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Lehren aus der Corona-Krise : Europe first

Die Corona-Krise als Chance für Europas Wirtschaft

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von Regiomanager 16.07.2020
Foto: © Eisenhans – stock.adobe.com

Ob Kultur, Wirtschaft, Gesellschaft, Produktion oder Freizeit – keine Notlage hat das tägliche Leben, unsere Arbeit und die lokale sowie globale Wirtschaft stärker beeinträchtigt als die Corona-Krise. Die Krise lehrt uns Demut und Respekt. Sie verlangt Geduld und Ausdauer. Sie bringt Einschränkungen, aber auch den Impuls für Wandel. Denn so wie zuvor Öl-, Immobilien-, Finanz-, aber auch Flüchtlingskrise birgt auch die Corona-Krise zahleiche Wendepunkte in vielen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft. Wohl wissend, dass die aktuelle Krise längst nicht ausgestanden ist, wollen wir daher im Sommer 2020 den Versuch wagen, die bisherigen Lehren und Erkenntnisse der letzten Monate zusammenzufassen.

Die Corona-Krise als Chance für Europas Wirtschaft

Umsatzeinbußen, Kurzarbeit, Alternativen – die deutsche Wirtschaft ist von der Corona-Krise hart getroffen. In seiner turnusmäßigen Sommerprognose vom Juni 2020 schätzt das Institut für Weltwirtschaft den Wirtschaftseinbruch für das laufende Jahr auf 6,8 Prozent; im nächsten Jahr dürfte der Zuwachs bei 6,3 Prozent liegen. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung, so die Kieler, prägt das Bild nicht wesentlich, da es zum Großteil am Kern der Krise vorbeigeht. Belastend wirkt zudem die globale Investitionsschwäche auf das Exportgeschäft. So musste die Exportwirtschaft bislang ein Minus von 9,3 Milliarden Euro (Stand: März 2020) verkraften. Durch die Krise sinkt Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss auf unter fünf Prozent. „Der Tiefpunkt der Krise liegt hinter uns. Das ist noch keine Entwarnung, denn der Tiefpunkt war extrem tief“, sagt Professor Dr. Stefan Kooths, Konjunkturchef des IfW. „Im zweiten Quartal dürfte das Bruttoinlandsprodukt drastisch um zwölf Prozent geschrumpft sein. Damit markiert die Corona-Krise den schärfsten Wirtschaftseinbruch seit Bestehen der Bundesrepublik.“
Die Corona-Krise verlangt dabei von uns einen flexibleren Umgang mit Produktionskrisen. So lassen sich diese z.B. dafür nutzen, technologische oder marktorientierte Neuorientierungen zu beschleunigen. Im Bereich des maritimen Schiffsbaues hat die Krise so dafür gesorgt, dass sich die Branche stärker den wichtigen Markttreibern wie Digitalisierung, Diversifizierung oder grüner Antriebstechnologien widmen kann. Die Produktion in der Branche ist dabei bisher fast ohne Unterbrechungen weitergelaufen, trotz zeitweiliger Engpässe bei den Lieferanten. „Aufgrund der guten Auftragslage haben wir im vergangenen Jahr unsere Belegschaft verstärkt. Wir sind insgesamt in der Branche gut aufgestellt“, sagt Martin Johannsmann, Vorstandsvorsitzender der VDMA Marine Equipment and Systems. „In der Corona-Krise hat sich das ausgezahlt.“
Sicher geht so ein Umgang nicht in allen Branchen. Veranstaltungsgewerbe, Kunst, Kultur und allen voran die Hotellerie sowie das Gastgewerbe sind die großen Verlierer der Corona-Krise. Auch Fluggesellschaften oder die Bahn geraten unter Druck. Denn dienstlich bedingte Reisen, etwa Kundenbesuche oder Mitarbeitermeetings, waren in 60 bis 75 Prozent aller Fälle Grund für eine Reise. Aktuell erleben wir eine Renaissance des autofreien Individualverkehrs mit Fahrrad, E-Scooter oder zu Fuß. Ein globaler Trend, der sich auch in unseren deutschen Großstädten langfristig durchsetzen wird und der die deutschen Automobilbauer vor große Aufgaben stellt. Diese leiden bereits seit Monaten unter einer fallenden Nachfrage. So war die Pkw-Produktion in den ersten fünf Monaten dieses Jahres so niedrig wie zuletzt 1975.
Die Wirtschaft und der Mittelstand sind in einer Krise, das ist klar, dennoch sollten sich beide in diesen Zeiten auf Erfahrung und Know-how besinnen. Gemeinsam mit europäischen Partnern bietet es sich zudem an, Konzepte der globalisierten Wertschöpfungskette neu zu bewerten. Erst jüngst beurteilte Thierry Breton, Kommissar der EU für Binnenmarkt und Dienstleistungen, dass die Abhängigkeit von Industrienationen wie China und globalpolitischen Akteuren wie den USA eine Schwäche Europas darstellen. Eine Schwäche, die man in Zeiten der Corona-Krise an vielen Engpässen, wie z.B. bei Unterhaltungselektronik, industriellen Vorprodukten oder Medikamenten beobachten konnte. „Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind ein europaweites Problem, das wir auch auf europäischer Ebene angehen müssen. Wichtige Wirkstoffe werden oft nur noch in Fernost hergestellt“, sagt Mathias Arnold, Vizepräsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Derzeit sind laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte rund 350 Medikamente in Deutschland nicht oder nur eingeschränkt lieferbar. Europa muss seine Position in der Welt neu überdenken und wichtige Branchen sowie Schlüsseltechnologien bei sich verorten.

Homeoffice als erfolgreiches Arbeitsmodell

Ob globaler Automobilkonzern oder lokaler Mittelständler – Kurzarbeit, Geschäftsaufgaben oder drohende Insolvenzen drücken den Arbeitsmarkt. Zwar sind Letztere trotz Krise noch immer rückläufig, im ersten Halbjahr 2020 verringerte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8,2 Prozent auf 8.900 Fälle, doch verschleiern diese Zahlen laut Creditreform die aktuelle Lage. Die von der KfW bereitgestellten Kreditmittel, die Zuschüsse für Selbstständige und kleine Gewerbetreibende sowie die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht haben eine flächendeckende Insolvenzwelle nur vertagt. Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt auch das IfW. So schätzen die Kieler Wirtschaftsforscher, dass Deutschland im Zuge der Corona-Krise in der Spitze eine Million Jobs verlieren könnte. Bange Zeiten für jene, die in Kurzarbeit fristen.
Glücklich können sich andere schätzen, die derzeit in den Genuss des Homeoffice kommen. Diese alternative Arbeitsweise war zwar schon vorher bekannt, stellte jedoch im Zuge der Corona-Krise eine perfekte Lösung für Unternehmen dar. Homeoffice war dabei so erfolgreich, dass Unternehmen dank diesem ihre Dienstleistungen und in Kombination mit einem optimierten Betriebsablauf auch die Produktion aufrechterhalten konnten. Sicher ist nicht jeder fürs Homeoffice gemacht. Denn oft muss man neben der Arbeit noch die Kinder hüten oder den Haushalt „schmeißen“. Doch einige Arbeitnehmer empfinden eben dies als große Erleichterung – zumal, wenn der nervige Weg ins Büro entfällt.

Gesundheit und Gesellschaft im Wandel der Krise

Noch im März 2020 kritisierte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem aktuellen Bericht „State of Health in the EU“ die mangelnde Effizienz des deutschen Gesundheitswesens. Wir hätten die dichteste Versorgung mit Ärzten und Pflegepersonal und die meisten Krankenhausbetten. Wir sagen: GUT SO! Denn nur dank unseres Gesundheitssystems waren wir in der Lage, die Pandemie bislang recht erfolgreich im Griff zu halten.
Kontaktverbot, Ausgangssperren, Beschränkungen des öffentlichen Lebens – die Corona-Krise bedeutet eine besondere Belastung für viele gesellschaftliche Bereiche. Sie schränkt den persönlichen Kontakt mit Freunden, Bekannten oder der Familie ein. Corona hat uns nicht nur den Wert eine Klopapierrolle gelehrt, nein, das Virus hat uns den Stellenwert sozialer Nähe vor Augen geführt. Aufgrund der Einschränkungen verlangsamt die Krise aber auch unser Leben. Die Hektik kurzfristiger Termine weicht sorgfältiger Planung. Die Krise schafft Zeit und Raum für den Partner, die Kinder und für einen selbst oder Projekte in Haus und Garten.
Die Corona-Krise schärft unsere Wahrnehmung vieler Bereiche, die bisher keine große Beachtung fanden: Kirchen, Polizei, Feuerwehr, Müllentsorgung, Wasser- und Stromversorgung, aber auch Postzusteller, Lkw-Fahrer und Arbeitskräfte im Gesundheitssystem und natürlich die vielen Mitarbeiter der Lebensmittelindustrie, vom Bauern bis hin zur Kassiererin im Supermarkt. Sie alle haben uns in dieser schweren Zeit zur Seite gestanden. Sie alle verdienen unseren Respekt.
André Sarin | redaktion@regiomanager.de

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