Mobilität & Logistik

Der Lieferant, dein Partner

Dr. Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin im Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) gibt Einblicke ins Supply Chain Management:

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von Beatrix Kurz 04.04.2024
(© deagreez – stock.adobe.com)

Selbst bewährte Lieferketten können in kurzer Zeit so gestört werden, dass sie nicht mehr funktionieren. Drei Beispiele aus den vergangenen Jahren haben das verdeutlicht: die Lockdowns während der Corona-Krise mit ihren Auswirkungen auf die Produktion und weltweiten Handelswege, der Ukraine-Krieg mit seinen Sanktionen gegen Russland und der hohen Inflation aufgrund gestiegener Energiepreise, und nun beobachten wir die abkühlenden Beziehungen zum wichtigen Handelspartner China. All diese politischen und wirtschaftlichen Risiken fängt der Einkauf auf. Das gelingt nur mit tragfähigen Beziehungen zu den Lieferanten und strategischer Weitsicht, um im Falle der nächsten Krise einen Plan B zu haben.

 

Umfassende Betrachtung

Beim Lieferkettenmanagement geht es darum, den Weg eines Produkts vom Anfang bis zum Ende zu denken. Zunächst einmal müssen Einkäuferinnen und Einkäufer definieren, welche Komponenten benötigt werden und was dem Unternehmen dabei wichtig ist: Eine Hauptrolle spielen dabei Qualität, Preis, Lieferzeit und die Zuverlässigkeit des Lieferanten. Auf diese Weise identifiziert der Einkauf eine oder mehrere Firmen für die Lieferung einzelner Komponenten.

 

Lieferantenauswahl

Nun gilt es, diese potenziellen Partner genauer unter die Lupe zu nehmen, auch mit Probelieferungen: Wichtige Fragen dabei sind für die Beschaffungsabteilungen: Wie lange ist der Lieferant in spe bereits am Markt? Vielleicht war die bisher angefragte Komponente einfach zu fertigen; aber wäre das Unternehmen auch in der Lage, künftige etwaige zusätzliche Spezifikationen problemlos umzusetzen? Welche Risiken gibt es – möglicherweise produziert der Lieferant in oder nahe einer Region mit Bürgerkriegen? Oder gibt es Qualitätsschwankungen beim Lieferanten? Schwarze Schafe bei Lieferanten sprechen sich in Netzwerken wie dem BME oftmals schnell herum oder es geht aus anderen Quellen hervor. Auch Zertifizierungen wie DIN/EN oder ISO helfen dem Einkauf dabei, sich ein objektives Bild über die Qualität und Zuverlässigkeit des Lieferanten zu machen.

 

Überwachung der Leistung

Unerlässlich für Einkäuferinnen und Einkäufer ist es, die Leistung des Lieferanten kontinuierlich und mindestens stichprobenartig zu überwachen und damit sicherzustellen, dass diese dem Vereinbarten entspricht und geltende Standards und Zertifizierungen einhält, vor allem wenn sich neue Standards etabliert haben.
Mitdenken erwünscht

Das Ziel ist eine resiliente Lieferkette, getragen von einer belastbaren, partnerschaftlichen Lieferantenbeziehung. Eine offene und transparente Kommunikation zwischen dem Einkauf und den Lieferanten ist dabei zentral, sodass Probleme – und die kommen garantiert – miteinander gelöst werden können. Will das Unternehmen beispielsweise eine bestimmte Komponente durch eine umweltfreundlichere, wiederverwertbare ersetzen oder die gesamte Produktion in einer Art Kreislaufwirtschaft abbilden, dann hilft eine partnerschaftliche Beziehung des Einkaufs zum Lieferanten, der seinen Kunden versteht und die Lösung mitdenkt.

 

Geben und Nehmen

Auftraggebern „vom Stamme Nimm“, die nur nach dem Motto „Ich gebe dir den Auftrag und nehme dir dein Produkt ab“ funktionieren, wird das nicht gelingen. Statt Zulieferer nur mit Anforderungen und Ideen zu konfrontieren, sollten Auftraggebende auch geben: also Schulungen anbieten, statt nur ein Audit, mit dem man Kontrolle ausübt – oder beispielsweise eine Best Practice aus anderen Bereichen teilen. Wenn der Einkauf dies konsequent lebt, können sich beide Partner gemeinsam weiterentwickeln und zu einer guten Beziehung kommen, zu einem guten Produkt und zu einer belastbaren Lieferkette. So handhaben es bereits viele mittelständische Betriebe. Aber es leuchtet ein, dass die Entwicklung einer solchen Lieferantenbeziehung Zeit und Einsatz braucht – und ein umfassendes Verständnis, an welchen Punkten der Einkauf in der Lieferkette und auch in der Lieferantenbeziehung ansetzen kann. Es ist nicht ein Hebel, sondern es sind sehr viele. Das verdeutlicht gleichzeitig, wie anspruchsvoll die Pflege eines ganzen Netzes von Lieferantenbeziehungen über den Erdball hinweg bei der Herstellung komplexer Produkte ist.

 

Lieferkettengesetz

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) fordert von den Unternehmen, sehr viel tiefer in ihre Supply Chain hineinzuschauen als bisher üblich. Seit dem 01.01.2024 müssen auch Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten und mehr nachweisen, dass sie sich bemühen, die vom LkSG geforderten Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Die geplante europäische Lieferkettenrichtlinie hätte diese Anforderungen um ein weiteres verschärft. Die Einigung in Brüssel ist allerdings gescheitert, da sich nur eine Minderheit der EU-Staaten dafür ausgesprochen hat, während die drei größten EU-Länder, Deutschland, Frankreich und Italien, sich enthalten oder dagegengestellt und damit eine Mehrheit der EU-Staaten mitgezogen haben.

 

Risikomanagement

Risiken einzuschätzen und Eventualitäten vorzubeugen, ist ein wichtiger Bestandteil des Lieferkettenmanagements. Das bedeutet, nicht nur zu schauen: Wo kann das nächste Feuer aufflammen und welches Feuer kann sich zum Flächenbrand auswachsen? Sondern es geht vielmehr um die Frage: Was mache ich dann? Was ist mein Plan B und mein Plan C? Der Einkauf muss sich dafür rechtzeitig um die Diversifizierung seiner Lieferkette bemühen. Dabei hilft die Überlegung: Wie entscheidend ist dieser Lieferant für meine Wertschöpfung? Ist dies eine Komponente, die ich auch ersetzen kann oder die fünf anderen Lieferanten vor meiner Haustür ebenfalls im Angebot haben? Im BME haben wir einen Expertenkreis China. Dort wird über das Decoupling, also die Entkopplung der Wirtschaftsräume China und USA und das „De-Risking“ von China, diskutiert. Die meisten Experten sprechen sich dafür aus, in China zu bleiben, weil hinsichtlich Kosten, Qualität und Lieferzeiten so schnell keine Alternative in Sicht ist. Aber das Problem ist erkannt und immer mehr Unternehmen bemühen sich um ein zweites Standbein.

 

Tipps

Der BME bietet vielfältige Veranstaltungen an, die der Unterstützung und dem Matching zwischen Einkäufern, Dienstleistern und Lieferanten dienen, so etwa die BME-eLÖSUNGSTAGE in Düsseldorf oder das BME-Symposium in Berlin. Ideale Partner sind auch die 79 deutschen Industrie- und Handelskammern sowie die über 90 Auslandshandelskammern, die deutsche Unternehmen konkret bei ihrer Tätigkeit im Ausland unterstützen. Auch die Außenwirtschaftsagentur des Bundes, GTAI, hilft beim Knüpfen von Beziehungen zwischen Einkäufern und Lieferanten. Letztendlich bietet der BME das größte Netzwerk für Einkäuferinnen und Einkäufer, Supply Chain Manager und Logistikverantwortliche an.

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Fotostrecke

(© deagreez – stock.adobe.com)

BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov (Foto: Daniel Baldus/BME e.V.)

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