Genügend Parkplätze auf dem Firmenparkplatz, keine Schlangen vor der Kaffeemaschine, gähnend leere Gänge. Wer während der Pandemie den Weg ins Office gemacht hat, fand meist solche Zustände vor. Zunächst sah es so aus, als ob das Homeoffice die Nachfrage und die Preise auf den Immobilienmärkten schwächen würde. Hat es auch eine Weile. Aber trotz Energiekrise und Ukraine-Krieg hat sich der Markt der Büroimmobilien aktuell stabilisiert. Eine Untersuchung der BNP Paribas Real Estate zeigt, dass sich trotz der deutlich gestiegenen geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten die Anmietungen im Frühjahr weiter belebt haben. Insgesamt wurden an den acht untersuchten Standorten Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Leipzig und München im ersten Halbjahr rund 1,82 Millionen Quadratmeter umgesetzt. Damit wurde das Vorjahresergebnis um 34 Prozent übertroffen. Das aktuelle Resultat liegt zudem knapp 10 Prozent über dem 5-Jahres- und 12 Prozent über dem 10-Jahresdurchschnitt. Fazit: Die Märkte bewegen sich im Durchschnitt auf einem Niveau, das dem des Jahres 2018 entspricht.
Für alle deutschen Bürohochburgen verzeichnet die Untersuchung gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg des Flächenumsatzes. An der Spitze liegt München mit einem Plus von 67 Prozent. Berlin ist auf hohem Niveau insgesamt stabil und registriert einen Zuwachs von 8 Prozent. Sehr starke Ergebnisse werden weiterhin für Köln mit plus 45 Prozent und Hamburg mit plus 42 Prozent registriert. Auch Frankfurt am Main verzeichnet ein im langjährigen Vergleich überdurchschnittliches Ergebnis mit einem Plus von 20 Prozent gegenüber 2021.
Mehr Raum zum Denken
Das Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft beantwortet die Frage, wie sich die Gestaltung der Büroräume in Zukunft verändert. „Die anfängliche Homeoffice-Euphorie seitens vieler Arbeitnehmer ist abgeebbt, die Bedeutung des physischen Austauschs mit Kollegen wird wieder mehr geschätzt, zudem zeigt sich, dass Homeoffice das soziale Gefälle verstärken kann, denn nicht jeder verfügt zu Hause über die notwendigen Räumlichkeiten.“ Dennoch werden sich in Zukunft hybride Arbeitsformen etablieren, mit denen neue Anforderungen an die Bürowelten einhergehen. Büros gewinnen als Orte des Austauschs des Netzwerkes und als Treffpunkt an Bedeutung. Die zukünftige Schreibtischarbeit wird sowohl zu Hause als auch in Unternehmensbüros stattfinden, mit einer Differenzierung: Im Homeoffice wird nachgedacht, im Büro kommuniziert. Das bedeutet, dass mehr als vorher Meetingräume im Mittelpunkt der Büroarchitektur stehen werden. Büros benötigen daher zukünftig deutlich mehr Kommunikationsfläche und Meetingräume sowie flexible Raumkonzepte, die nicht zwangsläufig mit einer Reduzierung des Flächenbedarfs einhergehen. Auch Coworking-Angebote können einen weiteren Baustein der neuen Arbeitswelten darstellen – in Großstädten als eine mögliche Nutzung für frei werdende Flächen, aber auch in dezentralen Lagen als Alternative zum Homeoffice.
Tobias Altenbeck, Mitglied der Geschäftsleitung beim Gewerbemakler Brockhoff aus Essen, hat beobachtet, dass die Flächengröße der Gesuche bleibt nahezu unverändert geblieben ist. Dafür sei eine neue Konzeption der gesuchten Flächen deutlich geworden: „Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern nun regelmäßig Homeoffice bzw. flexiblere Arbeitsmodelle an, sodass sich die Grundrissstruktur etwas verändert. Das hatte bereits vor Corona begonnen und ist intensiviert worden. Die Fläche wird mit Ruhebereichen, Kommunikationsecken und großen Küchen ausgestattet, um den Austausch der Mitarbeiter untereinander zu fördern“, so der Büroexperte. Die Belegungsquote, mit denen die Unternehmen planen, sei auch nach Corona bei 0,7-0,9 geblieben. Was auch bei der Anmietung von Büroflächen immer wichtiger werde, ist die Nachhaltigkeit und Erfüllung von ESG-Kriterien von Gebäuden.
Homeoffice bleibt
„Der Homeoffice-Trend ist in Deutschland ungebrochen“, erklärt Professor Dr. Andreas Pfnür von der Technischen Universität Darmstadt, Fachgebiet Immobilienwirtschaft. „Es scheint ganz so, als sei das Thema gekommen, um zu bleiben. Ein, maximal zwei Tage im Büro scheint derzeit für einen Großteil der Beschäftigten die ideale Lösung zu sein.“ Auch wenn das Pandemiegeschehen immer noch mitursächlich für die derzeitige Arbeitssituation ist, so scheinen sich viele Arbeitnehmer auf ein Arbeitsleben zwischen Büro und Wohnung auch aus sozialen und arbeitsbedingten Gründen sehr gut einzurichten. „Derzeit ist für Arbeitgeber ohne eine freizügige Homeoffice-Regelung kaum qualifiziertes Büroarbeitspersonal zu halten oder gar zu finden“, konstatiert Professor Pfnür.
Mittelfristig wird durch den Fachkräftemangel die quantitative und qualitative Nachfrage nach Bürofläche pro Mitarbeiter steigen. „Niemand arbeitet freiwillig in schlechten Büros. Nach der Corona-Erfahrung wird der Arbeitsort für die Employer Brand immer wichtiger.“ Langfristig sieht Professor Pfnür die Büroarbeit durch Digitalisierungsprozesse quantitativ weniger und qualifizierter zugleich. Die auf diese Weise wachsende Wertschöpfung pro Mitarbeiter reduziere die relative Bedeutung von Raumkosten, was für größere und höherwertige Büros spricht. „Gleichzeitig sind auch Büroimmobilien aus ökologischer Sicht sehr problematisch. Jede Immobilie, die wir nicht benötigen, hilft uns die CO2-Bilanz zu verbessern. Die Unternehmen werden sich deshalb sehr gut überlegen, welche Flächen sie zukünftig noch benötigen.“
Das Fazit des Fachmannes: „Summa summarum sieht nach meiner persönlichen Auffassung alles danach aus, dass vor allem hochwertige Büros an Top-Standorten ihre Werte halten werden, bei allen übrigen Objekten sehe ich eine Marktabkühlung kommen mit deutlichen Wertverlusten. Zukünftig scheint es am Büromarkt deshalb deutlich selektiver zu werden.“
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