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Traditionsunternehmen im Kreis Viersen

Geheimsprache und kirchlicher Segen zwischen Maas und Rhein.

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von Regiomanager 01.07.2016
Das Hospital zum Heiligen Geist ist heute ein modernes Kranken- und Gesundheitszentrum

An
der niederländischen Provinz Limburg, westlich von Krefeld, ist der
Kreis Viersen mit seinen fünf Städten Kempen, Nettetal, Tönisvorst,
Viersen, Willich sowie den Gemeinden Brüggen, Grefrath, Niederkrüchten,
Schwalmtal gelegen. Zahlreiche Traditionsunternehmen nennen den Kreis
ihre Heimat und haben die Wirtschaft der Region geprägt.

Der Ton macht die Musik

So
deckte Brüggen über Jahrhunderte den Zugang des Herzogtums Jülich zum
lukrativen Handel auf der Maas. Die Industriegeschichte der Gemeinde ist
zudem eng mit der Tonindustrie verbunden. Seit den 1880er-Jahren prägte
die industrielle Herstellung von Ziegeln und Röhren die Landschaft, sie
war Grundlage für buchstäblich Tausende von Beschäftigten und führte
zur Anbindung an das Bahnnetz. Um 1910 war die Region rund um Brüggen
Produzent für ein Sechstel der gesamten Dachziegelindustrie im Deutschen
Reich. Prägende Firmen bis in die heutige Zeit sind die Gebr. Laumans
GmbH & Co. KG und Röben Tonbaustoffe GmbH. Ab Mitte der 1960er-Jahre
ließ dieser dominante Einfluss nach und ein Branchenmix etablierte
sich. Neben der Landwirtschaft und dem Gartenbau prägen heute
vielfältige kleinere und mittelständische Unternehmen das Gesamtbild.
Diese bilden zusammen mit dem Tourismus – die Burggemeinde liegt mitten
im internationalen Naturpark Maas-Schwalm-Nette – die Basis für die
wirtschaftliche Stärke. Zudem tragen aber auch große Betriebe wie die
Landbäckerei Stinges & Söhne, gegründet 1852, mit über 120 Filialen
am Niederrhein zur Wirtschaft der Gemeinde bei und stehen für eine
erfolgreiche Zukunft. Letztere ist seit Gründung fest mit ihrer Heimat
am Niederrhein verbunden und backt noch heute dort, wo ihr Ururgroßvater
Leopold Stinges einst seine Bäckerei und Schankwirtschaft hatte.

Die Britische Rheinarmee
im Kreis

Eine besondere Geschichte am Niederrhein ist auch die
Entwicklung der Stadt Willich. Diese wurde vor allem geprägt von
Textilunternehmen wie der Tuchfabrik Jakob Krebs aus Anrath oder der
Seidenwebereibetriebe in Schiefbahn. Aber auch die Brauerei Hausmann,
heute Hannen Brauerei, prägte die Wirtschaft der Stadt. So wurde hier
seit 1725 eines der beliebtesten Altbiere gebraut. Mitte der
1970er-Jahre erlebte Willich dann einen Niedergang der Textilindustrie
und den Weggang der Hannen Brauerei, des damals größten Arbeitsgebers,
und wurde damit zum wirtschaftlichen Schlusslicht im Kreis Viersen. 1978
wurde daher westlich von Alt-Willich das Gewerbegebiet Münchheide
realisiert. Aufgrund der guten Autobahn-Anbindung entwickelte sich das
auf rund 140 Hektar gewachsene Areal schnell zu einem der größeren
Gewerbegebiete der Region. Ein weiteres historisches Gewerbegebiet ist
der Gewerbepark Stahlwerk Becker. Auf diesem Gelände befand von 1908 bis
1945 ein Stahlwerk. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Areal zur
Kaserne der Britischen Rheinarmee und blieb dies bis 1992. Inzwischen
haben sich auf den beiden Arealen neben einem Gründerzentrum auch knapp
1.000 Unternehmen mit rund 8.500 Arbeitsplätzen angesiedelt. Die
Britische Rheinarmee war auch in Niederkrüchten mit ihrem
Luftwaffenstützpunkt und bis zu 800 zivilen Mitarbeitern ein wichtiger
Arbeitgeber. Doch das ist Geschichte; geblieben ist dagegen die 1925 als
Stellmacherei gegründete Firma Holzleimbau Derix, die ab 1954 als
Zimmerei und Bauschreinerei weitergeführt wurde und heute in dritter
Generation an den Standorten Niederkrüchten-Dam sowie
Westerkappeln/Osnabrück über 180 Mitarbeiter beschäftigt.

Aus fünf wird eins

Ganz
anders verlief die Entwicklung in Nettetal. Die Seenstadt am
Niederrhein ist 1970 durch den Zusammenschluss von fünf Städten und
Gemeinden entstanden, die sich ganz unterschiedlich entwickelt haben. So
wurde Lobberich vor allem durch die Textil- und Armaturenindustrie
geprägt, wie man am Beispiel der 1927 aufgebauten Betriebsgemeinschaft
Niedieck/de Ball oder der Guss-Armaturenwerke Rokal sieht. Breyell und
Schaag dagegen punkteten durch die Stahl- und Lederindustrie sowie das
Händlergewerbe in Gestalt der Fabrikantenfamilie Rötzel, die als
erfolgreiche Krämer-Kaufleute sogar eine eigene Geheimsprache hatten.
Die Grenzlage begünstige dagegen Kaldenkirchen mit Speditionen sowie
Tabak- und Zigarettenindustrie. Der Ort trägt nicht umsonst den Namen:
Brücke zu den Niederlanden. Leuth und Hinsbeck sind traditionell
landwirtschaftlich verortet und profitieren vom Tourismus. So sind beide
Gemeinden heute staatlich anerkannte Erholungsorte. Mit der Anton
Thelen GmbH stellt Nettetal eines der ältesten Handwerksunternehmen in
Nordrhein-Westfalen. Eine erste urkundliche Erwähnung des Betriebs für
Schreinerarbeiten ist auf 1726 datiert. Seitdem steht das Stammhaus des
Unternehmens im beschaulichen Nettetal-Leuth und ist mit mehr als 150
Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber der Region. Das
inhabergeführte Unternehmen besteht in der 16. Generation und vereint
derzeit allein in der Geschäftsführung drei Generationen unter einem
Dach. An sieben Standorten in NRW bietet Thelen Kompletteinrichtungen,
hochwertige Einbauküchen, maßgefertigte Möbel aus eigener Manufaktur
sowie alle internationale und nationale Markenhersteller für Interieur.

Mit erzbischöflicher
Genehmigung

Noch viel weiter zurück reicht die Geschichte des
Hospitals zum Heiligen Geist. Johann Arnold von Broichhausen, Kempener
Bürger und Ministerialbeamter des Kölner Erzbischofs, verfügte in seinem
Testament im Jahre 1390 eine für die Stadt Kempen wichtige Stiftung. Er
wünschte in Kempen die Einrichtung eines Gasthauses, des Hospitals zum
Heiligen Geist. Diese Stiftung wurde im Jahre 1410 erweitert und 1421
vom Kölner Erzbischof bestätigt und genehmigt. Die Stiftung sollte armen
Kempener Bürgern zeitlebens und unentgeltlich Wohnung und Pflege geben.
Aus der Institution wurde 1842 ein Krankenhaus, das heute nach vielen
Modernisierungen Teil der Artemed Gruppe ist und auf das die Kempener zu
Recht stolz sein können.

Deutschlands Kafferöster

Last,
but not least werfen wir an dieser Stelle einen kurzen Blick auf ein
1880 in Viersen gegründetes Kolonialwarengeschäft. Die Rede ist
natürlich von Kaiser’s, dessen Historie eng mit Viersen verbunden ist
und das seinen Erfolg einer besonderen unternehmerischen Leistung
verdankt. So gelang es Josef Kaiser, selbst gerösteten Kaffee zunächst
im Laden seiner Familie und dann über ein eigenes Filialnetz am Markt zu
etablieren. Eine wahre Marktlücke, denn die Nachfrage nach Kaffee wurde
durch den bescheidenen Luxus der Gründerjahre in der Bevölkerung
befeuert. Kaiser expandierte deutschlandweit in bester Lage. So wurde
bereits 1905 die 1.000. Filiale eröffnet. Auch erweiterte das
Unternehmen sein Angebot um Dauergebäck und Schokolade aus eigener
Fabrikation. In der Nachkriegszeit wurde dann 1952 in Duisburg das erste
Selbstbedienungsgeschäft eröffnet und knapp 20 Jahre später wurde das
Unternehmen schließlich 1971 von der Tengelmann Gruppe übernommen.
André Sarin | redaktion@niederrhein-manager.de

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