Fortschritt bei Wärmewende: Für die Entwicklung einer neuartigen Software sind die Stadtwerke Iserlohn zusammen mit der Items GmbH, Münster, mit dem Stadtwerke Award 2022 ausgezeichnet worden. Das ist vergleichbar mit dem Oscar bei den Filmen.
Mit weniger Energieerzeugungsleistung mehr Fernwärmekunden zu versorgen und mit weniger CO2 auch noch Geld zu sparen – das ist die Herausforderung, der sich der Heimatversorger Iserlohn und die Softwareschmiede Items gestellt haben. Also vor Beginn von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und der Gaskrise – damit bekommt das Vorhaben noch eine weitere Brisanz. Das Projekt ist gelungen, jetzt wird die Lösung weiterentwickelt. Die Fachjury des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) ist der Auffassung, dass dieses Projekt zu einer Blaupause für die Wärmeplanung werden kann, zumal die Software auch von anderen Energieversorgern genutzt werden kann. „Die Umstellung der Fernwärmeversorgung auf regenerative Energien ist eine der zentralen Aufgaben der Wärmewende. Unsere auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Software macht es möglich, CO2 einzusparen und so einen wichtigen Schritt zu machen, um die Klimaziele bei uns vor Ort zu erreichen“, sagte Stadtwerke-Chef Reiner Timmreck bei der Verleihung des Stadtwerke-Awards vor mehreren Hundert Energieexperten bei der Stadtwerketagung in Leipzig.
Die Software ist Teil des Projekts „Grid Insight: Heat“ und wird im Haus der Stadtwerke unter Federführung des technischen Leiters Thomas Armoneit und des Innovationsbeauftragten Dennis Betzinger vorangetrieben. Was das Ergebnis bis heute konkret bedeutet, fasst Armoneit so zusammen: „Die Anwendung hat innerhalb eines Jahres bereits mehr als das Vierfache der ursprünglichen Kosten der Stadtwerke eingespielt.“ Die Experten von Trianel, der VKU Akademie und der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) bescheinigten dem Heimatversorger Weitsicht und Mut zur Innovation. In seiner Laudatio hob Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerkekooperation Trianel, in seiner Laudatio hervor: „Die Stadtwerke Iserlohn gehen das Thema Wärmewende auf innovative Art und Weise an und zeigen die Kunst der Vernetzung für eine moderne und saubere Wärmeversorgung.“ Den Iserlohnern sei es gelungen, Transparenz über die Betriebszustände des Netzes und des gesamten Fernwärmesystems sowohl über Erzeugungs- und Netz- als auch über Kundenanlagen zu schaffen.
Der zu 100 Prozent kommunale Versorger beliefert etwa 1.600 Hausanschlüsse mit Fernwärme, die jährliche Absatzmenge liegt bei rund 150.000 MWh. Die Wärme stammt zu 85 Prozent aus einem Müllheizkraftwerk des Märkischen Kreises, im Winter kamen zusätzlich gasbefeuerte Spitzenlastkessel zum Einsatz.
Das Besondere an der Software: Zurzeit basieren die Prognosen und Fahrpläne für den Kraftwerksbetrieb nicht auf dem tatsächlichen Verbrauch, sondern auf Schätzungen. Die tatsächliche Abnahme war bisher nicht genau zu bestimmen, da Übergabestationen und Stränge selten überwacht werden. „Netzbetreiber arbeiten sozusagen in einer Blackbox und fahren ihre Netze zum Großteil anhand von Vor- und Rücklauftemperaturen anstatt eine breitere Datenbasis zu nutzen“, sagte Armoneit beim Stadtwerkekongress. Über die Software habe man nun den Blick in sämtliche Anlagen und das habe die Prognosequalität massiv verbessert. „Wir wissen, wie viel wir erzeugen werden, sehen aber auch den aktuellen Verbrauch und das Netz mit den Kundenanlagen dahinter“ – und sehen genau, ob das, was wir als Verbrauch prognostiziert haben, am Ende auch passt“, so Armoneit. „Wir haben mittlerweile einen noch besseren Überblick über die Kosten jeder einzelnen Anlage, das bringt viel Transparenz auch für Entscheidungen. Gleichzeitig sehen wir auch, wie viel Wärme letztlich an den Endpunkten ankommt.“
Die Echtzeitprognosen ermöglichten eine ressourcenschonende Fahrweise des Fernwärmenetzes. Auch der Spitzenlastbedarf wurde reduziert. Bereits im ersten Jahr der Nutzung von Grid Insight: Heat konnten die Gasleistungsspitzen in der Erzeugung um 45 Prozent gesenkt und die Primär- und Hilfsenergie um 15 Prozent reduziert werden.
Aufgrund der neuen Transparenz habe man z.B. gesehen, dass die vorhandene Wärme aus dem Müllheizkraftwerk viel weiter im Netz verteilt werden konnte, als bisher angenommen wurde. Dadurch habe man weitere Kunden an das Fernwärmenetz anschließen können. Sogar Netzerweiterungen seien sogar weiterhin noch möglich. Zusatzeffekt: Die Spitzenlastheizkraftwerke wurden deutlich seltener angeworfen, was weniger Gasverbrauch zur Folge hatte. Weitere Vorteile sind die Absenkung der Netztemperaturen und die Verringerung von Wärmeverlusten sowie einer bessere Fehlererkennung. In einem nächsten Schritt soll die Lösung auch eine Steuerung der Kundenanlagen ermöglichen. Technik-Chef Armoneit hat konkrete Ziele vor Augen: „Wir wollen die Spitzenlast morgens gegen sechs Uhr glätten“, sagte er gegenüber der Zeitung für kommunale Wirtschaft.
Lob bekamen die Iserlohner auch für die „Bereitschaft und die Rahmenbedingungen, um Neues auszuprobieren und dies auch unkompliziert auf dem kleinen Dienstweg umzusetzen“. Dafür wurde Anfang dieses Jahres eine offizielle Stabsstelle unter Leitung von Innovationsmanager Dennis Betzinger geschaffen, der zuvor in die bisherige Organisationsstruktur eingebunden war.
Grid Insight: Heat ist zentraler Bestandteil des Virtuellen Kraftwerks Iserlohn. Es ist der erste Schritt zur intelligenten Fernwärmehausstation. „Im Wärmenetz wie im Stromnetz muss künftig der Verbrauch an die Erzeugung angepasst werden. Und hierfür sei eine größtmögliche Transparenz über alle Erzeuger und Verbraucher wichtig“, so Betzinger.
Stadtwerke Iserlohn
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