Fest verbaut sind nur der Boden, die Wände und das Dach. Alles andere ist beweglich und vernetzt. Maschinen fahren nach Bedarf rein oder raus, Montagelinien vergrößern oder verkleinern sich, autonome Transportroboter beliefern Mitarbeiter mit Bauteilen. Roboter arbeiten mit menschlichen Kollegen Schulter an Schulter und nehmen ihnen gefährliche oder anstrengende Tätigkeiten ab. Die Energieübertragung erfolgt kabellos über Induktionsschleifen im Hallenboden. Mitarbeiter, Maschinen und Komponenten sind über intelligente Softwaresysteme und mobile Endgeräte vernetzt. Ultraschnelles 5G-Funknetz ermöglicht den Austausch von Informationen in Echtzeit, künstliche Intelligenz (KI) steigert die Produktqualität dank frühzeitiger Fehlererkennung. Mitarbeiter werden entlastet und haben mehr Zeit, um zum Beispiel Algorithmen zu programmieren, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln oder weitere kreative Aufgaben zu übernehmen. Noch sind diese Ideen Visionen, aber so sieht die Fabrik der Zukunft aus. Sie wird Gesicht und Funktion komplett ändern, wird ein Zusammenspiel von Hardware, Software und Services sein.
Vernetzte Welt wächst
Die vernetzte Welt ist längst da und sie wächst jeden Tag. In Autos, Roboterarmen oder Waschmaschinen, aber auch vielen anderen technischen Produkten stecken heute winzige Computer, die wichtige Funktionen steuern und das Leben erleichtern. Diese Systeme werden mehr und mehr mit dem Internet verbunden. Bis 2030 sei mit einem Anstieg digital vernetzter Objekte auf 125 Milliarden zu rechnen, listet der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) auf. Für BDI-Präsident Siegfried Russwurm ist das ein Ansporn. „Wir wollen weiter Ausrüster der Welt sein. Analog zum Unternehmen sehe ich Deutschland als Fertigungsvorbereitung der Welt. Das Teilen von Information auch zwischen Unternehmen und Kunden hat in Deutschland lange Tradition“, erinnert der BDI-Präsident daran, dass das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten, kommunizieren und miteinander umgehen, deutlich verändern wird.
Noch gibt es Skeptiker, aber auch Vorreiter. Eines der führenden deutschen IoT-Unternehmen ist Bosch. Das Unternehmen digitalisiert und vernetzt eigene Werke, bietet maßgeschneiderte Lösungen für Kunden und optimiert Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter. „Das Erfolgstrio für die Fabrik der Zukunft besteht aus Mensch, Maschine und Daten“, sagt Dr. Stefan Hartung. Der Bosch-Geschäftsführer wagt einen Blick in die schlaue, schlanke und flexible Zukunftsfabrik: „Mit Industrie 4.0 verbessern wir Arbeitsabläufe und sorgen für höhere Produktivität“, so Hartung. Er weiß, dass Roboter manchen Arbeitsplatz ersetzen werden – „gleichzeitig entstehen an anderer Stelle insgesamt mehr Jobs. Der Mensch bleibt im Industrie-4.0-Zeitalter unverzichtbar“, ist Hartung überzeugt.
Vernetzung über Grenzen
Die vierte industrielle Revolution in Deutschland wurde vor zehn Jahren ausgerufen. Nach Dampfmaschine, Fließband und Computer reiht sich nun die intelligente Fabrik ein und verknüpft die industrielle Produktion mithilfe modernster Informations- und Kommunikationstechnik auf intelligente Weise. Vernetzung findet aber nicht nur innerhalb von „intelligenten Fabriken“ statt, sondern auch über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg zwischen verschiedenen Akteuren der Wirtschaft: vom mittelständischen Logistikunternehmen über spezialisierte technische Dienstleister bis hin zu kreativen Start-ups. So können Produkte nach individuellen Kundenwünschen hergestellt werden: Sportschuhe mit maßgeschneiderter Sohle und in vom Kunden gewähltem Design oder ein passgenaues und individuell gestaltetes Möbelstück. Industrie 4.0 macht es möglich, Einzelstücke zum Preis von Massenware zu produzieren, und das in höchster Qualität. Technische Grundlage hierfür sind intelligente, digital vernetzte Systeme und Produktionsprozesse, die dabei die gesamte Lebensphase eines Produktes begleiten: von der Idee über die Entwicklung, Fertigung, Nutzung und Wartung bis hin zum Recycling.
Herausforderungen
Mittlerweile setzen 62 Prozent der Unternehmen in Deutschland Industrie-4.0-Anwendungen ein. „Industrie 4.0 gestaltet effizientere und nachhaltige Wertschöpfungsketten, bietet neue Geschäftsmodelle und schafft Arbeitsplätze in Deutschland“, so Dr. Bernhard Rohleder.
Aber auch er wisse, dass noch viel zu tun sei: Trotz der Verbreitung von Industrie-4.0-Lösungen in den Fabrikhallen stuften sich aktuell zwei Drittel der Unternehmen (66 Prozent) als Nachzügler oder als bereits abgehängt ein. Die Hemmnisse für den Einsatz von Industrie-4.0-Anwendungen hätten sich in den vergangenen Jahren praktisch nicht verändert, mahnt der Branchenverband. Die größten Herausforderungen seien fehlende finanzielle Mittel (77 Prozent), Anforderungen an den Datenschutz (61 Prozent) und an die IT-Sicherheit (57 Prozent) sowie der Fachkräftemangel (55 Prozent). Der Bitkom-Hauptgeschäftsführer fordert nun, die digitale Transformation schneller voranzubringen: „Das produzierende Gewerbe ist das Herz der deutschen Wirtschaft und da müssen wir die Schlagzahl erhöhen. 95 Prozent der deutschen Industrieunternehmen sehen Industrie 4.0 als Chance für das eigene Geschäft. Industrie 4.0 ist die Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und damit für die Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Chancen sind riesig und dem an Ressourcen armen und an Know-how reichen Standort Deutschland kann nichts Besseres passieren als die Digitalisierung in der Industrie.“Reinhold Häken
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