Karriere

ChatGPT: Kann KI Arbeitskräfte ersetzen?

Die KI ist ihrer Kinderstube entwachsen. Mit ChatGPT 3 wird dieser Tage das erste Mal auch für Laien sichtbar, welches Potenzial die Technologie hat. Doch welchen Einfluss entfaltet sie auf dem Arbeitsmarkt?

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von Regiomanager 17.04.2023
(© ­­­master1305 − stock.adobe.com)

Binnen Wochen ist ChatGPT zum Medienstar mit über 100 Millionen monatlichen Nutzern geworden. Ein solches Wachstum hat keine andere Anwendung zuvor erreicht. Kein Wunder: Die Antworten der KI sind absolut menschenähnlich und in der Regel überaus hilfreich. Dies verunsichert nicht nur Konkurrenten wie Google, sondern auch den Arbeitsmarkt. Denn wo sich erstmals der praktische Nutzen von KI einer breiten Öffentlichkeit offenbart hat, stellt sich unweigerlich die Frage, ob der eigene Job oder das eigene Business nicht bald durch die KI ersetzt werden.


Sind betriebsbedingte
Kündigungen möglich?


Aus Sicht der Arbeitgeber ist die Antwort einfach. Der Einsatz von KI wird in vielen Fällen dazu führen, das Arbeitskraft effizienter wird und teilweise auch ersetzt werden kann. Darum wird kaum ein Unternehmer herumkommen. Denn wenn er die KI nicht zu seinem Vorteil nutzt: Die Konkurrenz wird es tun. Dr. Philipp Byers, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Watson Farley & Williams LLP, antwortet auf die Frage nach arbeitsrechtlichen Konsequenzen beim Ersatz von Mitarbeitenden durch künstliche Intelligenz: „Plant ein Unternehmen Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen, weil deren Tätigkeit künftig durch künstliche Intelligenz (KI) erledigt werden soll, ist dies grundsätzlich möglich. Es stellt einen Teil der unternehmerischen Freiheit dar, zu entscheiden, ob bestimmte Aufgaben durch KI-Tools ausgeübt werden sollen. Ein Arbeitgeber konnte schon früher problemlos die Entscheidung treffen, dass z.B. bestimmte Arbeitsvorgänge automatisiert am Fließband erledigt werden und deshalb in diesem Bereich der Einsatz menschlicher Arbeitskräfte entfällt. Diese Grundsätze haben auch bei der Frage des Einsatzes von KI-Technologien zu gelten.“ Allerdings bedeutet dies nun keineswegs einen Freibrief für Arbeitgeber, wie der Experte für Arbeitsrecht betont: „Demnach ist der Wegfall von Arbeitsplätzen durch den Einsatz von KI-Tools kündigungsrechtlich erst mal nicht zu beanstanden. Solange durch den Einsatz von KI der konkrete Arbeitsplatz des Mitarbeiters ersatzlos entfällt, die Kriterien der Sozialauswahl eingehalten wurden und keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten für den Mitarbeiter bestehen, ist die betriebsbedingte Kündigung wirksam.“


Was Arbeitnehmer tun können


Wechselt man hingegen auf die Seite der Arbeitnehmer, fällt die Antwort zu den Folgen zum Einsatz von KI mehrschichtiger aus. So antwortet Professorin Dr. Jutta Rump, Professorin für Allgemeine BWL, Internationales Personalmanagement, Organisationsentwicklung sowie Managing Director beim Institut für Beschäftigung und Employability IBE in Ludwigshafen, auf die Frage, wie Arbeitnehmer ihre Beschäftigungsfähigkeit erhalten können: „Wir erleben durch Technologien wie ChatGPT derzeit eine einmalige Demokratisierung des Wissens. Lag der Wissensvorsprung früher in Informationsvorteilen von Unternehmen wie auch Führungskräften begründet, können sich Arbeitnehmer diesen jetzt selbst erarbeiten. Voraussetzung hierfür ist, dass sie lernen, Wissen zu erwerben, es anzuwenden und zu verknüpfen. Es geht also, kurz gesagt, darum, wieder Lernen zu lernen, um sich an Veränderungen flexibel anpassen zu können.“
Wer sich auf die Prognosen wissenschaftlicher Modelle verlässt, der geht ein Risiko ein. Denn die weitere Entwicklung von KI lässt sich nur schwer vorhersagen und der exponentielle Charakter des entstehenden Fortschritts lässt sich nur schwer beziffern. Das lineare Denken des menschlichen Gehirns führt darüber hinaus dazu, dass wir die kurzfristigen Auswirkungen von Innovationen über- und die langfristigen unterschätzen. Wer sich also heute fragt, welche Fähigkeiten nötig sind, um auch morgen noch aktiv am Arbeitsmarkt teilzunehmen, so Professorin Rump, der muss den Fokus auf sich selbst richten. Stichwort: Mindset.
Wer darauf verzichtet, sich entsprechend weiterzuentwickeln, der riskiert, seine Beschäftigungsfähigkeit zu verlieren. Er kann dem Arbeitsmarkt schlichtweg keine Fertigkeiten mehr anbieten kann, die dieser nachfragt. „Es kann dazu kommen, dass eine ganze Reihe an hoch qualifiziertem Personal Arbeit sucht, was gezieltem Re- und Upskilling zum Trotz am Bedarf und der damit verbundenen Nachfrage von Unternehmen vorbeigeht“, sagt Professorin Rump. „Grund dafür ist der Fokus vieler Angebote auf methodisches Anwendungswissen. Benötigte Fähigkeiten, wie den Umgang und die Einordnung der durch innovative Methoden wie künstlicher Intelligenz gewonnener Ergebnisse, werden eher nachrangig vermittelt.“ Deshalb rät Professorin Dr. Rump Arbeitnehmern, den eigenen Fokus zu verändern: Was muss ich tun, um mich auf veränderte Bedingungen flexibel einstellen zu können? Ihre Antwort: „Den Umgang mit Informationen ein Stück weit neu erlernen.“Ein Blick auf neue Berufsbilder, die infolge des technologischen Wandels im Marketing entstanden, zeigt die Gefahr: Vor zehn Jahren waren Berufsbilder wie Content Manager Neuland für Unternehmen. Inzwischen sind digitales und analoges Marketing fest miteinander verwachsen. Ähnlich könnte es auch anderen Berufsbildern ergehen. Grund dafür ist deren ständiger und durch die KI-Revolution exponentiell angeheizter Wandel: Wer sich nicht mitbewegt, dessen fehlende Kompetenzen führen dann auf Sicht zum Verlust der Beschäftigungsfähigkeit.


Was Arbeitgeber tun können


Aber auch Unternehmen müssen jetzt reagieren. Ihnen rät Professorin Dr. Jutta Rump Folgendes:

1. Analysieren Sie Ihren Personalbestand und starten Sie mit einer strategischen Personalplanung, um eine Soll-Ist-Analyse durchzuführen.

2. Nutzen Sie Angebote, wie den Job-Futuromat, um sich einen Überblick über das Digitalisierungspotenzial unterschiedlicher Berufsgruppen anzuschauen.

3. Führen Sie beides in einer Planung zusammen und entwickeln Sie mit jedem Einzelnen einen individuellen Lernpfad.

Klingt einfach? Ist es aber für viele Unternehmen nicht. Dr. Philipp Byers, Fachanwalt für Arbeitsrecht, erläutert den aktuellen Stand in Sachen KI im Arbeitsrecht: „Der Einsatz von KI in der Arbeitswelt steckt verhältnismäßig noch in den Kinderschuhen, sodass es kaum arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu diesen Fragen gibt. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis die deutschen Arbeitsgerichte mit der Thematik ‚KI und das Arbeitsrecht‘ zu zahlreichen Fragen konfrontiert sein werden. Hier wird mit Spannung zu sehen sein, welche Antworten die Arbeitsgerichtsbarkeit auf den Einsatz von KI in der Arbeitswelt geben wird.” Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Technologien durchlaufen einen eher exponentiellen denn einen linearen Anpassungsprozess. Schnelle Reaktionen sind deshalb nötig, um sich bietende Chancen zu nutzen. Für die Arbeitswelt bedeutet dies, dass sich Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber flexibel auf die mitunter rasanten Veränderungen einstellen müssen, um die eigene Beschäftigungsfähigkeit bzw. die unternehmerische Existenzberechtigung zu erhalten.Beide Seiten sind gut beraten, sich intensiv mit der neuen Technologie zu beschäftigen und so der Konkurrenz immer einen Schritt voraus zu sein.
Katharina Heder | redaktion@regiomanager.de

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Prof. Dr. Jutta Rump

Dr. Philipp Byers

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