Ob Kickertische oder „Bällebäder“ – viele Firmen aus dem Silicon Valley lassen sich in ihren Unternehmenszentralen einiges für die Mitarbeiter einfallen. Dass das elektronische Equipment immer up to date ist, versteht sich von selbst. Doch auch in diesen Büros benötigen die Angestellten Sitzgelegenheiten und Tische, um konzentriert arbeiten zu können. Zumindest in dieser Hinsicht ist ein hippes Tech-Unternehmen vom südwestfälischen Steuerberater kaum zu unterscheiden.
Die knapp 100 Unternehmen der deutschen Büro- und Objektmöbel-Industrie mit ihren knapp 14.000 Beschäftigten erwirtschafteten 2018 ein Produktionsvolumen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Die Umsätze sind in den vergangenen fünf Jahren mit einem Gesamtzuwachs von 25 Prozent deutlich gestiegen. „Die Umsatzzuwächse der vergangenen Jahre beruhten zunächst darauf, dass große Unternehmen in neue Einrichtungen investierten, um sich fit für ‚New Work‘ zu machen“, sagt Hendrik Hund, Vorsitzender des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt eV (IBA).
Seit zwei bis drei Jahren ziehe auch der Mittelstand nach. „Deutlich erhöht hat sich, vor allem in den beiden letzten Jahren, mit einem Plus von 14 Prozent die Beschäftigtenzahl“, so Hund weiter. Die Anzahl der Unternehmen habe sich dagegen im niedrigen einstelligen Prozentbereich verringert. Grund hierfür seien Unternehmenszusammenschlüsse auf europäischer Ebene. An dem mittelständischen Charakter der Branche hat das aber laut Hund nichts geändert. Die meisten Unternehmen befinden sich nach wie vor in Familienhand.
Sitz-Steh-Arbeitstische im Trend
„Traditionell sind Arbeitstische, Container und Drehstühle der stärkste Umsatzbringer für unsere Branche“, sagt der IBA-Chef. Ihr Anteil liegt aktuell bei etwa 58 Prozent der für den deutschen Markt produzierten Produkte. Hund zufolge schlägt sich hier das neu erwachte Gesundheitsbewusstsein aufseiten der Kunden nieder. „Gefragt sind nämlich in erster Linie sogenannte Sitz-Steh-Arbeitstische, die den Wechsel zwischen Tätigkeiten im Sitzen und im Stehen ermöglichen, und seit einiger Zeit verstärkt Drehstühle für dreidimensionales Sitzen“, so Hund. Etwa ein Viertel der Umsätze entfällt auf Schränke und Raumgliederungen. Neben ihrer Grundfunktion als Stauraum können Schränke Hund zufolge Räume strukturieren und mit entsprechender Ausstattung die Raumakustik verbessern.
Etwa 17 Prozent der Umsätze erzielt die Büromöbelbranche damit, Kommunikationsbereiche auszustatten. „Deren Anteil ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, weil neben klassischen Besprechungsräumen andere Bereiche für den spontanen Austausch, für Projektarbeit und Workshops getreten sind“, so Hund weiter. Als Zonen für spontane oder kurzzeitige Kommunikation können Hund zufolge zum Beispiel sogenannte kleine Coffeepoints oder ausgedehnte Sitzlandschaften dienen. Bei diesen Möbeln erwartet der IBA-Chef einen weiteren Zuwachs. Definitiv nicht mehr modern sind laut Hund nach dem Prinzip des Taylorismus ausgestattete Arbeitsplätze, an denen bis hin zum Drucker und der Kaffeemaschine alles im Greifraum des Nutzers liegt.
Flexible Konzepte und Möbel
Insbesondere Konzepte für flexible Office-Landschaften liegen laut der Marketmedia-Studie außerdem im Trend sowie Lösungen, die sich unkompliziert auf individuelle Bedürfnisse einstellen lassen. Büromöbel müssen der Studie zufolge als Teil einer ruhigen Arbeitsumgebung für fokussiertes Arbeiten, bei Meetings, als kreative Arbeitsstätte und als Ruhezone eingesetzt werden können. Die Hersteller investieren außerdem in digitale Prozesse. „Wir nutzen beispielsweise Sensoren, die in Möbeln eingebaut sind, um Räume zu beleuchten und zu klimatisieren, oder auch als ‚Personal Coach‘, der dem Nutzer Hinweise gibt, wann es Zeit wäre, sich mal wieder ein bisschen zu bewegen“, so Hund.
Wie moderne Arbeitswelten gestaltet werden sollten, damit haben sich auch die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in der Studie „Office Analytics“ beschäftigt. Eine Angebotsvielfalt an unterschiedlichen Arbeitsplatzsituationen im Büro unterstützt laut der Studie unterschiedliche Arbeitsstile und fördert Mitarbeiter darin, auf Ideen und Lösungen zu kommen. Auch der Faktor Selbstbestimmung sei dabei von enormer Bedeutung. „Es gibt nicht die perfekte Immobilie oder Arbeitsumgebung“, so die Forscher des IAO in der Studie vom April 2018 weiter. Daher sei eine systematische Analyse der Mitarbeiter- und Organisationsstruktur zwingend erforderlich, um Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Weiteres Wachstum in 2019 und 2020
Für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 rechnen die Marktforscher von Marketmedia24 mit einem weiteren Wachstum der deutschen Büromöbelbranche. Die Gestaltung von Büroarbeitsplätzen spielt aus ihrer Sicht auch eine entscheidende Rolle im „War for talents“. Daher stünden „die Zeichen für die Einrichtung privater und professioneller Büros gut“. Als Ziele der Branche nennt die Studie unter anderem Kosteneinsparungen, Materialoptimierung, Vertriebskooperationen im In-und Ausland sowie den Trend zu nachhaltigen Produkten. Seit Ende 2018 weist das europäische „Level“-Siegel Produkte aus, die Nachhaltigkeitsstandards wie „Material“ erfüllen, die in der öffentlichen Beschaffung verwendet werden. Mittlerweile wurden laut IBA knapp 100 Produkte verschiedener Hersteller mit dem höchsten „Level-3″-Siegel ausgezeichnet.
Barbara Bocks| redaktion@regiomanager.de
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