Management

Autohandel: Strategien für den Autohandel

Autohäuser müssen sich neue und eigene Angebotsstrukturen schaffen.

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von Regiomanager 11.07.2023
| Daniel Boss

Der Automobilhandel steht unter Druck. Zwar wurden in den ersten fünf Monaten diesen Jahres rund 1.117.000 neue Pkw zugelassen und damit 10,2 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Allerdings, so der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) mit Verweis auf die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes, geht dieser Zuwachs vor allem auf die gewerblichen Neuzulassungen zurück. Der Privatmarkt hingegen stagniert. „Gerade die Situation bei den privaten Neuzulassungen ist unverändert kritisch. Themen wie die anhaltend hohen Preise im Einzelhandel oder auch mögliche kommende Belastungen wie eine Heizungserneuerung lassen potenzielle Interessenten zögern“, sagt Thomas Peckruhn, ZDK-Vizepräsident und Sprecher des Fabrikatshandels in Deutschland.


Die großen Herausforderungen

 

Der Automobil-Experte Stefan Reindl sieht für die klassischen Autohäuser vor allem drei große Herausforderungen, die sowohl mit dem Transformationsprozess als auch mit der aktuellen Situation zusammenhängen. Erstens: „Die durch Hersteller- und Importeurstrategien getriebenen Umstrukturierungen im Automobilvertrieb werden häufig zu Agenturmodellen führen, also zu einer Abkehr vom Vertragshändler zum Agentursystem“, so der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Es bedeutet, dass das einzelne Autohausunternehmen noch stärker in die Herstellerstrukturen integriert würde – „mit geringerem Entscheidungsspielraum und weniger selbstständigem Handlungsspielraum“. Die Agentur im Handelsgeschäft sowie die erwartbaren Umsatz- und Ertragseinbrüche durch weniger Wartungs- und Reparaturaufwand bei E-Fahrzeugen fordern ihm zufolge die Schaffung neuer und eigener Angebotsstrukturen. Beispielhaft seien E-Dienstleistungen wie Ladeinfrastruktur oder Mikromobilität (Elektro-Scooter, Elektrofahrräder et cetera) genannt. Der Gedanke des „One-Stop-Shopping“ bilde die Grundlage des Konzepts zur Schaffung eines umfassenden Angebots von Mobilitätsdienstleistungen.


Mobilität komplett denken

 

„Der Ansatz denkt aber darüber hinaus und zielt auf die Anschlussfähigkeit bezüglich weiterer Verkehrsmittel. Im Rahmen von solchen Konzepten werden Mitarbeitende von Unternehmen mittlerweile nicht mehr ausschließlich über den Unternehmensfuhrpark, sondern auch durch weitere Optionen wie Bahn, Car-Sharing usw. mit der notwendigen Mobilität versorgt.“
Die dritte Herausforderung für den Autohandel ist der Fachkräftemangel. „Die Gewinnung von geeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fällt den Betrieben im Kraftfahrzeuggewerbe deswegen verhältnismäßig schwer, weil ein Attraktivitätsgefälle zwischen den Autohausbetrieben gegenüber Industriebetrieben von Herstellern und Importeuren nachvollziehbar ist“, so Stefan Reindl. Löhne, Arbeitszeiten sowie Sozialleistungen seien häufig in der Automobilindustrie attraktiver als im -handel.
Demnach müsse, um von den Herausforderungen zu den Erfolgsstrategien zu kommen, das Employer Branding auf dem Angebots- und Markengedanken aufbauen. „So können die Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt als attraktive Alternative bei potenziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch beim Stammpersonal wahrgenommen werden.“


Weniger, dafür größere Betriebe

 

Weitere wichtige Maßnahmen sind nach Ansicht des IfA-Direktors sowohl die Optimierung der Filialnetzstrukturen sogenannter Automobilhändlergruppen als auch von Abläufen und Prozessen. „Es wird künftig weniger und größere Betriebe geben. Das heißt, Autohausunternehmen müssen ihre bestehenden Strukturen auf den Prüfstand stellen und neue Strukturen schaffen. Dabei müssten sie sich stärker als in der Vergangenheit an den individuellen Customer Journeys und am heutigen Kundenverhalten insgesamt orientieren.
Das ist auch insofern bedeutsam, als ein beträchtlicher Anteil von Neuwagenkäufern offenbar unzufrieden mit ihrer Entscheidung ist. Laut einer repräsentativen Umfrage der puls Marktforschung GmbH haben lediglich 34 Prozent das Gefühl, dass ihr frisch angeschafftes Fahrzeug gut zu ihnen passt. Die tiefere Ursache vermuten die Marktforscher in der „explodierenden Angebotsvielfalt“. Eine Lösung liege demnach in einer strukturierten Bedarfsanalyse, mit der Auto-Interessenten möglichst bereits online bei ihren Wünschen „abgeholt“ würden, heißt es von puls.


In Digitales investieren

 

In Software investieren und digitale Strukturen schaffen, um Verkaufs- und Serviceprozesse zu optimieren – das sind auch einige der Handlungsempfehlungen der Studie „Zukunftsmodelle für Autohausunternehmen“, die der ZDK in Auftrag gegeben hat. Durchgeführt wurde die im vergangenen Jahr veröffentlichte Untersuchung vom IfA-Institut und dem International Car Distribution Programme (ICDP). Das Verhalten der Käufer bei der Informationsbeschaffung wurde durch zwei Fragen kategorisiert: Wie häufig wurden Händler bzw. Verkäufer besucht und welche Kanäle der Informationsbeschaffung wurden genutzt? So ergeben sich verschiedene Käufertypen, die mehr oder weniger beratungsintensiv bzw. eher analog- oder digitalorientiert sind. Die Prozesskosten variieren bei den einzelnen Käufertypen deutlich. Sie beginnen bei 1.200 Euro für wenig beratungsintensive Kunden und betragen bis zu 5.600 Euro für beratungsintensive, analogorientierte Kunden. „Es kostet Geld, Kunden zu beraten, und wir wollten konkret wissen, welche Summen Autohäuser ausgeben, bis ein Fahrzeug tatsächlich verkauft ist“, so Thomas Peckruhn vom ZDK, Sprecher der Fachgruppe Fabrikate. Eine grundsätzliche Bedrohung des Autohandels sehen die Experten nicht. Denn auch in Zukunft bliebe für die Kunden das Auto – gerne auch das eigene – als das Verkehrsmittel für die individuelle Mobilität unverzichtbar. Und im Kaufprozess spiele auch in Zukunft der Autohändler als direkter Vertragspartner für den Kunden eine wichtige Rolle.
Daniel Boss | redaktion@regiomanager.deDaniel Boss
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