gussformen, zum anderen bleibt der Materialverlust aus, der bei konventionellen Techniken wie Schneiden, Bohren oder Fräsen auftritt. Mit der additiven Fertigung lassen sich zudem hochkomplexe Bauteile und Leichtbaustrukturen, die mit herkömmlichen Fertigungsverfahren nicht oder nur mit großem Aufwand herzustellen waren, drucken. Auch sind die Kosten, wie im vorhergehenden Beispiel gezeigt, wesentlich niedriger. Die extreme Genauigkeit von 3D-Druck-Verfahren sorgt außerdem dafür, dass die Technologie gerne in der Forschung sowie der industriellen Fertigung eingesetzt wird. Doch es gibt noch zwei weitere zukunftsträchtige Einsatzfelder, in denen der 3D-Druck bereits erforscht und eingesetzt wird. Das ist zum einen das Bio-Printing und zum anderen der
Lebensmitteldruck. Lebensmitteldruck hilft, die Würde zu wahren
Das Konzept des 3D-Lebensmitteldrucks ist ähnlich wie das des industriellen 3D-Drucks. Anstatt Metall oder Plastik zu verwenden, werden hier als Auftragsmaterial verflüssigte oder pürierte Lebensmittel, die durch Computer oder Apps beliebig kombiniert, angeordnet und designt werden können, genutzt. Aus den Spritzdrüsen des Druckers wird die Masse dann Schicht für Schicht aufgetragen. Auf diese Weise entstehen unter anderem verschiedenste Tortenbeläge, Pralinen oder Marzipanfiguren. Auch personalisierte Lebensmittel etwa in Form von 3D-Selfies sind möglich. Wie das genau funktioniert, kann man bei Print2Taste erleben. Das Freisinger Unternehmen bietet mit dem Bocusini Pro die dritte Generation des 3D-Lebensmitteldrucks. Der Drucker produziert dabei nicht nur kulinarische Leckereien, sondern ist mit Kosten von rund 2.000 Euro auch für den Hausgebrauch erschwinglich. Im Bereich der Profiküche findet der 3D-Druck zunehmend Beachtung und wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit ähnlich wie die Molekularküche zu einem eigenen kulinarischen Zweig entwickeln. Eine weitere Anwendung findet der 3D-Lebensmitteldruck in der Pflege bzw. in Altenheimen, wie das am Standort Bremerhaven beheimatete Unternehmen Biozoon zeigt. Hier werden Silikonformen mit verflüssigtem und frischem Fleisch, Fisch oder Gemüse sowie einem Texturgeber gefüllt. Durch das Drucken dieser Komponenten entstehen dann ganze Mahlzeiten, auch Smoothfood genannt, die für Menschen mit Kau- und Schluckbeschwerden bekömmlich sind. Der Vorteil des Lebensmitteldrucks liegt vor allem darin, dass das Essen auf dem Teller wie eine ganz normale Mahlzeit ausschaut. So sieht ein gedrucktes Hähnchen wie ein normales Hähnchen aus. Wer selbst einen pflegebedürftigen Angehörigen in seinen Reihen hat, der kennt den ekelhaften Matschbrei, der tagtäglich in Altenheimen als Mahlzeit serviert wird. Der Lebensmitteldruck trägt somit auch dazu bei, die Würde des Menschen zu wahren.
Bio-Printing kann Leben retten
Das Bio-Printing ist der zweite Bereich, in dem das additive Manufacturing kurz vor der Marktreife steht und in dem der 3D-Druck in Zukunft sein Potential beweisen kann. Ein Beispiel dafür lieferte bereits das britische Unternehmen Fripp Design, das 2013 in Zusammenarbeit mit der Manchester Metropolitan University erfolgreich Augenprothesen mit dem 3D-Drucker herzustellen vermochte. Die Herstellungskosten von rund 120 Euro pro Stück lagen bei weniger als fünf Prozent der üblichen Kosten für eine solche Prothese (3.200 Euro). Zudem konnte das Unternehmen mit Nachbearbeitung fünf Augenprothesen pro Stunde fertigen. Bedenkt man, dass die übliche Wartezeit bei rund zehn Wochen liegt und diese Art der Prothese jedes Jahr getauscht werden sollte, lässt sich die monetäre und zeitliche Einsparung durch den 3D-Druck erfassen. Neben dem Tintenstrahl-Prinzip gibt es im Bio-Printing eine weitere Methode – das Laser-Prinzip. Dabei wird mit Hilfe eines Laserstrahls Dampfdruck erzeugt. Dieser bewirkt, dass kleinste Tropfen mit lebenden Zellen auf eine Glasunterlage geschleudert werden. So entsteht dann Tropfen für Tropfen ein neues, gedrucktes Gewebe oder ein Organ. Mit dieser Methode lassen sich Herzstücke und Hautstücke erzeugen. Experten schätzen, dass wir in den nächsten zwei Dekaden die Technologie für großflächige lebende Hautzellen oder ganze Organe erforschen könnten. Das größte Problem des Bio-Printing, die Durchblutung sowie die Versorgung gedruckter Organe mit Nährstoffen mittels Kapillaren sicherzustellen, ist bislang noch nicht hinreichend gelöst. Dennoch ist es 2016 einem Forscherteam um Anthony Atala, Direktor des Wake-Forest-Instituts für Regenerative Medizin an der Universität in North Carolina, gelungen, eine experimentelle und funktionsfähige Niere durch Bio-Printing herzustellen. Die Entwicklung des 3D-Drucks in der industriellen Produktion, der Lebensmitteldruck und das Bio-Printing werden uns noch lange begleiten und damit ein fester Bestandteil unserer Zukunft werden.
André Sarin | redaktion@niederrhein-manager.de
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