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Digital Detox: Einfach mal abschalten

Es klingelt, blinkt, vibriert – Smartphone und E-Mails diktieren oft den Arbeitsalltag und haben auch das Privatleben im Griff. Ärzte warnen vor Dauerstress, Konzentrations- und Schlafstörungen sowie sozialer Isolation. Eigentlich wissen wir ja, wie wichtig Erholungspausen für Körper, Geist und Seele sind. Doch die Realität sieht anders aus: Im Schnitt lassen wir uns alle 20 Minuten von Mails, WhatsApp, Facebook, Twitter und irgendwelchen Schlagzeilen ablenken. Radikal offline gehen, das könnten sich nur Aussteiger leisten. Es ist auch nicht sinnvoll oder nötig – das digitale Entgiften klappt auch in kleinen Dosen. Eine Frühjahrsdiät ist auch nachhaltiger, wenn man langsam abnimmt, aber sein Verhalten dauerhaft ändert. Es gibt Tricks, die beim digitalen Abspecken helfen.

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von Regiomanager 28.02.2019
(Foto: ©PhotoSG - stock.adobe.com) | Claudia Schneider

1 PRODUKTIV NACH PARETOPRINZIP
Niemand muss ständig erreichbar sein – außer Notrufzentralen, das meint die Autorin Anitra Eggler. Sie ist Expertin für Digital Detox und vertritt teils radikale Ansichten. Es geht ihr nicht darum, das Internet, Smartphones und Digitalisierung zu verteufeln, sie plädiert für einen selbstbestimmten Umgang mit dem Internet. Ihr Anspruch lautet: „Ich will nicht weniger digital sein, sondern besser!“ Ihr Tipp für den Start im Büro: Wer den Arbeitstag produktiv beginnen will, sollte das E-Mail-Postfach erst mal ignorieren. Eggler argumentiert: „Ihre Aufgabe ist es, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und das Wichtige zuerst zu erledigen. Das Wichtigste sind nicht die Anliegen von anderen, sondern Ihre eigenen.“ Am besten handele man nach dem Paretoprinzip: Legen Sie 20 Prozent der Aufgaben fest, die Ihnen 80 Prozent des Arbeitsergebnisses liefern.Tipp, damit Sie nicht in Versuchung geführt und abgelenkt werden: Schalten Sie das Smartphone auf lautlos und auch den Vibrationsalarm aus. Legen Sie das Handy außer Sichtweite. Stellen Sie auch im E-Mail-System die automatische Benachrichtigung für neu eintreffende Mails aus – und auf jeden Fall das akustische Signal. Erstens vermeiden Sie so psychologischen Druck, zweitens werden Sie nicht verleitet, doch „mal eben“ ins Postfach reinzuschauen.

2 FESTE CHECKZEITEN
Planen Sie täglich feste Zeiten oder Zwischendurchblöcke ein, wann Sie die E-Mails lesen und bearbeiten. Vermeiden Sie es, den ganzen Tag über E-Mails zu checken. Gerade durch Smartphones wird man dazu verleitet. Und irgendwann ist auch mal Feierabend: Viele Unternehmen haben inzwischen Betriebsvereinbarungen getroffen, dass Mitarbeiter nach Feierabend nicht ständig erreichbar sein müssen. Permanent „always on“ sein kann auf Dauer krank machen. Selbstverständlich sollten auch die Social-Media-Kanäle restriktiv genutzt werden. Tipp: Kommunizieren Sie offensiv und freundlich, dass Sie vielleicht nur zweimal am Tag ihre Mails lesen. Idealerweise am späten Vormittag, wenn Sie schon etwas geschafft haben, und am Nachmittag. Dann können sich Ihre Geschäftspartner und die Mitarbeiter darauf einstellen. Das Argument, dass sie lieber arbeiten, als sich ständig ablenken zu lassen, wird sicherlich auf Verständnis stoßen.

3 ZEITDIEBE ABSCHALTEN
Die richtige Einstellung und Selbstdisziplin sind der Schlüssel zu Digital Detox. Idealerweise deaktivieren Sie alles, was Sie ablenkt. Beispielsweise die Push-Funktion, die auf dem Sperrbildschirm anzeigt, dass Ihnen jemand geschrieben hat. Aber auch so mancher Newsletter ist sicherlich überflüssig und kann abbestellt werden. Und was ist mit Spiele-Apps auf dem Handy? Brauchen Sie wirklich jeden Social-Media-Dienst? Wenn nicht: Haben Sie den Mut zum Löschen!

4 SIE HABEN DIE TELEFONHOHEIT
Ein Telefon oder Handy einfach klingeln zu lassen, fällt den meisten Leuten unheimlich schwer. Reflexartig werden die Gespräche angenommen. Das sollten Sie sich abgewöhnen, denn sonst werden Sie aus Ihren Gedanken gerissen und müssen sich doppelt einarbeiten. Lassen Sie das Telefon klingeln, wenn Sie gerade bei einer wichtigen Sache sind. Wenn der Anruf wichtig ist, wird sich derjenige noch einmal melden. Außerdem: Wozu gibt es Mailboxen?

5 HANDYFREIE ZEIT
Verbote, Begrenzungen, Selbstzüchtigung? Das klingt alles so hart und unattraktiv. Aber wenn man sich überlegt, was man analog alles verpasst, ob man den Reichtum der realen Welt noch wahrnimmt, kann eine handyfreie Zeit richtig angenehm sein. Und sie wird von Medizinern empfohlen. Die Techniker Krankenkasse rät zu smartphonefreien Zeiten: „Legen Sie bestimmte Phasen fest, in denen das Smartphone definitiv abgeschaltet bleibt. Das können ein, zwei Stunden nach Feierabend sein oder ein ganzer Tag in der Woche. Wichtig ist nur, dass Sie sich an die eigene Abmachung halten. Am besten platzieren Sie das Gerät außer Sichtweite. Wer abnehmen möchte, setzt sich schließlich auch nicht vor den vollen Kühlschrank.“ Tipp: Nutzen Sie die smartphonefreie Zeit für die schönen Dinge des Lebens: Mit Freunden treffen, spazieren gehen, gemeinsam mit der Familie kochen, in Ruhe ein Buch lesen oder was immer Ihnen Spaß macht. Selbst Influencer berichten, wie viel mehr Raum für neue Ideen und Inspirationen entsteht, wenn man mal für eine Weile abgeschaltet bleibt.

6 KEIN SCHLAFZIMMERBLICK
Smartphones haben im Schlafzimmer nichts zu suchen, weil sie nachweislich den Schlaf stören. Sie können aber auch andere Orte zu Tabuzonen erklären: etwa das Esszimmer oder Restaurants, weil Sie sich lieber aufs Essen konzentrieren (Mahlzeit!) und sich mit ihren Essenspartnern unterhalten wollen. Eine andere Möglichkeit ist, die Smartphonefreiheit mit bestimmten Ritualen zu verbinden – beispielsweise könnten Sie auf dem Weg nach Hause, egal ob zu Fuß, im Auto oder in der Bahn, richtig abschalten.

7 MOLESKINE STATT SMARTPHONE
Das Smartphone ist so unentbehrlich geworden, weil es uns in praktisch allen Lebenslagen weiterhilft. Es weckt uns am Morgen, zeigt uns den schnellsten Weg von A nach B und übersetzt uns Vokabeln, die wir vergessen haben. All diese Aufgaben haben die Menschen in vordigitalen Zeiten aber auch lösen können. Mit einer Armbanduhr und einem analogen Wecker ist man genauso auf der Höhe der Zeit. Eine Straßen- oder Landkarte aus Papier ist für Jüngere schon der Auftakt zu einer richtigen Challenge! Die Einträge ins gebundene Notizbuch trainieren die Handschrift und die Notizen überleben sogar das nächste Software-Update und Smartphone-Modell. Denken Sie einfach an Alternativen zum Smartphone und entgiften Sie so ihr Leben.

8 TÄGLICHE ACHTSAMKEIT
Achtsamkeit ist ein Rezept für unsere digitale Diät. Beweisen Sie, dass Sie noch alle Sinne beisammen haben und gehen Sie auf analoge Entdeckungsreise: Atmen, Anfassen, Riechen, Spüren, Sehen, Hören – nehmen Sie Ihre Umwelt aktiv wahr. Achtsamkeit können Sie auch in den Arbeitsalltag einbauen. Konzentrieren Sie sich beispielsweise beim Mittagessen auf die Mahlzeit: Wie schmeckt das Essen? Ist es zu salzig, zu süß, zu sauer oder genau nach Ihrem Geschmack? Schlingen Sie das Essen nicht einfach blind runter, weil Sie parallel die E-Mails checken oder irgendwelche Nachrichten schreiben. Tipp: Bewusst zu atmen wirkt Wunder. Bereits eine Minute bewusstes Ein- und Ausatmen beruhigt den Puls, senkt den Blutdruck und reguliert überschießende Hormone. Manche Großunternehmen beschäftigen sogar eigene Achtsamkeitstrainer. Fokussieren aufs Hier und Jetzt lautet das Mantra.

9 DETOXING PER SMARTPHONE
Klingt paradox, ist es aber nicht. Das Smartphone ist ein gutes Werkzeug, das beim digitalen Entgiften genutzt werden kann. Beispielsweise können Sie sich Audiodateien mit Meditationsübungen oder anderen Entspannungstechniken anhören. Inzwischen gibt es auch eine Reihe von Apps, die beim Digital Detox unterstützen. Einige blockieren zum Beispiel für eine bestimmte Zeit den Zugang zu sozialen Netzwerken, sie sperren störende Nachrichten, warnen vor jedem Anschalten, ob man das auch wirklich wolle und liefern am Ende des Tages eine Nutzerstatistik.

10 HANDYFREIER FREITAG
Den Casual Friday kennt man, er hat sich auch in konservativen Branchen durchgesetzt: Freitags darf legere Freizeitkleidung statt der sonst üblichen Geschäftskleidung getragen werden. Im Silicon Valley gibt es jetzt einen neuen Trend, der unser letzter Digital-Detox-Tipp ist: der Handy-Freitag, also keine Handys am Freitag. Der Smartphone-Sabbat soll für Entspannung sorgen und Freiraum für neue Ideen schaffen. Wer nicht ständig auf sein Smartphone reagieren muss, kann sich auf seine Arbeit konzentrieren und kommt vielleicht besser auf eigene, neue Gedanken. Tipp: Digitale Eliten setzen auch gesellschaftliche Trends. Diejenigen, die sich bewusst digital zurückhalten und Daten sparsam konsumieren, könnten „low digital“ zum angesagten Lifestyle machen wie Bio, Vegan und Vintage. Spätestens wenn große Techkonzerne auf diesen Trend reagieren, dürften vielerorts freitags die Handys ausbleiben.Claudia Schneider
| redaktion@regiomanager.de

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