„Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Der Ausspruch des Philosophen Heraklit ist aktueller denn je: Veränderungen gehören zu unserer Zeit; in der Wirtschaft ist der Change bereits zur Normalität geworden: Durch die Globalisierung, durch neue Technologien, durch veränderte politische und rechtliche Bedingungen und nicht zuletzt durch die Digitalisierung – verstärkt durch die Corona-Krise – muss der Markt stetig reagieren und sich den veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Das betrifft die Prozesse und Strukturen der Unternehmen, oftmals braucht es auch neue Strategien und Geschäftsmodelle.
Wollen die Unternehmen weiterhin erfolgreich auf dem Markt bestehen, müssen sie den Change managen und sich immer wieder den Gegebenheiten anpassen. Sie müssen agil werden! Allerdings stellen Veränderungen die meisten Organisationen vor erhebliche Herausforderungen. Einer Studie des US-amerikanischen Managementvordenkers John P. Kotter zufolge scheitern 70 Prozent aller Change-Prozesse bereits in der Anfangsphase. Laut Kotter gibt es dafür zwei wesentliche Gründe: der Rückfall in alte Muster und der Widerstand der Mitarbeitenden.
Ängste verhindern Veränderung
Gerade der Widerstand der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen rührt in der Regel aus Verunsicherung und Frustration. Sie können nicht einschätzen, was passiert, fühlen sich alleine gelassen und somit auch nicht wertgeschätzt. Werden sie einfach vor vollendete Tatsachen gestellt und nicht richtig unterrichtet, was die Veränderungen konkret bedeuten, regt sich verständlicherweise Angst beim Personal. Da sie die Entscheidungen der Führungsetage nicht nachvollziehen können, schalten viele Mitarbeitenden auf Abwehr. Damit verbunden sind stiller Boykott, innere Kündigung samt Leistungsabfall, nicht selten kommt es auch zu wirklichen Kündigungen. Hinzu kommen Fehlzeiten, verursacht durch den mentalen Stress, den die unsichere Situation für viele der Menschen im Betrieb mit sich bringt. Somit sind Angst und Unsicherheit zwei der größten Hindernisse für Veränderungen.
Führungskräfte haben eine Schlüsselrolle
Für Unternehmen kommt es entsprechend darauf an, die Ängste ihrer Mitarbeitenden auf ein Minimum zu reduzieren und sie von Anfang an mit ins Boot zu holen. Laut Experten spielen die Führungskräfte dabei eine Schlüsselrolle: Sie sind gefordert, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch die Veränderungsprozesse zu leiten und sie zu motivieren, neue Wege zu gehen. Hierzu müssen sie zum einen ein empathisches Vorbild sein. Zum anderen ist die (richtige) Kommunikation ausschlaggebend. „Die wesentlichen Aufgaben der Führungskraft im Change sind, den Mitarbeitenden den Sinn und Zweck der Veränderungen klarzumachen, sich dabei nicht zu weit von der Einzigartigkeit des Unternehmenskerns fortzubewegen und sie in der Transformation immer wieder ,aufzurichten‘“, sagt Christian Sögtrop, Zukunftsbeschleuniger und Transformationsspezialist sowie künftiger Mitgesellschafter der richtwert GmbH. Grundlegend hierfür sei ein neues Führungsverständnis. „Alte Führungsdogmen funktionieren in agilen oder holokratischen Systemen nicht. Aber auch in herkömmlichen Strukturen setzt die Komplexität ihnen klare Grenzen“, so Sögtrop. Führung müsse vielmehr als Dienstleistung für die Mitarbeitenden verstanden werden – mit dem Ziel, die Vision des Unternehmens sowie das Urvertrauen in den Wandel und somit die Zuversicht, gemeinsam in die Zukunft gehen zu wollen, zu stärken.
Begleitung von Führungskräften
Doch genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Denn Sögtrop weiß auch: „Wenn man jahrelang nach den klassischen Prinzipien geführt hat, holen diese einen unbewusst immer wieder ein.“ Es gilt demnach, nicht nur die Mitarbeitenden im Change abzuholen, sondern vor allem und zunächst die Führungskräfte. Viel zu häufig wird laut Sögtrop vorausgesetzt, dass Führungskräfte sich selbst durch die größte Transformation manövrieren können. Oder sie werden einfach vergessen. Verheerend, wenn man bedenkt, dass die Führungskräfte die Treiber für Veränderungen im Unternehmen sind.
Doch wie schafft man es, dass Führungskräfte letztlich nicht zu Bremsern im Change werden? Wichtig ist eine stetige Unterstützung im Change-Prozess – etwa in Form eines Coachings oder durch interne Begleitung mittels sogenannter Change-Agents. Das können Personaler sein, die dem Management als Ansprechpartner zur Seite stehen und mit ihnen an ihrer Haltung arbeiten. Letztlich ist es beim Change Management grundlegend, auch die inneren Transformationsprozesse der Menschen zu begleiten. Denn nur wenn sie das richtige Mindset für Veränderungsprozesse und Agilität haben, können die Führungskräfte im Change ein Vorbild für ihre Mitarbeitenden sein.
Agiles Arbeiten nur für Überzeugungstäter
Aber auch wenn die Führungskräfte die richtige Einstellung haben und bezüglich Change und insbesondere Agilität als Vorbild dienen können, heißt das nicht, dass auch die Mitarbeitenden für agiles Arbeiten schnell zu gewinnen sind. Geduld ist gefragt, denn man kann den Mitarbeitenden schließlich nicht eine agile Arbeitsweise überstülpen. Das hat – stellvertretend für viele andere auch – Yvonne Eich, die das Center of Excellence Agile & Design & Innovation Management bei der Zurich Group mit verantwortet, festgestellt. „Wird agiles Arbeiten aufoktroyiert, führt dies nur zu Widerstand und Stress, da die Arbeitsweise Selbstverantwortung sowie eine große Offenheit und Transparenz erfordert“, sagt sie. „Vielen ist Selbstverantwortung erst einmal fremd, und die nötige Offenheit empfinden sie teilweise als sozialen Druck“, erläutert Eich. Agil zu arbeiten nur um des agilen Arbeitens willen mache folglich keinen Sinn.
Ganz darauf verzichten müssen ambitionierte Unternehmen dennoch nicht. Die Zurich Group setzt hier auf ein auch für Mittelständler nachahmenswertes Modell: Der Konzern bindet nur solche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in agile Projekte ein, die auch wirklich hinter Agilität und New Work stehen. Wer will, kann die Arbeitsweise in einem internen Workshop kennenlernen – und bei Interesse dann auf das Management zugehen.
Petra Walther | redaktion@regiomanager.de
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