Nur die wenigsten Radfahrer freuen sich über Steigungen und Berge auf ihrem täglichen Weg zur Arbeit. Für solche Strecken sind E-Bikes meist praktischer als normale Räder. Und generell steigt die Nachfrage nach Pedelecs – oder umgangssprachlich E-Bikes – seit Jahren. Lag sie 2018 noch bei einer Million verkauften Fahrzeugen, waren es im Jahr 2020 bereits knapp 1,95 Millionen.
Von den verkauften Pedelecs im Jahr 2020 entfielen im Vorjahr knapp 692.000 auf Trekking-Räder, gefolgt von 585.000 Mountainbikes und 546.000 Cityrädern. Die Nachfrage nach elektrischen Lastenrädern war im Vorjahr mit 78.000 verkauften Einheiten noch relativ gering im Vergleich zu den gefragtesten Kategorien. „Jedes reguläre Fahrradmodell gibt es mittlerweile auch elektrisiert als E-Bike mit Ausnahme von Kinderrädern“, sagt David Eisenberger, Leiter Marketing & Kommunikation beim Zweirad-Industrie-Verband e. V. (ZIV). Bei Mountainbikes sei der E-Bike-Markt wesentlich stärker als der reguläre Markt, bei dem die Nachfrage eher zurückgeht. Durch die Einführung von E-Bikes hat sich der gesamte Fahrradmarkt aus Sicht des Experten professionalisiert.
„E-Bikes haben momentan einen Anteil von 38 Prozent am gesamten Fahrradmarkt“, sagt Eisenberger. Langfristig könnte der Anteil bei bis zu 50 Prozent liegen. Die Zuwachsraten werden sich aus Sicht des Experten aber „langfristig etwas abschwächen“. „Mittelfristig werden es sieben Millionen bis zehn Millionen Einheiten pro Jahr sein, bis der Markt bei einem Bestand von circa 70 bis 90 Millionen Einheiten in Deutschland gesättigt ist“, sagt Hannes Neupert, Senior Consultant bei ExtraEnergy Consulting. „Aktuell wird nahezu jedes Pedelec, das lieferfähig ist, auch verkauft“, so Neupert weiter.
E-Bikes im Alltag
„Viele Leute haben in der Corona-Pandemie ihre Fahrräder als Alternative zum überfüllten öffentlichen Nahverkehr wieder fahrtüchtig gemacht bzw. sich Pedelecs zugelegt“, beobachtet Neupert. Der Spaß steht aus seiner Sicht bei der Kaufentscheidung im Vordergrund, Umweltaspekte seien aktuell bei der Kaufentscheidung eher zweitrangig.
„Seit 2008 gibt es die Pedelecs sichtbar im Markt“, sagt Neupert. Mittelfristig werde das rein mechanische Rad „ein Mauerblümchendasein führen“. Gerade jüngere Käufer würden gerne Fahrräder nutzen, „die sie digital über in die Fahrzeuge integrierte Internet-Schnittstellen der Räder mit ihren Smartphones verknüpfen können“.
Im Bereich Verkehrssicherheit wird laut Eisenberger hinsichtlich Fahrer-Assistenz-Systemen und ABS-Systemen viel geforscht. Es gebe mittlerweile Assistenzsysteme mit vibrierendem Lenker oder Sattel. „Die Frage ist dann nur, ob der Käufer alle diese Komponenten in sein Rad integrieren möchte“, so Eisenberger. Fahrrad und E-Bike sind aus seiner Sicht auch deshalb „ein so großer Erfolg, weil sie technisch einfache Maschinen sind“.
Bei künftigen Modellen wird zumindest der Diebstahl aus Sicht von Neupert „den Besitzern dank integrierter Elektronik und standardisiertem Parkraum-Management keine Sorgen mehr machen“. Das gilt jedoch nicht für die aktuellen Modelle. Laut Eisenberger liegt der Preis für „ein wirklich hochwertiges Schloss“ aktuell bei bis zu zehn Prozent des Kaufpreises bzw. zwischen 100 und 150 Euro. „Außerdem werden die künftigen Modelle weniger Wartungen benötigen“, so Neupert. „Alle 10.000 Kilometer oder mehr wird ausreichen.“
Technik ist noch störanfällig
Aktuell ist die Technik der Pedelecs noch sehr störanfällig und Händler kennen sich oftmals noch nicht ausreichend mit den unterschiedlichen Technologien und technischen Eigenschaften der Produkte aus, kritisiert Neupert. „Aktuell steht der Markt noch ganz am Anfang, zu vergleichen mit den frühen Computern“, so Neupert. Die Technik mache bei Pedelecs derzeit so große Sprünge, dass es sich oft leider nicht mehr lohnt, ein drei Jahre altes Pedelec zu reparieren, „da die Technik in diesem Zeitraum bereits so veraltet ist, dass Hersteller keine Ersatzteile mehr liefern können“.
„Im Vergleich zu Ländern wie Großbritannien und Amerika sind E-Bikes in Deutschland wesentlich mehr verbreitet“, sagt Eisenberger. Viele deutsche Hersteller hätten im Vergleich zu Herstellern aus anderen Ländern relativ früh auf das E-Bike gesetzt. „Die Produktion läuft ähnlich wie in der Automobilindustrie. Die Komponenten kommen häufig aus anderen Ländern wie Asien“, so Eisenberger. Viele Komponenten werden aber auch im europäischen Ausland im Auftrag der deutschen Hersteller hergestellt und dann in den deutschen Markt eingeführt. Hier werden die Fahrzeuge laut Eisenberger dann montiert.
Internationaler Engpass
beim Material
Erste Fahrradmodelle werden aktuell laut Eisenberger in Manufakturen über Kohlenstoffverbindungen im 3D-Drucker hergestellt. „Der Druck eines ganzen Rahmens ist momentan aber noch zu teuer für die Massenanfertigung“ und werde „sich daher mittelfristig zunächst nicht auf dem breiten Markt durchsetzen“. Als klassische Materialien werden in der Branche laut Eisenberger immer noch Aluminium und mitunter Stahl als Rahmenmaterial eingesetzt. Zudem gebe es einen starken Trend hin zum Carbon. Aktuell hat die Firma Shimano Neupert zufolge mit einem Marktanteil von oftmals über 90 Prozent ein Quasi-Monopol auf viele mechanische Teile wie Nabenschaltung, Ketten und Zahnräder. „Da diese Firma ihre Produktion jährlich nur um knapp zehn Prozent steigert, entsteht auf dem internationalen Fahrrad- und Pedelec-Markt ein Engpass“, sagt Neupert. Und weltweit werden Pedelecs aus Sicht des Experten immer beliebter. „Beispielsweise in Indien boomen Pedelecs aktuell, da die Bevölkerung dort durch die Corona-Pandemie auf die negativen Auswirkungen des Autoverkehrs auf das Klima aufmerksam geworden ist“, so Neupert. Er schätzt den weltweiten Bestand an E-Bikes und Pedelecs derzeit auf knapp 500 Millionen Fahrzeuge.
Trotz der immer größeren Anzahl an Pedelecs auf deutschen Straßen gibt es laut Neupert von juristischer und politischer Seite aktuell noch Unsicherheiten zum Status sowie zur nötigen Infrastruktur zum Fahren und Parken. Das erinnert den Experten an den Stand in den Niederlanden in den 60er-Jahren, das „total autogerecht ausgerichtet war“. „Nach mehrjährigen Protesten hat die Regierung das Land so fahrradfreundlich umgebaut, wie es heute aufgestellt ist“, so Neupert. Die Definition des Fahrrades in der Wiener Konvention zum Straßenverkehr aus dem Jahr 1968 müsste aus seiner Sicht „etwas aktualisiert werden, um das Pedelec auch juristisch eindeutig als Fahrrad einstufen zu können“.
Barbara Bocks| redaktion@regiomanager.de
Barbara Bocks
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