Management

Konjunkturausblick 2022: Aufschwung unter Vorbehalt

2021 war weltweit für alle Branchen herausfordernd.2022 könnte besser werden, wenn die Entwicklung der Corona-Pandemie mitspielt und die internationalen Lieferketten.

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von Regiomanager 17.12.2021
© Travel mania – stock.adobe.com | Barbara Bocks

„Die Konjunktur steht gerade vor dem Scheideweg“, sagt Dr. Matthias Mainz, Geschäftsführer der IHK NRW – Die Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen e.V. „Die langfristigen Aussichten sind sehr gut, aber die kurzfristige Konjunkturentwicklung ist sehr volatil“, so der Experte. Sie hängt u.a. von den derzeit wieder ansteigenden Corona-Inzidenzwerten und den beschlossenen Maßnahmen ab. Mittlerweile ist die Industrie in NRW aus Sicht von Dr. Mainz zwar gut auf die kommenden 2G-, 2G+- und 3G-Regeln vorbereitet. „Aber gerade kleinere Betriebe haben beispielsweise Schwierigkeiten, die Tests durchzuführen oder die Abstandsregeln einzuhalten“, erklärt er. Tägliche Tests vor den Schichten in einem Drei-Schicht-Betrieb stellen beispielsweise viele Industrieunternehmen vor eine logistische Herausforderung.


NRW-Wirtschaft könnte 2022 um 4,5 Prozent wachsen


Die Experten des RWI gehen im Konjunkturbericht Nordrhein-Westfalen, der im November erschienen ist, von einem Wachstum im kommenden Jahr in Höhe von 4,5 Prozent aus. Für das produzierende Gewerbe ohne die Baubranche prognostizieren die RWI-Experten für NRW in dem Bericht für das kommende Jahr sogar einen Zuwachs in Höhe von 7,1 Prozent.
„Der Auftragseingang steigt schon seit Januar, auch in NRW, sehr stark, weil es derzeit hierzulande noch Nachholeffekte gibt“, sagt Jens Becker, Konjunkturanalyst bei der NRW.Bank. Zuvor hatte der Lockdown im Frühjahr 2020 die Industrie massiv getroffen, weil viele Fabriken geschlossen werden mussten. Seit vergangenem Jahr konnten die Firmen die Produktion laut Becker aber wieder hochfahren. „Der kurzfristige Konjunkturausblick für die kommenden Monate sieht allerdings aufgrund der vierten Welle der Corona-Pandemie etwas schlechter aus“, sagt Becker.


Pandemie und Materialeng-
pässe behindern die Erholung


„Die Corona-Pandemie und Materialengpässe sind derzeit die beiden bestimmenden Einflussfaktoren, die dafür sorgen, dass sich die Erholung der Konjunktur in der NRW-Industrie nicht so schnell fortsetzt wie noch vor einiger Zeit vermutet“, sagt auch Dr. Dirk Schlotböller, Leiter des Referats Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik und des Kapital- und Finanzmarktes, volkswirtschaftliche Analysen im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie von Nordrhein-Westfalen.


Nachschubprobleme
bei Halbleitern und
elektronischen Bauteilen


„Generell gibt es deutschlandweit große Materialengpässe“, sagt Becker. Bei vielen Rohstoffen gibt es derzeit Dr. Mainz zufolge weltweit eine exponentiell steigende Nachfrage, da viele Firmen über gut gefüllte Auftragsbücher verfügen. Für Lieferanten lohnt es sich Dr. Schlotböller zufolge bei steigenden Preisen, Zusatzschichten zu fahren und Kapazitäten aufzustocken. Wegen der Engpässe müssen viele Betriebe Aufträge strecken. „Neben Halbleitern warten viele Firmen derzeit vor allem auf elektronische Bauteile“, erklärt Jens Becker.
„Halbleiter sind momentan besonders rar, weil sie durch die Digitalisierung stärker nachgefragt werden und die Kapazitäten für die Herstellung derzeit nicht vorhanden sind“, erklärt Dr. Schlotböller. Es könnte aus Sicht des Experten „auch noch einige Zeit dauern, bis dieses Problem behoben ist“. „Auch andere Rohstoffe wie Holz, Aluminium und Stahl sowie viele Energierohstoffe sind derzeit knapper und werden damit teurer“, erklärt er weiter. Manche sind derzeit auch gar nicht verfügbar.
„Internationale Handelskonflikte wie der Brexit veranlassen viele Industriefirmen in NRW derzeit dazu, sich darüber Gedanken zu machen, wie sie Globalisierung kleinteiliger und innovativer denken können“, beobachtet Dr. Mainz aktuell. Sie entwickeln derzeit beispielsweise alternative Lieferketten, auf die sie zurückgreifen können, „falls es erneut zu einem Stau auf dem Suezkanal kommen sollte oder sich die Spannungen zwischen den USA und China zuspitzen“, so Dr. Mainz weiter.


Beschäftigung hat zugenommen


Weil die Wirtschaft gerade wieder anspringt, steigt auch die Beschäftigung wieder. Und sie hat in Nordrhein-Westfalen Dr. Schlotböller zufolge insgesamt zugenommen. In der Industrie gehe sie aber zurück, da viele Betriebe wegen der Materialengpässe Kurzarbeit anmelden mussten. Und der Fachkräftemangel führt laut einer Umfrage der NRW.Bank für 30 Prozent der Unternehmen weiter zu Problemen in der Produktion. Viele Industrieunternehmen wollen daher im kommenden Jahr wieder mehr hoch qualifizierte junge Fachkräfte einstellen, da viele ältere Beschäftigte in Rente gehen. „Sie tun sich allerdings schwer, Fachkräfte und Auszubildende zu finden“, so Dr. Mainz.
Erfreulich ist, dass die Industrie in NRW mittlerweile ihre Investitionslücke geschlossen hat. Die NRW-Betriebe hatten Dr. Schlotböller zufolge „jahrelang weniger investiert als Firmen im bundesweiten Vergleich“. Das habe sich mittlerweile geändert und wird sich aus seiner Sicht auch in den kommenden Jahren so fortsetzen. „Der Industriesektor in NRW ist stabil und für die Wirtschaftskraft in NRW entscheidend“, ergänzt Dr. Mainz.


Digitalisierung und Nachhaltigkeit bleiben wichtige Themen


Auch die Digitalisierung bleibt auf der Agenda der Firmen und die Corona-Pandemie hat dafür aus Dr. Schlotböllers Sicht als Beschleuniger gewirkt. Auch mit dem anvisierten Kohleausstieg bis 2030, den die Politik beschlossen hat, beschäftigen sich die Industriefirmen aktuell. „Gerade NRW, das beispielsweise mit der Metall verarbeitenden Industrie und vielen Zulieferern im Automotive-Bereich sehr industriell geprägt ist, steht hier vor einer großen Herausforderung“, sagt Dr. Mainz. Viele Industriefirmen müssen dem IHK-Experten zufolge aktuell strategische Entscheidungen mit Auswirkungen auf die kommenden zehn Jahre treffen, beispielsweise, ob sie auf Wasserstoff oder eine Alternative umsteigen. „Die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft ist kein neues Thema für die Betriebe in NRW und wird auch im kommenden Jahrzehnt wichtig bleiben“, ist auch Dr. Schlotböller überzeugt. Die Betriebe wissen, dass sie in den kommenden Jahren hohe Summen investieren müssen. „Wie hoch diese Investitionen genau sein werden, hängt aber stark von der Branche ab“, so Dr. Schlotböller weiter. Betriebe, die energieintensiv arbeiten, befinden sich laut des Experten schon seit längerer Zeit in größeren Umwälzungsprozessen.Barbara Bocks
| redaktion@regiomanager.de

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