Bereits
im Jahre 69 nach Christus erwähnte der römische Historiker Tacitus in
seinen „Historien“ ein Dorf namens Gelduba. Es lag an der nördlichen
Grenze des Kölner Verwaltungsbereichs in unmittelbarer Nähe zur
Limesstraße. Dort querten Menschen den Rhein als Teil des früheren
Hellwegs. Der Ort und das römische Kastell bildeten über Jahrhunderte
einen wichtigen Militär- und Umschlagsplatz für Waren. Gelduba heißt
heute Gellep und ist der älteste Teil der Stadt Krefeld.
Der Weg an den Rhein
Die
Lage am Rhein, der wichtigsten Wasserstraße Europas, ist für Krefeld
seit 2000 Jahren ein bedeutender Wirtschafts- und Standortfaktor. Vom
Hafen aus transportierten zuerst die Römer und später die Franken
Rohstoffe, Waren und Vieh stromauf- und -abwärts. Auch nutzen zahlreiche
Industriefirmen, vor allem der chemischen Industrie, die Anbindung an
den Rhein, um von dort Rohstoffe für ihre Produktionen anzulanden oder
weiterverarbeitete Materialien und Endprodukte in alle Welt zu
verschiffen. Doch Obacht, denn streng genommen ist der Krefelder
Binnenhafen erst im 20. Jahrhundert mit der Eingemeindung von Linn
zustande gekommen.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in
Krefeld die Idee eines direkten Zugangs zum Rhein mit eigenem
Binnenhafen. 1901 fasste die Krefelder Stadtverordnetenversammlung
schließlich den Beschluss, einen Rheinhafen auf Linner Gebiet zu bauen
und Krefeld per Bahn anzubinden. 1903 begannen die Bauarbeiten, an denen
über 30 Monate bis zu 1.000 Arbeiter beschäftigt waren und rund drei
Millionen Kubikmeter Erdreich bewegt werden mussten. Im Juli 1906
erfolgte dann die offizielle Einweihung des neuen Krefelder Hafens. Gut
ein Jahrhundert später ist der Hafen Krefeld ein wachsender
Umschlagsplatz für Container. 2010 überschritt das Gesamtumsatzvolumen
vier Millionen Tonnen, 2015 waren es schon mehr als 4,7 Millionen.
Von Mennoniten
und Seidenbaronen
Krefeld mit seinen heute rund 240.000
Einwohnern verdankt seine Entwicklung zu einer Großstadt dem
wirtschaftlichen Wachstum der Textilherstellung und seiner Mennoniten.
Die Stadt zählte im 17. Jahrhundert zu den kleinsten Staatsterritorien
des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und konnte binnen weniger
Stunden vollständig umwandert werden. Erst mit den Mennonitenfamilien
erlebte der Ort einen unglaublichen Aufschwung. Als im Jahre 1600
Krefeld in den Besitz der Oranier überging, duldeten diese den Zuzug von
Mennoniten – einer protestantischen Glaubensrichtung, die verfolgt
wurde. Die Mennoniten brachten im Gegenzug für den Schutz
Seidenherstellung und -handel mit und waren auch sonst geschäftstüchtige
Bürger. Als bekannteste und erfolgreichste Mennonitenfamilie agierten
die von der Leyens. Ihr Stammvater, Adolf von der Leyen, gründete 1656
in Krefeld eine erste Niederlassung und seine Söhne begründeten die
Seidenweberei in der Stadt. Samt und Seide machten fortan Krefeld und
die Besitzer der Manufakturen reich. Die von der Leyens waren zudem Teil
einer Dynastie von Seidenfabrikanten, den sogenannten Seidenbaronen,
die Krefeld zu großem Wohlstand verhalfen. Die Seidenbarone schufen sich
mit ihrem Reichtum repräsentative Wohnsitze sowie Parkanlagen und
änderten das Gesicht der Stadt. „Crefeld und die dasigen Manufacturen
sehe ich als Kleinod an“, würdigte schon Friedrich II., König von
Preußen, die Samt- und Seidenstoffe aus der damaligen „Herrlichkeit“.
Der Monarch besuchte im Juni 1763 in Krefeld die Fabrik der von der
Leyens und förderte die Seidenweberei in Krefeld durch Monopole. Eine
kleine, aber feine Randnotiz: Aus der Gruppe der Krefelder Mennoniten
machten sich im Jahr 1683 dreizehn Familien nach Nordamerika auf und
gründeten in Pennsylvania die Stadt Germantown, heute ein Stadtteil von
Philadelphia. Charles ‚Pete‘ Conrad, ein direkter Nachfahre der Gruppe,
setzte zudem als dritter Mensch seinen Fuß auf den Mond.
Textil, Chemie, Metall-
und Maschinenbau
Das textile Erbe der Seidenbarone wirkt auf
vielfältiger Weise bis heute nach. Zwar ist die Textilindustrie durch
die Abwanderung der letzten 50 Jahre nur noch ein Schatten ihrer
einstigen Blütezeit, doch Seidenkrawatten aus Krefeld zieren nach wie
vor den Mann in aller Welt. So produziert das Familienunternehmen Ascot
seit 1908 am Standort Hülser Straße in vierter Generation die Binder.
Das aktuelle Sortiment umfasst Schleifen, Schals, Viertücher und
natürlich Krawatten. Für Letztere sind 20 bis 24 Arbeitsschritte nötig.
Auch produzieren die Krefelder edelste Strickkrawatten für die Firma
Hermes in Paris. Textil aus Krefeld kann auch Hightech, wie das Beispiel
Verseidag zeigt. Das Unternehmen hat seine Gründung 1920 den Wirren des
Ersten Weltkriegs zu verdanken und steht heute als Teil der
Jagenberg-Gruppe für qualitativ hochwertige Lösungen bei der Herstellung
und Beschichtung textiler Architektur, von Großzelten, großformatigen
Digitaldrucken, Biogas, schusssicheren Westen und weiteren
Industrielösungen. So überspannen Hightech-Textilien der Krefelder die
Zuschauertribünen in Stadien wie im Fußball-WM-Stadion in Kapstadt.
Ebenso ist das Dach des olympischen Schwimmstadions in München made in
Krefeld. Die Textilbranche bildet allerdings nur einen Mosaikstein der
Wirtschaft. Auch spielen Chemie, Metallindustrie und Maschinenbau eine
bedeutende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. So
gründete Edmund ter Meer bereits 1877 ein kleines Chemieunternehmen, das
mit der Herstellung synthetischer Farbstoffe wie Anilin oder
Azofarbstoffen experimentierte. Mit dem neuen Verfahren konnte die in
Krefeld ansässige Seidenindustrie farbige Stoffe zu niedrigen Kosten
herstellen. Ein ganz anders Kaliber war dagegen das Bayerwerk. Der
Standort Uerdingen wurde 1951 in die Farbenfabrik Bayer AG integriert.
Nur zwei Jahre später entdeckte hier der Chemiker Hermann Schnell das
Polycarbonat Makrolon, dessen industrielle Herstellung in Krefeld 1958
begann. Dieser Hightech-Kunststoff ist äußerst vielseitig und wird für
die unterschiedlichsten Anwendungen eingesetzt, u.a. für CDs, Linsen,
Brillengläser, Solarmodule und Dachkonstruktionen. 2015 wurde das
Kunststoffgeschäft in ein eigenständiges Unternehmen, die Covestro
überführt. Heute ist Uerdingen der weltweit größte Produktionsstandort
für Makrolon und die Nummer eins für Polycarbonat in Westeuropa. Ein
gutes Beispiel für Metall- und Maschinenbau in Krefeld war die Gründung
der Waggonfabrik AG Uerdingen im März 1898, die bereits innerhalb eines
Jahres einen Probeauftrag über 186 Waggons unterschiedlichster Art der
Königlich-Preußischen Staatsbahn auf die Gleise bringen konnte. Der
Betrieb wurde durch seine zunehmende Spezialisierung auf
Eisenbahn-Fahrzeugen 1989 vom Siemens-Konzern übernommen. Heute ist der
Standort Krefeld als Teil der Siemens-Division Mobility mit einer
Produktionsfläche von rund 74.000 Quadratmetern ein internationaler
Produktionsstandort von Zügen des weltweiten Regional- und Fernverkehrs.
Zu den wichtigsten Produkten aus Krefeld gehören dabei die
Desiro-Baureihen sowie die Velaro-Hochgeschwindigkeitszüge – auch
bekannt als ICE-Schnellzüge der Deutschen Bahn.
Tierisch gut
Last,
but not least möchten wir hier noch den Blick auf das wohl tierischste,
aber auch bekannteste Unternehmen der Stadt werfen. Die Rede ist vom
Krefelder Zoo. Gegründet im Mai 1938 als städtisches Kulturinstitut, hat
der Zoo in den vergangenen 80 Jahren eine Entwicklung vom
Heimattierpark für die Krefelder Bevölkerung hin zu einer international
anerkannten zoologischen Einrichtung vollzogen. Als Naherholungsziel
zieht er jährlich bis zu 500.000 Besucher aus der ganzen Region an.
Zahlreichen Neubauten der vergangenen zehn Jahre wurden zum großen Teil
von Firmen aus der Region errichtet. Der Zoo ist damit ein wichtiger
Standortfaktor der Stadt und wird von der Krefelder Wirtschaft gerne als
Pluspunkt für die Freizeitgestaltung herangezogen, insbesondere wenn es
um die Anwerbung neuer Firmen
geht. André Sarin | redaktion@niederrhein-manager.de
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