Karriere

KMU oder Großunternehmen?

Die zentrale Karrierefrage zwischen Mittelstand und Konzern

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von Regiomanager 20.04.2023
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Deutschland ist das Land der KMU: 99,3 Prozent aller Betriebe in Deutschland fielen 2020 unter diese Definition. Doch trotz dieser enormen Anzahl machten KMU im gleichen Zeitraum nur 33,7 Prozent des Umsatzes aus, beheimateten lediglich 54,5 Prozent der Beschäftigten und erwirtschafteten 60,1 Prozent der unternehmerischen Gesamt-Nettowertschöpfung.

Schon diese Zahlen zeigen, dass die rein zahlenmäßig deutlich geringeren Großbetriebe eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen – nicht zuletzt bezogen auf die eigene Karriereplanung. Insbesondere dann, wenn es darum geht, wohin der eigene berufliche Weg nach Ausbildung und ersten Job-Erfahrungen führen soll, kommen viele Fachkräfte nicht um eine Fragerstellung herum: KMU oder Großunternehmen?

Disclaimer: Natürlich gibt es nicht „das“ KMU oder „das“ Großunternehmen. Dennoch lassen sich einige starke Tendenzen ausmachen. Sie mögen zwar von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich ausgeprägt sein, lassen sich jedoch als gute Werte für die charakterlichen und beruflichen Unterschiede zwischen beiden Unternehmensarten heranziehen.

1. KMU und Großunternehmen – (k)eine Frage der Definition

Wie definiert man kleine und mittlere Unternehmen, wo beginnt ein Großbetrieb? Dabei handelt es sich nicht um Fragen mit variablen Antworten, sondern anhand wirtschaftlicher Daten festgelegte Begrifflichkeiten:

Anzahl Mitarbeiter
und/oder
Jährlicher Umsatz

Kleinste Unternehmen 50 Mio. €

Bei KMU müssen also für die jeweilige Einstufung sowohl die Mitarbeiterzahl als auch der Jahresumsatz der Definition entsprechen. Ein Großunternehmen wird im Gegensatz automatisch zu einem solchen, sobald es einen der beiden Faktoren erfüllt.

2. KMU vs. Konzern: Oftmals eine Standortfrage

Was typische Vertreter beider Unternehmensformen anbelangt, so existieren mehrere Unterschiede. Oftmals gerät dabei der Standort aus dem Fokus. Ausnahmen mögen zwar die Regel bestätigen, dennoch gibt es in Deutschland merkliche Unterschiede:

  • KMU sind typischerweise eher im ländlichen, semi-ländlichen und kleinstädtischen Bereich beheimatet.
  • Konzerne dagegen finden sich hauptsächlich in Großstädten der höheren Einwohnerzahlen. .

Was diese Regel-bestätigenden Ausnahmen anbelangt, gibt es wohl kein besseres Beispiel als SAP. Deutschlands in Sachen Marktkapitalisierung größtes Unternehmen ist im baden-württembergischen Walldorf (60.000 Einwohner) ansässig.

Damit einher geht ebenso die Frage, was ein Bewerber im Allgemeinen von seinem Leben erwartet. Wer sich keinesfalls vorstellen kann, in Großstadtnähe zu leben, für den kommen nur wenige Großkonzerne in Frage. Umgekehrt sieht es ähnlich aus. Sowohl Stadt- als auch Landleben haben ihre eigenen Stärken und Schwächen.

3. KMU: Die eher familiären Betriebe im Portrait

Ein KMU ist nicht nur ein Unternehmen mit weniger Mitarbeitern und/oder Umsatz. Es ist in einer viel breiteren charakterlichen Hinsicht eine eigenständige Arbeitswelt, die keine Entsprechung bei Konzernen hat.

Positiva:

  • Durch die eher geringe Größe ist in KMU alles sehr zentral und für den täglichen Beruf präsent. Vorgesetzte, Kollegen, Produkte, Dienstleistungen und nicht zuletzt die Kunden liegen für die hier Arbeitenden im ständigen Fokus. Dadurch wird es viel leichter sichtbar, welchen Wert und welche Auswirkungen die eigene Arbeit haben.
  • In vielen KMU geht es durch diese relative Übersichtlichkeit recht familiär zu. Zwar sind Hierarchien durchaus existent (und mitunter steil), allerdings sorgt die Nähe für einen insgesamt persönlicheren, sichtbareren Kontakt zu allen Beteiligten. Nicht zuletzt werden zumindest die tatsächlich familiengeführten KMU häufig auf eine nachhaltige, konservative und dadurch wirtschaftlich sichere Weise geführt.
  • Thema Start-up: Wer gerne in einem Unternehmen von Anfang an seinen Beitrag leisten möchte, kommt schlicht nicht umhin, sich am unteren Ende der KMU-Definition umzusehen.
  • KMU sind zwar wirtschaftlich oft erfolgreich, haben jedoch vielfach nicht die Mittel, um eine umfassende Manpower aufzustellen. Die tägliche Arbeit ist deshalb von Flexibilität, Vielfalt und Eigenständigkeit geprägt. Aus demselben Grund bestehen hier Aufstiegschancen.

Negativa:

  • Der familiäre Charakter vieler KMU sorgt häufig dafür, dass nicht allein die beruflichen Fähigkeiten über Chancen und Aufstiege entscheiden, sondern persönliche Zu- und Abneigungen.
  • Es bleibt meist nicht genügend Zeit, um Neueinstellungen umfassend einzuarbeiten. Je nach KMU mangelt es sogar an generellen Onboarding-Konzepten. Dadurch wird man oft schon frühzeitig mit viel Verantwortung beauftragt.
  • Aufgrund der Notwendigkeit zu hoher beruflicher Flexibilität finden sich KMU-Mitarbeiter häufig in Situationen wieder, in denen viele ihrer täglichen Aufgaben sehr breit und frei aufgefächert sind. Dadurch geht der Fokus auf die eigentliche Job-Beschreibung (etwas) verloren. Recht frei gestaltete Tätigkeitsbeschreibungen im Arbeitsvertrag legalisieren das.
  • Das Verhältnis von Vergütung bezogen auf die Leistung ist oftmals schlechter als in Konzernen.

4. Großunternehmen: Arbeiten in einer faszinierenden Wirtschaftsmaschine

Wie bereits weiter oben erwähnt: Ein Großunternehmen muss nicht automatisch ein Konzern mit tausenden Mitarbeitern sein – es genügen definitionsgemäß 250 Mitarbeiter oder mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Naturgemäß gibt es daher gerade bei den kleinen Konzernen viele Schnittmengen mit KMU. Allerdings haben selbst diese „Klein-Großunternehmen“ durch ihr Standing einige sehr eigenständige Faktoren bezogen auf das Arbeiten. Diese werden naturgemäß umso ausgeprägter, je größer das Unternehmen tatsächlich ist.

Positiva:

  • Großunternehmen können es sich leisten (und benötigen es), ein sehr breites Feld unterschiedlichster Tätigkeitsfelder abzudecken. Allein, was den Bereich IT anbelangt, gibt es hier verschiedenste Positionen zu besetzen, sogar nach bisheriger Berufserfahrung unterscheidend. Das ermöglicht nicht nur ein zielgerichtetes Bewerben, sondern garantiert praktisch, nur das zu machen, wofür man sich tatsächlich beworben hat. Plus: Durch die enorme personelle Vielfalt gibt es hier genügend Arbeitsplätze, die mit dem eigentlichen Produkt wenig bis gar nichts zu tun haben.
  • Durch die Aufteilung in verschiedene Abteilungen ist das Arbeiten in Großunternehmen längst nicht so anonym, wie es auf den ersten Blick den Anschein erwecken mag. In der Praxis sind selbst verschiedene Abteilungen eng miteinander vernetzt. Erst jenseits davon zeigt sich die Größe des Betriebs.
  • Großunternehmen können durch ihre finanzielle Potenz sehr viel Geld in sämtliche Belange investieren. Anders formuliert: Mangel oder Improvisationszwänge kennen Mitarbeiter hier eher selten.
  • Großbetriebe sind stark an ständigen Optimierungen interessiert. Nicht nur sind deshalb die Entgelte typischerweise höher, sondern es existieren verschiedenste Zusatzangebote. Diese reichen von diversen Fort- und Weiterbildungsangeboten bis hin zu betriebseigenen Fitnessprogrammen und Ähnlichem. Alles Dinge, die sich nur dann rentieren, wenn es genügend Menschen im Unternehmen gibt.
  • Viele Großunternehmen sind heute voll in die Globalisierung eingebunden. Nicht für alle, aber dennoch viele Positionen bedeutet das, im täglichen Business weit über die Grenzen des eigenen Standortes hinauszugehen.

Negativa:

  • Generell sind solche Betriebe weniger flexibel. Außerdem bekommen hier Themen wie Planung, Controlling und Reporting einen viel größeren Stellenwert, um das Unternehmen auf den richtigen Kurs zu bringen und zu halten. Zusammen mit den notgedrungen, relativ steilen und vor allem breiten Hierarchien kann sich das recht bürokratisch anfühlen.
  • Durch die Größe ist es gerade für Neueinsteiger oft schwierig, das große Ganze zu überblicken. Dadurch kann es erschwert werden, sich sowohl mit seiner eigenen Arbeit als auch dem Unternehmen insgesamt zu identifizieren.
  • Für die Besetzung von Positionen werden meist nüchterne Belange zwischen Vorbildung und Erfahrung herangezogen. Das kann es schwieriger machen, sich beim Aufstieg gegen Konkurrenten durchzusetzen.
  • Es mag zwar Abteilungen in Konzernen geben, die sehr familiär sind, allerdings findet sich der typische „Start-up-Geist“ hier praktisch nirgendwo.

5. Zusammengefasst

Wo arbeitet es sich nun besser: im KMU oder im Großunternehmen? Tatsächlich muss jeder für sich selbst beschließen, welche Faktoren ihm in seiner Karriere am wichtigsten sind. Für den einen mag ein sehr familiäres Umfeld wichtiger sein als ein maximal hohes Gehalt. Andere hingegen wollen nicht ständig zu Flexibilität gezwungen sein, sondern sich ganz auf ihre eigentliche Arbeit fokussieren.

Die Entscheidung zwischen KMU und Konzern ist deshalb im Höchstmaß persönlich – sollte aber just deshalb sehr genau abgewogen werden.

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