Täglich findet sich der Wohnungsbau in den Medien wieder. Es geht um die Frage, wie man möglichst schnell den Wohnungsmangel in Großstädten und Ballungsräumen zu bezahlbaren Mieten beheben kann:
1,5 Millionen Wohnungen sollen bis 2020 entstehen – 375.000 im Jahr. 2017 waren es 285.000, in 2018 werden es 300.000 Wohnungen, 2019 sollen es 315.000 werden. Will man das Ziel noch erreichen, müssten 2020 ca. 600.000 Wohnungen neu gebaut werden – was angesichts voller Auftragsbücher und des großen Fachkräftemangels in der Bauindustrie auch beim besten Willen nicht zu schaffen ist. Das Thema betrifft alle Akteure, die in der Verantwortung stehen: Wohnungsverbände und -gesellschaften, Projektentwickler, Investoren und Baufirmen, Verwaltung, Stadtplaner und Architekten – und die Politik:
Kostensenkungskommission, „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“, der Wohngipfel bei der Kanzlerin im September: Die Politik hat sich des Themas angenommen. Neue Förderprogramme werden mit finanziellen Mitteln ausgestattet, Länder und Kommunen entwickeln Strategien, wie sie den Druck auf den Wohnungsmarkt sozial ausbalancieren können.
Chancen und Verantwortung
Zugleich bietet sich die Chance, in den Städten eine neue, lebenswerte Urbanität zu schaffen. Bei aller gebotenen Eile dürfen dabei die Fehler der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts nicht wiederholt werden! Auch damals mussten die Städte unter Zeitdruck neuen Wohnraum bereitstellen. Der Blick für urbane Vielfalt, städtebaulichen Maßstab und architektonische Qualität ging dabei oft verloren. Eine große Verantwortung in diesen Fragen fällt den Architekten zu. Gemeinsam mit ihren Bauherren sollen sie qualitätsvollen Wohnraum schaffen: kostenbewusst, gestalterisch anspruchsvoll und nachhaltig. Und das bitte schnell.
Seriell-modulares Bauen
Dafür gilt es, neue Konzepte zu entwickeln. Fast vergessen schienende Ideen werden wiederentdeckt und mit Blick auf heutige Möglichkeiten weiterentwickelt: serielle Vorproduktion, modulares Bauen.
Auch die Politik hat diese Bauweise entdeckt. Im Sommer 2017 wurde der europaweite Ausschreibungswettbewerb „Seriell-modulares Bauen für den Wohnungsbau“ gestartet – unter Federführung des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW sowie der Beteiligung des Bundesbauministeriums, der Bauwirtschaft wie der Bundesarchitektenkammer. Der „Preis“ für die Gewinner ist ein Rahmenvertrag mit dem GdW, auf den seine Mitglieder und die seiner Landesverbände für ihre Projekte zugreifen können. Teilnehmen konnten Kooperationen aus Unternehmen der Bauwirtschaft und Architekten. Von über 50 Bewerbern wurden 15 zum Verfahren zugelassen, 9 von ihnen erhalten als Sieger des Wettbewerbs den Rahmenvertrag. Das Essener Büro KZA und die Firma ALHO aus Morsbach gehören mit ihrem Konzept eines modularen Systembaukastens dazu.
KZA und ALHO
Während ALHO seit über 50 Jahren das Bauen mit aus freitragenden Stahlrahmen gefertigten Raummodulen erfolgreich und innovativ entwickelt und sich bundesweit einen hervorragenden Namen gemacht hat, setzen sich die Essener Architekten seit gut drei Jahren intensiv mit der Thematik auseinander. KZA hatte im Wohnungsbau bereits einen guten Namen, als sie von VONOVIA den Auftrag erhielten, ein Konzept für den seriellen Wohnungsbau zu entwickeln, mit dessen Hilfe in großer Stückzahl, aber auch in angemessener Qualität und Gestaltung neue Wohnungen für Mieter unterer und mittlerer Gehaltsgruppen gebaut werden sollen. Serielle Produktion sollte dabei sowohl Zeit in der Realisierung wie durch Skaleneffekte Kosten in der Erstellung einsparen. Gesucht war ein Konzept, mit dem unterschiedlichste Wohnungen und Gebäudetypen konfiguriert und bundesweit im Zuge der Nachverdichtung eigener Grundstücke gebaut werden können.
Das Team von KZA begann mit dem Nukleus des Wohnens: den einzelnen Räumen. Es galt, jedes „…das war schon immer so…“ zu hinterfragen und jedem „…das haben wir noch nie gemacht…“ ein „…warum eigentlich nicht…?“ entgegenzustellen. Das betraf auch die Größe der Wohnungen: Der über Jahre gewachsene Flächenbedarf je Bewohner ist ein Grund für die Kostensteigerungen im Wohnungsbau. Zugleich galt es, Planungs- und Bauablauf neu zu strukturieren und digitale Prozesse wie BIM aktiv zu nutzen.
Der Blick auf den Wohnungs-Nukleus führte im Zuge der Entwicklung zu Konzepten mit Raummodulen und damit zum Kontakt zwischen Architekt und Herstellern. Neben anderen realisierte ALHO auf Basis der von KZA entwickelten Konzeption erste Wohnungsbauprojekte für VONOVIA im Ruhrgebiet und in anderen Bundesländern. Auf Grund der gemeinsamen guten Erfahrungen bewarben sich KZA und ALHO als Partner um die Teilnahme am GdW-Wettbewerb.
Architekt trifft Industrie: Das Konzept für den Erfolg
So wie KZA Bauindustrie und Hersteller früh in seine Projekte einbindet, sucht ALHO immer wieder Kooperationen mit externen Architekten, um das eigene Produkt weiterzuentwickeln. So fanden sich zwei Partner, die schnell Verständnis für die Erfordernisse des Anderen hatten, diese in ihre Ideen einbinden und gemeinsam zu einem erfolgreichen Ergebnis führen konnten. Während im Detail die vertikalen Schächte optimiert wurden, um eine große Varianz in der Gestaltung der Grundrisse zu erhalten, wurden die Maße der Raummodule so zugeschnitten, dass eine große Vielfalt an Gebäudetypologien möglich ist, um aus dem Nukleus „Raummodul“ auf möglichst viele standortspezifische Vorgaben reagieren zu können – und trotzdem „in Serie“ zu denken und zu produzieren.
„Individualität in Serie“ ist daher ein Leitsatz des erfolgreichen Konzeptes: Keines der über 40 Projekte, die KZA inzwischen bundesweit im Bereich des modularen Bauens betreut hat, gleicht dem anderen. Neben individuellen Anforderungen der Bauherren sind es lokale Vorgaben, die Anpassungen und neue Konfigurationen erforderlich machen. Der Ansatz von KZA und ALHO, die Projekte aus dem Modul heraus zu konzipieren und daraus die Wohnungen und Gebäude zu konfigurieren, stellt sich daher immer wieder als richtig heraus. Die große Varianz an Gebäude- und Erschließungstypologien eröffnet zugleich verschiedenste Möglichkeiten einer anspruchsvollen Architektur.
Fragen, Antworten und Ausblick
Angesichts vieler Fragen zum modularen Bauen erläutern KZA und ALHO aktuell bundesweit im Rahmen von Tagungen und Kongressen ihr Konzept, so auch in drei Vorträgen im Rahmen der EXPO REAL 2018. Inzwischen haben erste konkrete Gespräche mit Wohnungsunternehmen über gemeinsame Projekte stattgefunden – auch mit privaten, die frei vom Rahmenvertrag ihre Projekte auf Basis des modularen Konzeptes umsetzen können. Am Ende werden es gute gebaute Beispiele sein, die darüber entscheiden, ob die modulare Bauweise im Wohnungsbau nachhaltig umgesetzt wird. Das Konzept von ALHO und Koschany + Zimmer Architekten KZA bietet dafür optimale Voraussetzungen.
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