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Energieträger: Was kann Wasserstoff?

Wasserstoff zählt zu den Hoffnungsträgern für die Energiewende. Worin bestehen seine Vorteile und wo liegen seine Grenzen? Über diese und andere Fragen haben wir mit Michael Düchting gesprochen, dem Geschäftsführer von EcoPort813.

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von Regiomanager 13.07.2023
(© deagreez − stock.adobe.com)

Regio Manager: Herr Düchting, warum ist Wasserstoff einer der Hoffnungsträger der Energiewende?

Michael Düchting: Ich sehe den Wasserstoff als ein Puzzleteil zwischen den verschiedenen regenerativen Energieträgern. Er kann Lücken schließen beim Wegfall fossiler Träger. Ein Beispiel: Photovoltaik und Windparks sind schwankend in der Versorgung. Deshalb brauchen wir Flexibilität, Energiespeicher und Puffer. Wasserstoff kann diese Funktionen übernehmen, z.B. bei der Unterstützung von Windkraftanlagen. Diese regeln häufig die Leistung bis zu 20 bis 30 Prozent und mehr ab, weil das Stromnetz überlastet ist. Mit einer Elektrolyse neben dem Windpark kann man Wasserstoff erzeugen mit dem Strom, der abgeregelt wird, und diesen dann bei Bedarf wieder als Strom abgeben. Diese Vorgehensweise funktioniert auch im industriellen Bereich.
Ein weiterer großer Vorteil des Wasserstoffs: Er lässt sich über Wochen und Monate speichern. Das kann saisonale Schwankungen bei anderen erneuerbaren Energieträgern ausgleichen, ohne dass es zu großen Verlusten kommt. Ohne Wasserstoff wird die Transformation aller Wirtschaftsbereiche nicht funktionieren, es gibt also keine Alternative dazu.

RM: Wo und wie kann er am sinnvollsten eingesetzt werden?

MD: In allen drei Sektoren: im Gebäudesektor, in der Industrie und in der Mobilität. Wärmenetze für die Nutzung von Gasbrennwertkesseln sind in aller Regel auch wasserstofffähig. Die Frage ist ja, was passiert ab 2045, wenn die Klimaneutralität in Deutschland erreicht sein soll und Gas nicht mehr verwendet werden kann; da kann der Wasserstoff bei der Umstellung der Gasnetze eine große Rolle spielen. Es gibt Modellprojekte, beispielsweise in Hamburg, wo Gasnetze problemlos mit Wasserstoff gemischt werden. Im Gebäudesektor kann z.B. aus Wasserstoff mit lokalen Brennstoffzellensystemen und Brennwertkesseln Wärme erzeugt werden.
In der Industrie kann Wasserstoff als Brennstoff zur Bereitstellung von Prozesswärme genutzt werden, aber auch als Grundstoff und zur weiteren stofflichen Nutzung, z.B. in der chemischen oder Stahlindustrie.
Bei der Mobilität stößt derzeit die Batterietechnik im Lkw an Grenzen, die Batterien werden einfach zu schwer für die langen Distanzen und deshalb wird man hier verstärkt auf Wasserstoff umstellen müssen. Dazu gibt es derzeit schon Modelle für Reichweiten von 700 bis 800 Kilometern. Es gibt auch Unternehmen im Schiffsbereich, die ihre ersten Schiffe bis Ende des Jahres teilweise auf Wasserstoff umstellen wollen.

RM: Woher kommt der Wasserstoff?

MD: Es ist bisher davon auszugehen, dass etwa 20 bis 30 Prozent des Wasserstoffbedarfs für ganz Deutschland durch inländische Produktion gedeckt werden kann. Man muss auch klar sagen: Je höher der Importanteil wird, umso abhängiger werden wir vom Ausland insgesamt und damit auch von Ländern, von denen wir nicht oder zumindest nicht in großem Umfang abhängig sein wollen. Wir wollen daher so stark wie möglich die Wasserstoffproduktion in der Region anstoßen, um diesen Importanteil möglichst gering zu halten, auch mit Blick auf die mittelständische Wirtschaft. Der Engpassfaktor dabei ist natürlich der grüne Strom, keine Frage. Wir haben bei Weitem aktuell nicht die Kapazitäten, die an grünem Strom notwendig sind für die Wasserstoffproduktion.

RM: Welche Bedeutung hat Wassersoff als Treibstoff für das Land NRW?

MD: In der „Wissenschaftlichen Begleitstudie zur Roadmap Wasserstoff Nordrhein-Westfalen“ finden wir dazu zunächst ein paar Zahlen. Danach wird der Wasserstoffbedarf landesweit im Jahr 2050 in einer Bandbreite von circa 300 bis 430 Terrawattstunden liegen, das sind circa 9 bis 13 Millionen Tonnen. Für Nordrhein-Westfalen wird dabei bundesweit die höchste Wasserstoffnachfrage prognostiziert, mit einem Anteil von etwa einem Drittel an der gesamten Wasserstoffnachfrage in Deutschland. Dieser Bedarf verteilt sich in etwa zur Hälfte auf die Sektoren Verkehr und Industrie. Wir gehen davon aus, dass sich der Bedarf im Verkehrssektor vor allem auf Lkws, auf die Bahn, den ÖPNV und auch auf Schiffe konzentrieren wird, nicht so sehr auf den Pkw-Bereich.
Als Zielsetzung für unsere Aktivitäten im EcoPort813-Förderverein haben wir die gesamte Wertschöpfungskette im Blick, angefangen bei den Importen. Diese Logistik- oder Importkette wollen wir gemeinsam durch Kooperation der Mitgliedsunternehmen und Forschungseinrichtungen aufbauen, insbesondere mit dem Hafen Delta Port als Umschlag-Hub, aber auch in Kooperation mit weiteren Häfen an Rhein und Ruhr. Diese leben im starken Maße vom Umschlag fossiler Energieträger und somit von der Abwicklung der Kohle- und Ölimporte. Das wird künftig alles wegfallen, also muss man die Häfen umstellen und insofern haben diese Importe für uns in Nordrhein-Westfalen eine ganz hohe Bedeutung. Wir gehen davon aus, dass diese im Wesentlichen aus grünem Ammoniak bestehen werden, der entweder bei minus 33 Celsius oder mit 12 Bar Druck in flüssiger Form transportiert wird. Insofern kann man sagen, dass der grüne Ammoniak möglicherweise die Kohle der Zukunft sein wird. Letztendlich ist festzuhalten, dass der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland für Nordrhein-Westfalen als elementar anzusehen ist. Allerdings haben wir hier auch alles, was wir brauchen, an Infrastruktur, an Unternehmen, aber auch die für die Großskalierungen notwendigen Produktionsmengen.

RM: Herr Düchting, vielen Dank für Ihre Expertise.

Info: Über EcoPort813

Der „EcoPort813 – Förderverein Wasserstoff und nachhaltige Energie e.V.“ fördert Investitionen und Kooperationen der Mitgliedsunternehmen und -institutionen in nachhaltige Energien – insbesondere Wasserstoff und CO2-freie Energieträger. Er soll die gesamte, wasserstoffgeprägte Wertschöpfungskette abbilden – vom Anlanden des Wasserstoffs am Überseehafen Rotterdam bis zur Verteilung an die Nutzer. Durch die Vernetzung der Vereinsmitglieder, die Initiierung von gemeinsamen Projekten und die Förderung von Synergien sollen der Niederrhein und das regionale und überregionale Umfeld zu einer Wasserstoff-Modellregion ausgebaut werden.

Birgit Marx | redaktion@regiomanager.de

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