Industrie braucht Platz. Aber gerade daran mangelt es in NRW. Zudem sind im Durchschnitt nur zwei Drittel der Flächen, die im Regionalplan für Industrie und Gewerbe zur Verfügung stehen, für Unternehmenszwecke nutzbar, so die von der IHK NRW in Auftrag gegebene Studie „Vom Brutto zum Netto“.
Allein der Rückgriff auf Bestands- und Brachflächen könne den wachsenden Bedarf nicht decken. Eine vollständige Entkopplung von Flächeninanspruchnahme und Wirtschaftswachstum, wie von manchem Politiker erträumt? Nicht erreichbar. Kein Wunder, dass die Flächenproblematik eine der zentralen Forderungen der NRW-Industrie an die Politik ist. „Verfügbare Industrieflächen sind ein entscheidender Standortfaktor und Garant für die Sicherung von Arbeitsplätzen“, weiß auch Wulf-Christian Ehrich, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Dortmund, aus der täglichen Praxis. „Nur bei vorausschauender Planung und Vorhaltung eines differenzierten Gewerbeflächenangebots können die Standorte auf Anfragen zur Neuansiedlung oder Erweiterung kurzfristig reagieren.“
NRW-Image international verbessern
Was will die Industrie? Dieser Frage soll im Folgenden schlaglichtartig nachgegangen werden. Der VDMA NRW (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) sieht unter anderem Nachholbedarf beim Auftritt auf der politischen Bühne: „Nordrhein-Westfalens Stimme in Berlin und Brüssel muss lauter und vor allem industriepolitischer werden“, heißt es in einem Positionspapier anlässlich der jüngsten Landtagswahl. „Andere Bundesländer orientieren sich enger an den Interessen ihrer Kernindustrien und sind zudem erfolgreicher in der Einwerbung von öffentlichen Investitionen.“ Damit schafften sie Standortvorteile. Das gesamte Image NRWs im Ausland müsse „aktiv und positiv besetzt“ werden. „Nordrhein-Westfalen darf im Ausland nicht länger nur als Beispiel für Strukturwandel gesehen werden“, so der Verband, der nach eigenen Angaben rund 840 überwiegend mittelständische und familiengeführte Maschinenbauunternehmen vertritt. „NRW muss als Heimat vollständiger Wertschöpfungsketten beworben werden, die eine starke und innovative Basis für Investitionen aus aller Welt bietet.“
Digitalisierung ist entscheidend
Ein weiterer wichtiger Punkt im Forderungskatalog an die Entscheider in Politik und Verwaltung ist die Bereitstellung einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur. Wulf-Christian Ehrich: „Der technologische Wandel und die Digitalisierung von Industrie, Handel und Dienstleistung spielen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen eine wichtige Rolle im nationalen wie globalen Wettbewerb. Dazu gehören leistungsfähige Breitbandnetze, die auch im ländlichen Raum sowie in unterversorgten Gebieten von Ballungsräumen vorhanden sein müssen.“ „Unser Ziel muss es sein, dass bis zum Jahr 2020 alle Gewerbegebiete mit Glasfaser-Leitungen versorgt sind“, fordert auch Wim Abbing, Vorstandsvorsitzender der in Duisburg ansässigen Unternehmerverbandsgruppe und selbst Chef der Emmericher Probat-Gruppe. „Wenn die Kommunen das nicht alleine schaffen, muss das Land hierfür die Weichen stellen. Schnelles Internet wird für die Unternehmen so wichtig wie fließendes Wasser“, so Abbing.
Digitaler soll nach den Vorstellungen der Unternehmer auch die Bildungs- und Forschungslandschaft werden. „NRW kann Vorreiter bei der Digitalisierung und bei Industrie 4.0 sein. Die Landespolitik muss dafür starke und positive Impulse bei der digitalen Bildung, bei den MINT-Fächern und bei Kooperationen von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen setzen“, erklärt Abbing. Bei der Digitalisierung müsse zwar auch die Wirtschaft ihre Hausaufgaben machen, aber gleichzeitig müsse dem Misstrauen im Bildungs- und Forschungsbereich gegenüber dieser Entwicklung wirkungsvoll begegnet werden. „Programmiersprachen werden so wichtig wie Fremdsprachen“, ist er überzeugt. Die junge Generation solle in die Lage versetzt werden, die Digitalisierung zu gestalten, statt nur digital zu konsumieren.
In Sachen Nachwuchs sieht Wulf-Christian Ehrich auch ein Imageproblem: Das Bild von der Industrie sei bei großen Teilen der Bevölkerung „immer noch geprägt durch Umweltgefährdungen, Lärm, rauchende Schlote, schlechte Arbeitsbedingungen und unsichere Arbeitsplätze“, so der IHK-Vize. Viele junge Menschen würden sich gegen eine berufliche Laufbahn in der Industrie entscheiden, was zu Schwierigkeiten beim Fachkräftenachwuchs führe. „Diese Probleme erfahren eine Verstärkung durch den demografischen Wandel. Künftig wird es deshalb darum gehen müssen, mehr junge Menschen für eine berufliche Laufbahn in der Industrie zu interessieren und zu gewinnen.“
Kritik an der Stromsteuer
Die Energiewende ist ebenfalls ein großes Industrie-Thema. Stiegen die durchschnittlichen Strompreise der Industrie in den vergangenen Jahren doch deutlich: 6,05 Cent/kWh im Jahr 2000, 11,4 Cent/kWh in 2009, 15,44 Cent/kWh in 2016; durchschnittlicher Strompreis für Haushalte: 13,94 Cent/kWh in 2000, 23,21 Cent/kWh in 2009, 28,69 Cent/kWh in 2016. Im „IHK-Energiewende-Barometer NRW 2016“ gaben 39 Prozent der Industrieunternehmen an, die Folgen der Energiewende für ihre Wettbewerbsfähigkeit seien negativ oder sehr negativ. Dringend notwendig sei es daher, alle bestehenden, wettbewerbsfremden Kostenbestandteile zu überprüfen und schnellstmöglich abzubauen. „Insbesondere bietet eine Absenkung der Stromsteuer, die ihre intendierte Lenkungswirkung ohnehin verloren hat, einen einfachen und unbürokratischen Weg zur Entlastung der Verbraucher“, so Wulf-Christian Ehrich. Sie sollte entweder auf das europäische Mindestmaß (0,05 Cent/kWh für Unternehmen) abgesenkt oder alternativ das Steueraufkommen (rund sieben Milliarden Euro pro Jahr) zur Absenkung der EEG-Umlage verwendet werden.
„Klar ist, dass wir in NRW wirtschaftspolitisch besser werden müssen, wenn wir nicht den Anschluss verlieren wollen“, sagt Wim Abbing vom Unternehmerverband. In NRW müsse wieder gelten: „Vorfahrt für Wachstum und Beschäftigung“. Der Unternehmer sieht die NRW-Wirtschaftspolitik der vergangenen fünf Jahre kritisch. „Statt Unternehmen im Land willkommen zu heißen, haben wir Investoren zu oft abgeschreckt. Leider ist Nordrhein-Westfalen dadurch in vielen Bereichen abgerutscht“, meint Abbing und fordert einen „verbindlichen wirtschaftspolitischen Masterplan“. Nur mit einer starken Wirtschaft könne auch NRW stark sein. „Das Land braucht ein alle relevanten Politikfelder umfassendes Gesamtkonzept. Die entscheidende Frage lautet: Soll NRW Kernland der Industrie bleiben oder nicht?“, so Abbing. Nordrhein-Westfalen könne gegenüber anderen Bundesländern nur wieder aufholen, wenn diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantwortet werde. Alleingänge zulasten der Industrie könne sich das Land nicht länger erlauben, wenn es nicht weiter zurückfallen wolle. „Wir brauchen einen wirtschafts-, umwelt- und sozialpolitischen Regulierungsstopp. Es muss jetzt Schluss sein mit Alleingängen des Landes zum Beispiel beim Umwelt- und Klimaschutz oder im Vergaberecht“, fordert die Unternehmer-
schaft. Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de
Daniel Boss
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