Wenn die Konjunktur brummt und die Nachfrage so groß ist, dass Unternehmen kaum hinterherkommen, ist meist nicht die richtige Zeit dafür. Krisenphasen mit sinkender Nachfrage hingegen lassen sich gut nutzen, um über die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen nachzudenken. Und dabei sollte ein wichtiger Aspekt nie vergessen werden: die richtige Preisgestaltung, auch Pricing genannt.
Unter Pricing wird die Gesamtheit der Methoden verstanden, mit denen Unternehmen die Preise für ihre Produkte und Dienstleistungen festlegen können. Dabei geht es darum, Preise so zu gestalten, dass ein Angebot die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf sich zieht und ihnen einen Mehrwert bietet. Gleichzeitig ermöglicht eine vernünftige Preisgestaltung der Firma, rentabel zu arbeiten und möglichst auch die Verkäufe zu steigern. Dies wiederum macht ein Unternehmen wettbewerbsfähig, erlaubt es im Idealfall, die Gewinnspanne zu erhöhen und kontinuierlich zu wachsen. Dem Pricing kommt bei der Markteinführung neuer Produkte und Dienstleistungen also eine entscheidende Bedeutung zu. Allerdings ist es gar nicht so einfach, die passende Preisstrategie zu ermitteln. Denn es ist keineswegs damit getan, lediglich alle anfallenden Kosten zu addieren und dann die gewünschte Marge einzupreisen. Um alle Vorteile zu nutzen, die sich aus einem guten Pricing-Prozess ergeben, müssen Unternehmer vielmehr ihren Markt und ihre Ziele eingehend analysieren. Diese Analyse muss Informationen über die Zielgruppe umfassen, an die sich ein neues Produkt richten soll, über die Wettbewerber und zudem das angestrebte Markenimage beleuchten. Erst wenn diese Punkte ausreichend unter die Lupe genommen worden sind, kann die eigentliche Festlegung der Preisstrategie nach unterschiedlichen Methoden erfolgen.
Analyse der Zielgruppe
Produkte und Dienstleistungen richten sich je nach ihren speziellen Merkmalen an ganz unterschiedliche Typen von Kunden. Daher ist zunächst einmal zu bestimmen, welche Zielgruppe genau adressiert werden soll. Sind es eher Frauen, Männer oder Kinder? Welches Alter hat die potenzielle Klientel? Wo lebt sie? Weckt das neue Produkt Interesse? Was sind die Kunden in spe bereit, für das künftige Angebot auszugeben? All diese Faktoren sollten im Detail in Erfahrung gebracht werden.
Dafür können Unternehmer professionelle Marktanalysen in Auftrag geben oder Lösungen von Market-Intelligence-Anbietern in Anspruch nehmen. Wer weniger Geld ausgeben möchte, kann auch eine kleine Schnittmenge von Musterkunden bilden und dieser Gruppe selbst die entscheidenden Fragen stellen. Experten gehen davon aus, dass schon eine Umfrage bei rund 20 Personen ausreicht, um die Grundlagen für das Pricing festzuzurren.
Parallel zur Zielgruppen-Analyse sollten Unternehmer ihre Wettbewerber unter die Lupe nehmen. Wichtig ist es, in Erfahrung zu bringen, zu welchen Preisen vergleichbare Angebote der Konkurrenz am Markt und wie treu Kunden den Mitbewerbern sind. Auch eventuelle Preisänderungen der Wettbewerber und die Gründe dafür sollten analysiert werden. Wichtig: Mitbewerber sollten regelmäßig im Auge behalten werden, nicht nur bei der Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen.
Entscheidend für einen vernünftigen Pricing-Prozess ist es zudem, das Markenimage des neuen Angebots zu bestimmen. Dabei ist etwa zu entscheiden, ob sich ein geplantes Produkt durch hohe Qualität und Exklusivität auszeichnen oder sich eher an ein breites Publikum richten soll. Kann eine Dienstleistung ganz individuell auf einzelne Kunden angepasst werden oder ist sie vielmehr standardmäßig vorgesehen? Fragen dieser Art sind zu beantworten, bevor Preise festgelegt werden.
Drei wichtige Aspekte
Erst wenn diese Analysen zu aufschlussreichen Ergebnissen geführt haben, kommt der eigentliche Pricing-Prozess an die Reihe. Dabei gilt es, im Wesentlichen drei Aspekte zu berücksichtigen, egal welche Methode gewählt wird.
1.Zunächst einmal sind immer die Kosten zu ermitteln, die ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung mit sich bringt. Eventuelle Materialkosten sollten ebenso berücksichtigt werden wie Fertigungs-, Marketing- und Vertriebskosten. All diese Komponenten sollten auf das einzelne Angebot heruntergebrochen werden. Das gilt auch für Gemeinkosten wie Ausgaben etwa für Energie oder Mitarbeiter. Diese sollten anteilig dem einzelnen Produkt oder der Dienstleistung zugeordnet werden können.
2. Der zweite wichtige Punkt gilt der Marge. Hier sollten Unternehmer immer genau überlegen, welche Preisspanne sie für ihr neues Angebot wirklich für richtig halten und auch benötigen, um Gewinne zu erzielen. Sich allein an der branchenüblichen Spanne für vergleichbare Produkte oder Dienstleistungen zu orientieren ist wenig sinnvoll, da in diesem Fall möglicherweise nicht das individuell mögliche Preispotenzial genutzt werden kann.
3. Als dritten Aspekt sollten Rabatte und Skonti berücksichtigt werden. Ohne dass diese von vornherein einbezogen werden, können Unternehmer kalkulierte Margen später nicht mehr erreichen, wenn sie solche Sonderaktionen starten.
Verschiedene Methoden
Für die eigentliche Pricing-Strategie gibt es unterschiedliche Methoden, gängig sind aber vier Modelle.
1. Da ist zum einen der kostenorientierte Ansatz. Dabei wird auf die Herstellungs- und Materialkosten abgestellt, die bei der Produktion eines Produkts oder für das Angebot einer Dienstleistung anfallen. Die fixen monatlichen Kosten werden bei dieser Methode noch nicht hinzugerechnet, da der Absatz des neuen Produkts noch unbekannt ist. Empfehlenswert ist es aber, die Rechnung mit unterschiedlichen möglichen Absatzzahlen aufzustellen.
2. Bei der wettbewerbsorientierten Pricing-Methode wird jeweils der höchste und der niedrigste Preis für ähnliche oder nahezu gleichwertige Produkte und Dienstleistungen betrachtet, die bereits am Markt zu haben sind. Diese Preise bieten gute Anhaltspunkte für ein mögliches Pricing des geplanten eigenen Angebots.
3. Der sogenannte wertbasierte Ansatz ermittelt den Mehrwert, den das künftige Produkt oder die spätere Dienstleistung den Kunden bieten soll. Dabei sind etwa Verbesserungen gegenüber bestehenden Angeboten zu analysieren, Einsparungen oder auch Alleinstellungsmerkmale. Grundsätzlich gilt: Je höher der Mehrwert ist, desto höher kann ein Unternehmer auch den Preis im Pricing-Prozess ansetzen.
4. Beim Mindestumsatzverfahren wiederum werden nicht nur die errechneten Kosten betrachtet. Stattdessen fließt auch die voraussichtliche Nachfrage in das Pricing ein. Voraussetzung dafür ist eine detaillierte Wettbewerbsanalyse. Denn: Ergibt die Analyse, dass die Nachfrage nach dem eigenen neuen Produkt oder der neuen Dienstleistung zumindest vorerst unter der eines Mitbewerbers liegen wird, muss der Preis selbstverständlich höher angesetzt werden. Andernfalls würde das eigene Unternehmen beim Umsatz hinter den Wettbewerbern zurückbleiben. Dennoch darf der Preis nicht allzu deutlich über dem der Konkurrenz liegen, damit das eigene Angebot von den Kunden auch angenommen wird.
Zeit zum Überlegen
Welche der vier Methoden Unternehmer wählen möchten oder ob eine Kombination infrage kommt, hängt natürlich immer vom jeweiligen Produkt, der Dienstleistung und der individuellen Situation der Firma ab. Doch auch um darüber nachzudenken, bieten Krisenphasen mit sinkender Nachfrage oft die nötige Zeit.
Andrea Martens |redaktion@regiomanager.de
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