Mit
seinen historischen Wurzeln in der Römerzeit und einer über
2000-jährigen Stadtgeschichte ist Neuss eine der ältesten Städte
Deutschlands und eines der bedeutendsten wirtschaftlichen Zentren am
Niederrhein. Getragen vom klassischen Mittelstand und zahlreichen
Traditionsunternehmen, lagen und liegen die Grundlagen der
wirtschaftlichen Entwicklung in der Nähe von Vater Rhein. Schon die
Römer hatten Neuss als Hafenstadt genutzt. Im Fränkischen Reich
profitierte die junge Siedlung als logistischer Knotenpunkt durch ihre
Lage und Infrastruktur mit Hafen und Fähre sowie der Kreuzung der großen
Rheintalstraße mit West- und Ost-Straßen. Doch seine wahre Bedeutung
sollte der Neusser Hafen erst im Zuge der Industrialisierung erfahren.
Der Hafen als wirtschaftlicher Knotenpunkt der Stadt
So
entschloss man sich Anfang des 19. Jahrhunderts, die Anbindung an den
Rhein voranzutreiben. Im November 1835 begannen die Arbeiten am
Erftkanal und einem Sicherheitshafen. Nur acht Jahre später wurde Neuss
als Freihafen anerkannt. Waren konnten zollfrei verladen oder gelagert
werden. 1897 wurde der nördliche Teil des Erftkanals verbreitert. Die
ausgebaggerten Erdmassen wurden dabei an den Ufern aufgeschüttet und
schufen hochwasserfreie Flächen für Straßen, Gleise und
Industriebetriebe. Das ungenutzte Gelände östlich des Erftkanals wurde
zum Industriehafen ausgebaut. Heimische Unternehmen konnten so ihre
Betriebe direkt im Hafen, neben den Kaianlagen, ansiedeln. Ein wichtiges
Element des neuen Industriehafens war zudem der Bau einer Ring- und
Hafenbahn, die die Verbindung zwischen Industriebetrieben,
Umschlagplätzen und dem Güterbahnhof herstellte. Zwar war die Stadt
bereits seit 1853 an das preußische Eisenbahnnetz angeschlossen, doch
erst der Anschluss an den Hafen sollte der Wirtschaft einen
entscheidenden Impuls geben. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs erlebt der
Hafen als militärisches Primärziel seine dunkelsten Stunden, die er erst
Mitte der 50er überwand. Die 60er- und 70er-Jahre waren geprägt von
Strukturwandel, Umschlagverlusten und dem Wettbewerb im weltweiten
Massengutverkehr. Diesem Wandel passte sich der Neusser Hafen durch
Ausbau des kombinierten Ladungsverkehrs zwischen Eisenbahn, LKW und
Binnenschiff sowie die Errichtung eines modernen Containerterminals an.
Als Teil der Neuss Düsseldorfer Häfen GmbH & Co. KG, zu der die
RheinCargo, eine Beteiligung am Hafen Krefeld und der Düsseldorfer Hafen
gehören, spielt der Hafen in Neuss heute eine bedeutende Rolle in der
regionalen Wirtschaft. So sind rund 40.000 Arbeitsplätze und fast zehn
Prozent der städtischen Steuereinnahmen von den Häfen der drei Städte
abhängig, und das bei einer Wertschöpfung von knapp zwei Milliarden Euro
im Jahr.
Wohnraum und Gewerbe brauchen Sicherheit
Die
Gründerzeit kannte noch weitere Traditionsunternehmen, die auch heute
noch eine bedeutende Rolle in der Stadt spielen. Denn mit dem
Industrialisierungsprozess war auch ein erhöhter Bedarf an
Arbeitskräften in Neuss verbunden. Dieser führte zu einer
Zuwanderungsbewegung in die Stadt, die mit 22.635 Einwohner im Jahre
1891 zu den wachsenden Zentren der Gründerjahre im Rheinland gehörte.
Daher wurde im gleichen Jahr die Neusser Gemeinnütziger Bauverein AG
gegründet. 1899 erhielt der Bauverein einen Kredit von 100.000 Goldmark
durch die Stadt Neuss und sollte sich fortan bis in das 21. Jahrhundert
um die Wohnungsversorgung in der Stadt für alle sozialen Schichten
kümmern. Bereits bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zählte das
erweiterte Neuss 60.000 Einwohner, die in 17.000 Wohnungen lebten; davon
1.030 im Besitz des Neusser Bauvereins. Zum Ende des Krieges sollten
davon nur noch 430 Wohnungen bewohnbar sein. Diese Entwicklung war für
die Stadt Neuss eine Herausforderung, denn bis 1965 stieg die
Einwohnerzahl auf 111.104, und die Schaffung von Wohnraum genoss
besondere Priorität. Der Neusser Bauverein trug dem Rechnung und baute
schon in den 60er-Jahren 4.000 neue Wohnungen. Auch schaffte er in den
folgenden Jahren mit Hochhausprojekten, aber auch ganzen wohnbaulichen
Entwicklungen in Stadtteilen wie Weissenberg oder Weckhoven weitere
Mietwohnungen und Eigenheime. Heute ist der Neusser Bauverein mit rund
7.000 Mietwohnungen der größte Wohnungsanbieter im Rhein-Kreis Neuss.
Rund 1.500 Neusser verdanken zudem dem Bauverein ihre Eigentumswohnung
oder das Einfamilienhaus. Eigenheim und produzierendes Gewerbe
verlangten nach Absicherung. Und so erfolgte am 9. Februar 1880 die
offizielle Konzessionierung einer neuen Versicherungsgesellschaft, der
Feuer-Versicherungs-Gesellschaft Rheinland, welche noch heute als
Rheinland Versicherung AG besteht. Schon im ersten Jahr der Gründung
verfügte die Gesellschaft über 108 Agenturen im Regierungsbezirk
Düsseldorf und 49 im Regierungsbezirk Aachen. Dank der Unterstützung
durch Neusser Kaufleuteund weitere Kreise des rheinischen Bürgertums
entwickelte sich aus der Feuerversicherungsgesellschaft eine
Versicherungsgruppe moderner Prägung. So gelang 1901 die Einführung der
Sparten Einbruch/Diebstahl, Haftpflicht und Unfall. 1925 folgten die
ersten Kraftfahrzeugversicherungen, und es sollten noch weitere
Versicherungen wie Sturm oder Leben folgen. Mit einem sich stetig
erweiternden Portfolio wurde die Gesellschaft Mitte der 60er-Jahre in
eine Aktiengesellschaft umfirmiert. Heute ist die Rheinland Versicherung
AG mit Hauptsitz in Neuss und über 800 Mitarbeitern einer der großen
Versicherer Deutschlands, betreut über drei Millionen Kunden und
generierte zuletzt einen Umsatz von rund einer halben Milliarde Euro.
Es stank zum Himmel
und hat doch Tradition
Es gab Tage, an denen die Neusser
Innenstadt in den betörenden Duft einer Großküche getaucht war. Grund
dafür waren die gut ein Dutzend traditionellen Neusser Ölmühlen, die
Anfang des 19. Jahrhunderts ins wirtschaftliche Leben der Stadt gerufen
wurden und von denen heute nur noch drei existieren. Eine davon ist die
Ölmühle Casper Thywissen, welche, 1839 gegründet, bereits in den
60er-Jahren des 19. Jahrhunderts als die größte Ölmühle Deutschlands in
die Geschichte einging. Durch den frühen Einsatz der
Dampfmaschinentechnik und hydraulischer Pressen – die ersten ihrer Art
in Deutschland – entwickelte sich der Betrieb rasch und erweiterte
stetig seine Produktionsstätten. Der Ölmühle kam dabei die Lage im
Neusser Hafen, mit Anschluss an die verschiedenen Ölsaaten aus Europa
und Übersee, zugute. Heute wird die Mühle als Familienunternehmen unter
dem Namen C. Thywissen GmbH in sechster Generation geführt und
beschäftigt an den Standorten Neuss, Hürth und Marl 135 Mitarbeiter. Als
eine der größten Anbieter seiner Art im europäischen Raum produziert
das Unternehmen Pflanzenöle wie Rapsöl, Sonnenblumenöl oder Leinöl,
Futtermittel, Malzprodukte sowie Biodiesel und generierte in 2015 über
eine Milliarde Umsatz; natürlich geruchsneutral.
Traditionsunternehmen des 20. und 21. Jahrhunderts
Nach
diesem Blick in die Historie sollten wir uns noch den Neusser
Traditionsunternehmen der jüngeren Geschichte widmen. Da wäre die
Aluminium Norf GmbH mit dem größten Aluminiumwalz- und Schmelzwerk der
Welt, welche in 2015 ihr 50-jähriges Firmenjubiläum feierte. Auf einer
Fläche von 60 Fußballfeldern verarbeitet das Unternehmen 1,5 Millionen
Tonnen Aluminium pro Jahr. Mit 2.100 Mitarbeitern ist das Werk zudem
einer der größten Arbeitgeber in der Region. Ein anderes modernes
Traditionsunternehmen und exemplarisches Beispiel für die immer
wichtigere Branche der Logistik am Niederrhein ist die Fiege Logistik
Holding Stiftung & Co. KG, welche als familiengeführtes Unternehmen
auf eine über 140-jährige Geschichte zurückblicken kann. Das Unternehmen
engagiert sich seit 2008 mit dem Logistikzentrum Rhein/Ruhr auf 160.000
Quadratmetern und hat dort im Gewerbegebiet Taubental mit 83.500
Quadratmeter eine der größten Lagerhallen der Stadt. Auch der zweite
Standort an der Sudermannstraße kann mit einer Halle von 20.000
Quadratmetern punkten. Traditionsunternehmen in Neuss haben nicht nur
Historie, sie haben auch Zukunft, denn in Neuss schlägt das
wirtschaftliche Herz am Niederrhein. André Sarin | redaktion@niederrhein-manager.de
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