Was haben Status Quo, die Fantastischen Vier und Dieter Bohlen gemeinsam? Sie alle sind 2024 im Waldfreibad Walbeck aufgetreten. Auf einer Bühne, die von Freibad, Wald-Lodges, Reisemobilstellplatz, Eventlocation und Gastronomie umgeben ist. „Das Waldfreibad Walbeck hat sich vom kommunalen Zuschussobjekt in eine angesagte Location mit Rundum-Sorglos-Angebot entwickelt“, berichtet die Jury des Unternehmerpreises Niederrhein. Ein Musterbeispiel für eine kreative Neuausrichtung eines Auslaufmodells. Und das Verdienst von Benedikt May, Gründer und Geschäftsführer der begleitenden Sprungbrett GmbH. Eine Leistung, die mit dem Unternehmerpreis Niederrhein 2024 gewürdigt wird. A m 31. Mai 1973 ging für Walbeck ein Traum in Erfüllung: Der Ort, der kurz zuvor in die Stadt Geldern eingemeindet worden war, konnte sein eigenes Freibad eröffnen. Zunächst schwamm das Freizeitangebot auf der Erfolgswelle: In den ersten drei Jahren tauchten jeweils rund 200.000 Badegäste in die verschiedenen Becken ein. Doch im Laufe der Jahre ließ das Interesse nach – und versiegte schließlich fast ganz. Als die Besucherzahl im Jahr 2002 auf 50.000 gesunken war, begann eine Diskussion über die Schließung des Freibades. Die Stadt Geldern musste das Bad mit durchschnittlich 850.000 Euro jährlich subventionieren. Nur ein Wunder konnte die Schließung noch verhindern.
Dieses Wunder manifestierte sich in Gestalt der „Interessengemeinschaft Walbecker Freibad“, die innerhalb kurzer Zeit rund 1.000 Mitglieder und rund 100 Ehrenamtler mobilisieren konnte. Das Ziel: die Betriebskosten des Freibades auf niedrigem Niveau halten und gleichzeitig Aktivitäten entwickeln, die zur Deckung der Kosten beitragen. Trotz des großen Engagements der Beteiligten konnte der Abwärtstrend nur verlangsamt werden. 2016 drohte erneut die Schließung des Freibades.
Rettungsring
Ein komplett neues Konzept war erforderlich. Doch woher nehmen? Als Retter tauchte Benedikt May auf – als hauptamtlicher Geschäftsführer des Bädervereins und als Geschäftsführer der begleitenden Marketingagentur Sprungbrett GmbH. „Bei seinem Amtsantritt im Oktober 2016 zeigte sich schnell, dass er über die richtigen unternehmerischen Fähigkeiten verfügte“, erklärt der Jury-Vorsitzende Professor Dr. Leo Verhoef. Außerdem hatte sich May durch seine Sportmanagement-Ausbildung an der Hochschule Koblenz das erforderliche Know-how über die projektbasierte Kommerzialisierung von Freizeitaktivitäten wie Veranstaltungsmanagement, (Social Media-)Marketing, Eventmanagement, Kommunikation und Unternehmensgründung angeeignet. Wertvolle praktische Erfahrungen in diesen Bereichen hatte er als Projektleiter in einem Privatunternehmen und als Werbeleiter in einem anderen Unternehmen erworben.
Auf dieser Grundlage konnte er eine grundlegende Neuorganisation des Waldfreibades angehen. May erkannte schnell, wo die Chancen für das Waldfreibad Walbeck lagen, um endgültig aus der Krise zu gelangen. Zudem wusste er, wie er dabei vorgehen musste. Dabei verließ er sich komplett auf seine unternehmerischen Fähigkeiten – ganz gemäß dem Effectuation-Ansatz.
„Zunächst erkannte er die vielfältigen Möglichkeiten, die in dem 100.000 m² großen Gelände schlummern. Dann begann er, die regionalen touristischen Dienstleister gezielt zu vernetzen, um das Angebot für die Destination Geldern zu stärken und auszubauen. Darüber hinaus sicherte er sich die umfangreiche Unterstützung lokaler und regionaler Behörden. Die Bevölkerung überzeugte er durch ein Aktivitätenangebot, das genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist“, so die Jury in ihrem Bericht.
Geschäftsmodell
Die Basis dafür musste ein resilientes und ausgefeiltes Geschäftsmodell bilden. May entschied sich dabei für „Kundenintimität“ unter dem Motto: „Wir wollen nicht nur gut sein, wir wollen noch besser werden!“ Allerdings, so Leo Verhoef, gehe sein Modell weit über das übliche Kundenbeziehungsmodell hinaus. Das Geschäftsmodell für das Waldfreibad Walbeck sieht nicht nur enge Beziehungen zu den Kunden vor, sondern auch zu allen Stakeholdern: den Lieferanten, der lokalen Bevölkerung und den Behörden in der Region. Freizeitangebote, Unterkünfte, Eventlocation, Konzertbühne und Beratung: Das Gesamtkonzept beruht auf mehreren Grundpfeilern, die miteinander verknüpft sind. Die Freizeitangebote wie Freibad oder Fußballgolf, Bogenschießen oder Beachvolleyball können sowohl von privaten Gästen genutzt werden als auch von Firmen, die Teambuilding oder andere Workshops durchführen wollen. Ein Beispiel für die kreative Nutzung der vorhandenen Anlagen ist die „Fellnasen-Badesaison“. Dabei handelt es sich um Schwimmangebote für Hunde nach Ablauf der regulären Freibadsaison. Passenderweise in Kooperation mit dem früheren Unternehmerpreis- und Hochschulpreis-Gewinner Mera aus Kevelaer.
Als Eventlocation steht das Waldfreibad ebenso für private Feiern zur Verfügung wie für Tagungen, Schulungen oder Incentives – für jede Gruppe kann ein individuelles Programm entwickelt werden. Ein Angebot, das sich herumspricht. Red Bull, die Telekom und die Bundeswehr waren jedenfalls schon da.
Betten, Bühne und Beratung
Freibad mit Bühne: Im Waldfreibad hebt sich jedes Jahr der sprichwörtliche Vorhang für Comedy-Shows, exklusive Open Air Rock-, Pop-, Schlager- und Klassikkonzerte sowie Festivals für alle Altersgruppen. Bis zu 10.000 Besucher können bei großen Events empfangen werden. Aber auch kleine Picknickkonzerte gehen über die Bühne. Die Konzerte jedenfalls haben das Waldfreibad überregional bekannt gemacht.
Ein übergreifendes Angebot bilden die Übernachtungsmöglichkeiten: die Wald-Lodges und die Reisemobilstellplätze. „Dadurch entstehen Synergieeffekte und Win-Win-Beziehungen“, betont die Jury. Was heißt das konkret? „Die Wald-Lodges beispielsweise dienen den Mitarbeitenden von Konzerten häufig als Unterkünfte. Für so manchen namhaften Künstler hat das den Ausschlag für einen Auftritt in Walbeck gegeben.“ Zweites Beispiel: Wenn Unternehmen die Wald-Lodges für Teambuilding mieten, lernen die Teilnehmer ganz nebenbei das komplette Angebot des Waldfreibads kennen. Die Mitarbeitenden der Künstler oder der Unternehmen kommen dann vielleicht als Privatpersonen zurück – zu einem Konzert, einer Comedy-Show oder einfach zum Schwimmen.
Last but not least: Für diese Konzept und die Umsetzung der vielfältigen Aktivitäten ist spezielles Know-how erforderlich. Dieses stellt die Sprungbrett GmbH lokalen und regionalen Behörden und Anbietern im Bereich Freizeit und Tourismus zur Verfügung. Dazu gehört die Beratung von Kommunen, Sportstätten und Eventveranstaltern zum Thema Business Development. Dabei geht es beispielsweise um nachhaltige Planung, den Bau und Betrieb von Sport- und Freizeitstätten sowie Konzepte zur Tourismusförderung.
Sichere Einnahmen
Was sind die Vorteile dieser Strategie? „Das Waldfreibad Walbeck hat viele wetterunabhängige Angebote entwickelt, die einen ganzjährigen Betrieb ermöglichen – sowie sichere und planbare Einnahmen garantieren. Gleichzeitig hat es einen Bekanntheitsgrad erworben, der Geldern weit über die Region hinaus bekannt macht, was neue Besuchergruppen nach Walbeck führt. Auf dieser Basis können die rückläufigen Einnahmen aus dem Betrieb des Freizeitbades mehr als ausgeglichen werden“, erklärt Leo Verhoef.
Um das vielfältige Angebot auch künftig zu ermöglichen, muss das Geschäftsmodell resilient sein. Wie wird das erreicht? „Die Strategie, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten und keine großen Risiken einzugehen, ist so strukturiert, dass sie automatisch die Resilienz der Organisation erhöht und die Beziehung zu den Stakeholdern stärkt“, erläutert die Jury in ihrem Bericht. Das heißt konkret: Der Personalbestand wird sehr klein und flexibel gehalten, sowohl bei der Sprungbrett GmbH als auch beim Bäderverein. Bei der GmbH sind fünf Vollzeit- und zehn Teilzeitkräfte tätig, beim Bäderverein vier Vollzeitkräfte und etwa 30 Ehrenamtler. „Die Mitarbeitenden des Bädervereins sind hauptsächlich im Sommer im Einsatz und haben somit im Rest des Jahres Zeit übrig. Zusammen mit Ehrenamtlern setzen sie sich deshalb auch für andere Aktivitäten wie Veranstaltungen ein. Dadurch werden die Betriebskosten der Bäder erheblich gesenkt und die Resilienz dieser Tätigkeit erhöht. Gerade die breiten Einsatzmöglichkeiten machen die Arbeit im Waldfreibad Walbeck sehr attraktiv und sorgen für noch engere Beziehungen sowohl im festen Team als auch bei den ehrenamtlichen Kräften.“
Outsourcing
Gleichzeitig lagert die Organisation so viele Aufgaben wie möglich aus. „Gerade bei Veranstaltungen, denn dort sind die Risiken am größten“, berichtet die Jury. Das Outsourcing erfolgt so weit wie möglich an regionale Unternehmen. Auf diese Weise werden pro Jahr Aufträge im Wert von einer Million Euro an heimische Dienstleister ausgelagert. Darüber hinaus profitieren lokale Einzelhändler, Gastronomen und die Betreiber von Unterkünften von vielen externen Veranstaltungsbesuchern. „Es spricht für sich, dass dadurch auch die Beziehungen zur lokalen Bevölkerung, zu Unternehmen und Behörden weiter gestärkt werden“, betont die Jury.
Die Entwicklung im Waldfreibad steht nicht still. „Benedikt Mays Blickfeld geht weit über das Waldfreibad hinaus, das hilft bei der Ausarbeitung neuer Angebote und Aktivitäten.“ Er ist beispielsweise Lehrbeauftragter für Sportstättenmanagement am RheinAhr Campus in Remagen und Dozent für Sport Venue Management an der IST-Hochschule für Management in Düsseldorf. Durch seine Kontakte zu Kollegen und zu Studierenden kommen ihm immer wieder neue Ideen, die interessant sein könnten für das Waldfreibad in Walbeck und dessen Kunden und Kooperationspartner. Ein steter Quell, aus dem neue Ideen und Impulse für die Region sprudeln…
Sprungbrett Marketing
Am Freibad 24
47608 Geldern
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