Vermittler in der Assekuranz haben es im Moment wahrlich nicht leicht. Das dauerhaft niedrige Zinsniveau macht es immer schwieriger, klassische Lebens- oder Rentenversicherungen an den Kunden zu bringen. Alternative Produkte wie Fonds- oder Indexpolicen sind deutlich komplexer und müssen der Klientel genau erklärt werden. Auf die bange Frage von Versicherten, ob sie in einer Zeit, da Lebensversicherer zunehmend Probleme bekommen, ihre Police nicht besser am Zweitmarkt verkaufen sollten, müssen Vermittler korrekte Antworten finden. Und nicht zuletzt macht ihnen die Regulierung des europäischen Versicherungsmarktes die Arbeit auch nicht gerade einfacher.
Zahl der Vermittler sinkt
Angesichts der erschwerten Bedingungen ist es kein Wunder, dass die Zahl der Versicherungsvermittler weiter sinkt. So zählte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zum Stichtag 1. Oktober 2018 204.148 Vermittler aller Couleur – und damit 20.314 weniger als noch zwölf Monate zuvor. Im Lager der freien Versicherungsmakler, die mit einer Erlaubnis nach § 34d Gewerbeordnung (GewO) und als Handelsmakler nach § 93 Handelsgesetzbuch (HGB) arbeiten, fiel der Rückgang eher gering aus. Waren im Oktober 2017 46.781 freie Maklern gemeldet, so waren es im Oktober 2018 nur 46.698, also 83 weniger. Anders sieht es bei den gebundenen Vermittlern aus, die ebenfalls eine Zulassung nach § 34d GewO besitzen, jedoch gemäß § 84 HGB tätig sind. Hier wies das DIHK-Register Anfang Oktober die Ziffer 123.525 aus. Gegenüber 2017 ist dies ein massiver Rückgang um 20.330 gebundene Versicherungsvertreter.
Allein damit, dass Versicherungsvermittler in den Ruhestand gehen, erklärt sich der Schwund nicht. Ein Grund dafür, dass viele Vermittler das Handtuch werfen, mag die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sein. Diese ordnet seit Jahren Mini-Zinsen an, weil die Schuldenberge vieler EU-Mitgliedsstaaten anders nicht in den Griff zu bekommen wären. Damit ist auch der Garantiezins für klassische Lebensversicherungen in Deutschland stetig gesunken. Zum Vergleich: Lag er im Jahr 1994 bei vier Prozent, so belief er sich 2014 nur noch auf 1,75 Prozent, aktuell sind es spärliche 0,9 Prozent. Klassische Lebens- und Rentenpolicen werden damit zum Auslaufmodell. Dies erkennen auch immer mehr Versicherer. In der Lebenssparte ziehen sie sich aus dem Neugeschäft zurück und wickeln nur noch alte Verträge ab. Sie gehen in den „Run-off“, nennen es Experten.
Absatz kommt nicht in Fahrt
Funktioniert das Geschäft mit dem traditionellen Altersvorsorge-Produkt der Deutschen nicht mehr, müssen „Ersatz-Policen“ her. Fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen könnten eine gute Alternative für Kunden und Versicherer sein. Je nach Risikoappetit des Policen-Inhabers und den Fonds, die für den Versicherungsmantel gewählt werden, können sie stattliche Renditen bringen. Sechs Prozent nach Kosten sind keine Seltenheit. Zudem winken dem Versicherten enorme Steuervorteile, sofern einige Bedingungen wie eine bestimmte Haltdauer erfüllt sind. Aber: Der Absatz von Fondspolicen kommt seit dem Einbruch in der Finanzkrise trotz der hervorragenden Entwicklung an den Aktienmärkten nicht mehr richtig in Fahrt. Versicherungsmakler, die Kunden von diesen Produkten überzeugen wollen, benötigen daher schon stichhaltige Argumente – und damit viel Fachwissen. Noch erklärungsbedürftiger sind Versicherungen der sogenannten „Neuen Klassik“. Dazu zählen u.a. Indexpolicen. Die neuen Produkte versprechen Sicherheit und die Chance, von den Entwicklungen an den Kapitalmärkten zu profitieren. Bei einer Indexpolice zahlt der Sparer regelmäßig Beiträge ein, die in das Sicherungsvermögen des Anbieters fließen. Bei der Überschussbeteiligung hat der Versicherte die Wahl: Entweder er entscheidet sich für einen sicheren Zins oder er setzt sie ein, um an der Entwicklung eines Index oder mehrerer Indizes zu partizipieren. Im Unterschied zur klassischen Lebenspolice wird der Zins jedoch nicht über die gesamte Vertragslaufzeit garantiert, sondern immer nur für die kommenden zwölf Monate festgeschrieben. Wählt der Policen-Inhaber für den bevorstehenden Zwölfmonatszyklus die Partizipation an der Kapitalmarktentwicklung, verwendet der Versicherer seine Überschüsse, um über Finanzderivate, meist Optionen, in einen Index oder Index-Mix zu investieren. Der Vorteil: Macht der Index oder Indexkorb in schlechten Börsenphasen Verluste, treffen sie den Anleger nur bedingt. Sein angespartes Vermögen ist sicher, lediglich der Überschuss kann verloren gehen. Sozusagen als „Preis“ für die Verlustbegrenzung sind die bei einer positiven Indexentwicklung möglichen Erträge nach oben gedeckelt.
Jede Menge Aufwand
Schon die Funktionsweise von Indexpolicen ist nicht ganz einfach zu erläutern. Um seinen Kunden ein solches Modell nahezubringen, muss ein Vermittler sich selbst eingehend mit diesen neuen Versicherungsprodukten beschäftigen. Erst danach ist er überhaupt in der Lage, die Indexpolicen verschiedener Anbieter zu vergleichen, sich eine Meinung zu bilden und schließlich Empfehlungen auszusprechen. Das ist vielen Vertretern schlicht zu viel Aufwand.
Auch die Sorgen, die Bestandskunden gegenüber ihren Versicherungsvermittlern immer öfter äußern, bedürfen gut vorbereiteter Antworten. Was geschieht, wenn das Assekuranz-Unternehmen, bei dem ich meine Lebenspolice abgeschlossen habe, aufgrund des dauerhaften Niedrigzinsniveaus ins Wanken gerät?, lautet die ängstliche Frage. Und: Wäre es angesichts der jüngsten Entwicklungen am Markt nicht sinnvoller, den Vertrag zu kündigen oder am Zweitmarkt zu verkaufen? Richtig ist, dass die Lebensversicherer mit ihren Kapitalanlagen deutlich niedrigere Renditen erzielen als in den Jahren vor der Krise. Den gesunkenen Erträgen stehen die hohen Garantieverpflichtungen aus Altverträgen gegenüber. Verharren die Zinsen noch lange Zeit weiter auf niedrigem Niveau, wird es nicht jeder Versicherer schaffen, seine Versprechen einzuhalten. Vermittler sollten besorgten Kunden aber vor Augen halten, dass die Versicherer selbst und auch die Finanzaufsicht BaFin zahlreiche Maßnahmen ergreifen können, um eine drohende Unterdeckung oder gar eine Insolvenz zu vermeiden. Doch auch solche Erklärungen erfordern eine genaue Beschäftigung mit einer komplizierten Materie, die die Provisionseinnahmen möglicherweise nicht rechtfertigen.
Komplizierte Quoten
Nicht zuletzt bringt die EU-weite Regulierung des Versicherungsmarktes neue Arbeit für Versicherungsvermittler und -makler. Seit am 1. Januar 2016 die EU-Richtlinie Solvency II in Kraft getreten ist, müssen Assekuranz-Unternehmen ihre Solvenzquoten ermitteln und der BaFin melden. Ziel der neuen Kennzahlen, die fachlich korrekt Solvabilitäts- oder Bedeckungsquoten heißen, ist es, Marktteilnehmern mehr Aufschluss über die Finanzkraft von Versicherern zu geben und sie hinsichtlich ihrer Stabilität vergleichbarer zu machen. Doch um Kunden richtig darüber zu informieren, was die neuen Quoten bedeuten, und warum eine niedrige Kennzahl nicht zwangsläufig etwas Schlechtes heißt, müssen sich Vermittler erst einmal selbst damit auseinandersetzen. Tun sie es nicht, können sie zudem leicht in die Haftungsfalle tappen.
Neue Marktentwicklungen, neue Produkte, komplizierte Rechtsvorschriften: Versicherungsvermittler haben es derzeit nicht leicht und das wird sich auch nicht so bald ändern. Assekuranz-Profis, denen es Spaß macht, sich in komplizierte Sachverhalte hineinzudenken, haben aber gerade jetzt die Chance, sich ein tiefes Fachwissen zu erarbeiten – und damit zu punkten.
Andrea Martens | redaktion@regiomanager.de
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