Produktion in NRW

Chemie digital

Das Institut für Oberflächentechnologie - HIT bildet eine Schnittstelle zwischen Industrie und Forschung. Sein Open Space Lab ermöglicht neue, digitale Formen chemischer Produktentwicklung.

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von Regiomanager 29.04.2022 Anzeige
Das D-NL-HIT Projekt wurde über die Euregio Rhein-Maas durch das Programm INTERREG-VA gefördert

„Unser Ziel ist Chemie 4.0! Wir bringen Chemie und Digitalisierung zusammen“, ist Professor Dr. Jost Götterts Kernaussage zur Aufgabe des von ihm geleiteten HIT-Instituts für Oberflächentechnologie an der Hochschule Niederrhein. Das Institut stellt, unterstützend für Unternehmen und die Hochschulforschung, ein „Open Lab Space“ zur Verfügung, in dem chemisches Fachwissen mit maschinellem Lernen und einem sich stetig entwickelnden Datenmanagementsystem verbunden wird. Das Open Space Lab nutzt eine automatisiert gesteuerte Versuchsanlage für die Entwicklung neuer Lacke, Beschichtungen und Klebstoffe. Dabei ist ein wesentliches Ziel, nachhaltige und umweltschonende Chemieprodukte auf ressourceneffiziente Weise zu entwickeln.

IT und Chemie
zusammenbringen

„In der Chemie werden bisher noch viele Prozesse auf analoge Weise gestaltet und durchgeführt“, weiß Professor Göttert. „Mit dem HIT-Institut haben wir eine Schnittstelle zwischen IT und Chemie geschaffen – und tragen dazu bei, diese beiden Welten zusammenzubringen“, ist er überzeugt. „Unsere Versuche werden mit einem selbstlernenden Algorithmus gesteuert, mit dem wir schnelle und zuverlässige Ergebnisse in der Materialforschung erzielen können. Wir geben die Basisparameter und gewünschten Materialeigenschaften ein und das System übernimmt die Steuerung der Versuchsreihen. So entsteht Schritt für Schritt das Profil des neuen Materials. Wobei die Anlage nicht den Menschen ersetzt, sondern ein intelligentes Werkzeug für menschliche Forscher und Entwickler ist“, stellt Professor Göttert fest.
Deutliche Zeitersparnis und viel geringerer Materialverbrauch

„Das Gute an unserer Vorgehensweise ist die deutliche Zeitersparnis und ein viel geringerer Materialverbrauch“, erläutert Dr. Carmen Stoffelen-Janßen, die das für die Versuche erforderliche chemische Fachwissen einbringt, während die Anlage technisch von ihrem Kollegen – Elektrotechniker und Informatiker – Lasse Wagner gesteuert wird. „Unsere erste Aufgabe ist es, Kunden die Möglichkeiten unserer Anlage und Methode zu erklären, damit Vertrauen in die Ergebnisse entsteht“, fährt Dr. Stoffelen-Janßen fort. Wenn erkannt wird, was möglich ist, bekommen wir schnell eine große Akzeptanz.“

50 Versuche in zwei bis drei Tagen führen zum Erfolg

„Für die niederländische Firma Drost Coatings haben wir z.B. die Aufgabe übernommen, Mineralölbestandteile in ihren Farben durch nachwachsende Stoffe zu ersetzen“, berichtet sie. „Dabei kann man allerdings nicht einfach einen Bestandteil austauschen. Man muss sicherstellen, dass gewünschte Materialeigenschaften wie Viskosität, Wasserbeständigkeit oder Glanz erhalten bleiben. Das haben wir für Drost mit etwa 50 Versuchen geschafft und fanden dabei sogar Formulierungen mit teilweise besseren Eigenschaften als die fossilen Ausgangsstoffe“, erklärt sie zufrieden. „Für so eine Versuchsreihe hätte man konventionell die fünffache Anzahl an Versuchen benötigt und mindestens das Vierfache an Müll produziert.“

Teil eines grenzübergreifenden Netzwerks und der
innovativen Hochschule

Das Projekt mit Drost Coatings fand im Rahmen des grenzübergreifenden „D-NL-HIT Projekts“ statt, das über die Euregio Rhein-Maas durch das Programm INTERREG-VA finanziell gefördert und von den Projektkoordinatoren Markus Menkhaus-Grübnau und Heike Höltken unterstützt wurde. Hier arbeitet das HIT-Team mit Unternehmen und Hochschulen auf beiden Seiten der deutsch-niederländischen Grenze zusammen. HIT ist als Kooperationsplattform auch Teil des Projektes Leuchtturm Niederrhein, gefördert durch das Programm Innovative Hochschule, der Exzellenzinitiative des Bundes für die Hochschulen der angewandten Wissenschaften. „Wir verstehen uns als Dienstleister für Wirtschaft und Forschung in der Region“, erklärt Markus Menkhaus-Grübnau, Referent für Forschung und Transfer. „Da wir uns mit der Hochschule Niederrhein mitten in der dicht besiedelten Rhein-Ruhr-Region befinden, sind wir auch Teil der ‚TransferAllianz für das Rheinische Revier‘ geworden und arbeiten darüber hinaus mit der Forschungsförderung der Bundes- und Landesregierung sowie der EU zusammen. Überdies ist das HIT auch eine zentrale Basis für technologieorientierte Start-ups in der Hochschule Niederrhein.“

„Wir arbeiten nicht
im Elfenbeinturm“

Das HIT-Institut für Oberflächentechnik versteht sich bewusst in der Tradition der stark anwendungsbezogenen Forschung, wie sie die Fachhochschulen schon lange gepflegt haben. Nicht umsonst nennt sich die Hochschule Niederrhein „University of Applied Sciences“ – also Hochschule für angewandte Wissenschaften. „Im HIT und der gesamten Hochschule Niederrhein gehen wir über die reine Forschung hinaus“, betont Professor Göttert. „Wir arbeiten nicht im Elfenbeinturm, sondern im ständigen Austausch mit der Industrie. Außerdem sind wir ein stark interdisziplinäres Team, in dem neben mir als Physiker und Maschinenbauer Expertinnen und Experten aus der Chemie, Biologie, Informatik und Ökonomie tätig sind. Ich sehe das als Vorbild für unsere gesamte Hochschule, die sich noch deutlich stärker in Richtung Interdisziplinarität entwickeln wird.“

Mehr Nachhaltigkeit in
der Chemieindustrie

Als Hochschulinstitut hat das HIT neben der Forschung eine wichtige Lehraufgabe, die es sowohl für die eigenen Studierenden als auch für Interessenten aus der Wirtschaft wahrnimmt. „Uns geht es darum, ein besseres Verständnis für die digitalen Möglichkeiten in der Chemie zu erzeugen und zugleich das benötigte Expertenwissen zu vermitteln. Die Chemie der Zukunft braucht Chemiker mit IT-Expertise, die in der Lage sind, in Systemen zu denken“, ist Professor Göttert überzeugt. „Das ist für mich auch ein guter Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie. Dazu werden wir konkret unseren Beitrag leisten!“

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Fotostrecke

Das Open Space Lab des HIT-Instituts nutzt eine automatisiert gesteuerte Versuchsanlage für die Entwicklung neuer Lacke, Beschichtungen und Klebstoffe

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