Recht & Finanzen

Betriebliche Altersvorsorge: Lohngedanken: betriebliche Altersvorsorge

Betriebliche Altersvorsorge clever gestalten – Haftungsfallen meiden.

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von Regiomanager 23.10.2019
(Foto: ©aletia2011 – stock.adobe.com)

Als vor über 60 Jahren die Deutsche Rentenversicherung reformiert wurde, begannen viele Jugendliche mit 14 Jahren ihre Ausbildung und die durchschnittliche Lebenserwartung betrug bei Männern 66,4 und bei Frauen 72,4 Jahre. Mittlerweile nähern wir uns immer mehr dem Punkt, an dem ein Arbeitnehmer rechnerisch in der Hälfte seines Lebens das Geld für die andere Hälfte seines Lebens erwirtschaften muss. Diese Aufgabe ist ohne privatwirtschaftliche Vorsorge nicht zu bewältigen. Der Gesetzgeber hat mit dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) sowie den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Begleitgesetzen einen umfassenden Rahmen für die zweite Säule der Altersvorsorge geschaffen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den neuen Herausforderungen durch die Niedrigzinsphase sowie cleveren Gestaltungsmöglichkeiten bei der betrieblichen Altersvorsorge. Ich gehe aus Gründen der Übersichtlichkeit davon aus, dass keine abweichenden tarifvertraglichen Regelungen bestehen.

Folgen der Niedrigzinsen

Die Auswirkungen der Niedrigzinsphase werden besonders bei aktuellen Vertragsangeboten deutlich. Ich habe im Folgenden einige Werte aus einem aktuellen Vertragsangebot für eine Direktversicherung entnommen. Bitte berücksichtigen Sie, dass es sich bei der Rente um die garantierte Mindestrente handelt.
• Laufzeit: 45,75 Jahre

• Monatsbeitrag: 130,00 €

• Auszahlungsbeginn: 67 Jahre

• Garantierte Rente: 184,23 €
Bei dieser Beispielrechnung muss die versicherte Person älter als 99 Jahre werden, damit sie die eingezahlte Summe wieder herausbekommt. Ohne Niedrigzinsphase läge dieses Alter zwischen 75 und 80 Jahren. Theoretisch wäre es eine Alternative, in Aktien(-Fonds) zu investieren. Doch selbst bei einem seriösen ETF braucht der Anleger gute Nerven, wenn sich nach 20 Jahren im Alter von 50 Jahren plötzlich der Depotwert aufgrund eines Börseneinbruchs halbiert – für eine Langzeitbetrachtung fehlt vielen Arbeitnehmern das Vertrauen. Aus diesem Grund bleibt für die meisten Arbeitnehmer die betriebliche Altersvorsorge die realistischste Alternative, um die Rentenlücke zu verkleinern.

Arbeitgeberhaftung

Durch die Niedrigzinsphase führen Schutzvorschriften, die eigentlich aufgrund unseriöser Praktiken ins Gesetz aufgenommen wurden, dazu, dass redliche Arbeitgeber in die Haftung geraten können: Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG haften Arbeitgeber dafür, dass Arbeitnehmer ihre betriebliche Altersvorsorge in der zugesagten Höhe erhalten, auch wenn diese über Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds abgeschlossen wurde. Das bedeutet, dass bei einer wirtschaftlichen Schieflage der Versicherungsgesellschaft/der Pensionskasse/des Pensionsfonds der Arbeitgeber einspringen muss. Da er nur für die zugesagte Ablaufleistung haftet, sollte er versuchen, diese Mindestzusage zu minimieren – dafür ist die „Beitragszusage mit Mindestleistung“ am besten geeignet. Etwaige Anpassungen erfolgen bei dieser Art der Zusage freiwillig. Weiterhin ist es aus Haftungsgesichtspunkten sinnvoll, eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse, die Mitglied bei der Protektor AG ist, auszuwählen. Das kann auf der Internetseite der Protektor AG überprüft werden. Die Renditeerwartung ist zwar bei Pensionsfonds höher, doch damit ist ein höheres potenzielles Risiko für den Arbeitgeber verbunden. Außerdem muss im Fall der Entgeltumwandlung darauf geachtet werden, dass neben den Versicherungsverträgen auch eine Entgeltumwandlungsvereinbarung abgeschlossen wird. Diese muss gegebenenfalls bei Elternzeit, längerer Krankheit und Beitragsanpassungen angepasst werden. Ansonsten werden aus der Entgeltumwandlung eine unfreiwillige Gehaltserhöhung, weil zwar der Versicherungsvertrag gültig ist, aber der Arbeitnehmer nicht wirksam auf einen Teil seines Gehalts verzichtet hat.

Arbeitgeberwechsel

Wichtig ist, dass sich ein Arbeitgeber darüber im Klaren ist, dass er bei Übernahme einer betrieblichen Altersvorsorge von einem anderen Arbeitgeber auch für die Altverpflichtungen haftet.
Ein Beispiel: Für einen Arbeitnehmer wurde 20 Jahre lang bei einem Arbeitgeber A monatlich 100 Euro in eine Direktversicherung eingezahlt. Danach wechselt er zu Arbeitgeber B, der diese Versicherung übernimmt. Dann haftet Arbeitgeber B auch für die garantierten Leistungen, die auf die 20 Jahre des Arbeitsverhältnisses bei Arbeitgeber A entfallen. Diese Rechtsfolge lässt sich zwar mit einem Wechsel des Versorgungsträgers vermeiden, aber dadurch verschlechtern sich eventuell die Konditionen für den Arbeitnehmer, sodass dieser unzufrieden sein könnte und nicht mehr beim neuen Arbeitgeber arbeiten möchte. Keine Lösung ist es, eine betriebliche Altersvorsorge abzufinden – das ist nach § 3 BetrAVG in den meisten Fällen verboten. Wird dennoch abgefunden, bleibt die Zusage einer betrieblichen Altersvorsorge bestehen, das heißt, der Arbeitgeber bezahlt sie zweimal.

Arbeitgeberanteil bei Entgeltumwandlung

Wenn es sich um eine betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung handelt, regelt § 1 Abs. 1a des BetrAVG, dass der Arbeitgeber 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten muss, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.
Das gilt für Neuverträge ab 2019 und für Altverträge ab 2022. Beispiel: Im Jahr 2010 wurde mit einem Arbeitnehmer eine Entgeltumwandlung zugunsten einer Direktversicherung in Höhe von 100 Euro vereinbart. Dadurch hat der Arbeitgeber in vielen Fällen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von über 20 Euro eingespart, sodass er diesen Vertrag im Jahr 2022 um einen Arbeitgeberanteil von 15 Euro aufstocken muss. In der Theorie ist die Argumentation zumindest nachvollziehbar, in der Praxis ergeben sich viele Detailprobleme: Die Aufstockung muss nur erfolgen, soweit der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge einspart. Angenommen eine Arbeitnehmerin mit betrieblicher Altersvorsorge arbeitet bis zum Jahr 2023 halbtags für 2.700 Euro brutto. Hier spart der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge ein und muss aufstocken. Im Jahr 2024 nimmt ihr Ehemann ein Sabbatjahr und sie arbeitet vorübergehend ganztags und liegt mit Sonderzahlungen mit 75.000 Euro brutto über der Beitragsbemessungsgrenze. Demnach bräuchte für dieses Jahr keine Aufstockung gezahlt werden, bis sie ihre Arbeitszeit wieder reduziert. Noch größere Schwankungen können sich durch Quartalprämien oder Provisionen ergeben. Das können Versicherungsgesellschaften nicht abbilden. Hierzu gibt es derzeit noch keine Lösung. Hinzu kommt, dass Altverträge mit hoher Garantieverzinsung nicht aufgestockt werden können. In diesen Fällen kann entweder ein zusätzlicher Vertrag abgeschlossen oder die Gehaltsumwandlung zugunsten der Arbeitgeberfinanzierung reduziert werden. Wenn in der Vergangenheit bereits ein Arbeitgeberzuschuss gezahlt wurde, kann dieser nach herrschender Meinung nur dann auf die Aufstockung angerechnet werden, wenn das ausdrücklich vereinbart wurde.

Minijobs

Bei Arbeitnehmern auf 450 Euro Basis wird die maximale Arbeitszeit durch den Mindestlohn begrenzt. Wenn diese Arbeitnehmer eine betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung abschließen und auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht verzichtet, sind durchschnittliche Arbeitszeiten von mehr als 15 Stunden in der Woche möglich. Sehr wichtig ist, dass es sich um das einzige Arbeitsverhältnis handelt – Vorsicht bei Elternzeit!

INFO

Aufgrund der demografischen Entwicklung ist die betriebliche Altersvorsorge für viele Arbeitnehmer erforderlich, um die Rentenlücke zu schließen. Leider sind die Haftungsrisiken durch gesetzliche Regelungen und die Niedrigzinsphase erheblich gestiegen. Andererseits erfordert der Fachkräftemangel auch bei der betrieblichen Altersvorsorge eine hohe Flexibilität beim Arbeitgeber. Daher ist es sehr wichtig, mit guten Partnern aus den Bereichen Finanzen, Steuern und Recht zusammenzuarbeiten, um im Team individuelle Lösungen zu entwickeln.

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