Management

Industriebeteiligungen: Beginn einer neuen Freundschaft

Lange Zeit scheuten deutsche Mittelständler Finanzinvestoren wie der Teufel das Weihwasser. Das hat sich geändert. Inzwischen erkennen Firmenlenker immer öfter, dass außerbörsliches Beteiligungskapital durchaus seinen Charme hat.

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von Regiomanager 17.12.2021
© Andrey Popov – stock.adobe.com | Andrea Martens

Jahrzehnte der Freundschaft verbinden sie nicht gerade – den deutschen Mittelstand und die die Branche für Industriebeteiligungen. Noch vor der Finanzkrise 2008/2009 verfolgten viele Geber von außerbörslichem Eigenkapital das Ziel, sich über Mehrheitsbeteiligungen in gut geführte mittlere Unternehmen einzukaufen. Das war jedoch nicht im Sinne der Inhaber, die kein Interesse daran hatten, die Kontrolle abzugeben. Der Wunsch, einen langfristig orientierten Gesellschafter an Bord zu holen, stand auf der anderen Seite. Kurze Haltezeiten und möglichst schnelle Gewinnmaximierung waren die Ziele der Investoren.
Diese Zeiten sind längst vorbei. Das beweist etwa eine Untersuchung, welche die Beratungsgesellschaft PwC bereits im Jahr 2017 erhoben hat. Schon zu dieser Zeit zeigte sich, dass die Skepsis von Firmenlenkern gegenüber den Finanzinvestoren einem durchaus positiven Bild gewichen ist. So gelten Unternehmen, die mit privatem Beteiligungskapital finanziert sind, der Studie zufolge bei den befragten Entscheidern als besonders wettbewerbsfähige Marktteilnehmer. Die Untersuchungsteilnehmer schätzen solche Firmen als überdurchschnittlich sch­nell und stark wachsend ein. 72 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass Finanzinvestoren die Gesamtleistung von Unternehmen erhöhen. 61 Prozent sind davon überzeugt, dass die Eigenkapitalgeber den nachhaltigen Unternehmenserfolg zum Ziel haben.


Investitionen in Höhe
von 14,8 Milliarden Euro

Seitdem hat sich Beteiligungskapital zu einer immer wichtigeren Säule in der Mittelstandsfinanzierung entwickelt. Belief sich die Gesamtsumme der Industriebeteiligungen in Deutschland im Jahr 2017 noch bei 11,5 Milliarden Euro, so haben 2020 rund 1.000 Unternehmen unterschiedlichster Größe und verschiedenen Alters außerbörsliches Beteiligungskapital in Höhe von 14,8 Milliarden Euro in Anspruch genommen, so eine Statistik des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres lag die Summe mit rund 6,6 Milliarden Euro um 120 Millionen Euro über dem Vorjahreszeitraum. Und was in der PwC-Studie von 2017 noch vermutet wurde, scheint sich jetzt zu bestätigen. So hat eine aktuelle Untersuchung des BVK mit dem Titel „Beteiligungskapital im Mittelstand“ ergeben: Steigt ein Geber von privaten Eigenkapital in ein Unternehmen ein, so erhöhen sich in den folgenden drei Jahren häufig Umsatz, Beschäftigtenzahl und Investitionstätigkeit. Für die Untersuchung nahmen die Experten über einen Dreijahres-zeitraum 100 Firmen unter die Lupe, die zwischen 2014 und 2016 durch eine Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligung übernommen oder finanziert worden waren und für die auswertbare Jahresabschlüsse vorlagen. Dieses Panel wurde durch das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn mit einer Kontrollgruppe verglichen, die bei Mitarbeiterzahl und Branche eine ähnliche Charakteristik aufwies.


Bei hohem Kapitalbedarf

Angesichts der positiven Resultate überrascht es nicht, dass private Eigenkapitalgeber immer mehr zu Finanzierungspartnern mittelständischer Unternehmen werden. Dies erscheint auch notwendig. Zwar spricht das seit Jahren niedrige Zinsniveau eindeutig für Aufnahme von Fremdkapital. Kredite werden auch weiterhin eine wichtige Finanzierungssäule für Mittelständler bleiben. Bei großem Kapitalbedarf, wie er etwa im Falle von Wachstum, Forschung und Entwicklung oder gar Expansionen besteht, lohnt es sich, darüber nachzudenken, einen Finanzinvestor an Bord zu holen. Denn die dafür notwendigen hohen Summen lassen sich allein über Darlehen meist nicht stemmen.
Beteiligungskapital finden Firmenlenker grundsätzlich bei unterschiedlichen Anbieter-Gruppen. Für alle gilt jedoch: Geber von außerbörslichem Eigenkapital sind strategische Partner auf Zeit mit mittel- oder langfristiger Ausrichtung. Dem BVK zufolge bleiben sie im Schnitt länger als fünf Jahre engagiert und bieten damit Planungssicherheit für die Unternehmen. Einige begleiten ihre Portfoliounternehmen sogar über Jahrzehnte. Dabei sind mit den Industriebeteiligungen in der Regel nicht nur finanzielle Mittel verbunden, welche die Eigenkapitalquote stärken. Die Anbieter bringen oft auch Know-how und Expertise mit, sodass sie den finanzierten Unternehmen strategisch und operativ zur Seite stehen können.
Als Anbieter von Beteiligungskapital sind zum einen die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften der Länder zu nennen. Hier sind bereits seit vielen Jahren auch Minderheitsbeteiligungen zu bekommen. Zudem können Firmenlenker auch sogenanntes Mezzanine-Kapital erhalten. Solche Finanzierungen, die meist in Form von partiarischen Darlehen oder Genussrechten vergeben werden, nehmen in der Unternehmensbilanz eine Zwischenstellung zwischen Eigen- und Fremdkapital ein.
Wird der Vertrag richtig ausgestaltet, so gelten die Summen als wirtschaftliches Eigenkapital und stärken die Eigenkapitalquote, was die Aufnahme weiterer Kredite ermöglicht. Gleichzeitig dürfen die Finanzierungskosten steuerlich abgesetzt werden, denn für den Fiskus sind Mezzanine-Mittel dann Fremdkapital. Solche Finanzierungen sind durchaus in größeren Volumina zu haben, daher eignen sie sich für Vorhaben wie Wachstum oder gar Expansionen. Allerdings hat Mezzanine-Kapital im Vergleich zu klassischen Krediten seinen Preis, der oft bei über acht Prozent liegt.


Unter Anlagedruck

Seit mehr als 15 Jahren sind hierzulande auch Private-Equity-Gesellschaften auf dem Markt. Diese waren bis zur Finanzkrise auf einen Einstieg in Unternehmen im großen Stil aus, lassen sich heute aber verstärkt darauf ein, auch Minderheitsanteile zu übernehmen. Erst in jüngerer Zeit haben auch Family Offices Geschmack an deutschen Mittelständlern als Investitionsobjekte gefunden. Diese verschwiegenen Gesellschaften managen die Vermögen sehr reicher Familien. Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus und gut gefüllter Kassen sind sie auf der Suche nach attraktiven Anlagezielen und haben Interesse an hiesigen mittelständischen Firmen.
Nicht zu vergessen ist dabei, dass Private-Equity-Häuser und Family Offices natürlich immer auch im Sinne ihrer Investoren handeln und daher stolze Renditen sehen möchten. Dafür müssen oft verkrustete Unternehmensstrukturen aufgebrochen und neue Prozesse aufgesetzt werden, um Firmen profitabler zu machen. Das kann für den Betrieb selbst Vorteile haben, nicht jeder Unternehmenschef ist aber begeistert von solchen Projekten.
Die Anlässe dafür, Beteiligungskapital aufzunehmen, können noch unterschiedlicher sein als die Finanzierer selbst. So reicht die Spanne von dem Wunsch, die Eigenkapitalquote zu stärken, über Auslandsexpansionen bis hin zum Unternehmensverkauf. Aktuell sind es allerdings im Wesentlichen zwei Anliegen, die Mittelständler über externes Eigenkapital finanzieren möchten: die Digitalisierung und die Überwindung der Corona-Krise.


Nachholbedarf

Dies ist nicht verwunderlich. In Sachen Digitalisierung haben viele mittelständische Firmen noch einiges aufzuholen und müssen einzelne Prozesse oder gar ihr Geschäftsmodell an die jüngsten technologischen Entwicklungen anpassen. Daher ist besonders gut, wenn die Kapitalgeber hier entsprechendes Know-how mitbringen.
Die Corona-Krise hat sich auf Unternehmen verschiedener Branchen unterschiedlich ausgewirkt. Gerade Mittelständler, die nicht in den absoluten Verlierer-Sektoren wie Gastronomie oder Touristik tätig sind, sondern nur vorübergehend gelitten haben, können über Finanzierungen über Beteiligungskapital nachdenken. Denn wer sein Geschäftsmodell nach den Erfahrungen in der Pandemie neu ausrichten möchte, benötigt oft viel Kapital. Das könnte eventuell der Beginn einer neuen Freundschaft sein – zwischen mittelständischem Unternehmer und privatem Eigenkapital-Geber.Andrea Martens
| redaktion@regiomanager.de

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