Informations- und Kommunikationstechnik haben sich zu Leitbranchen der gesamten Wirtschaft entwickelt. In der Rangliste der wertvollsten Unternehmen auf den oberen Rängen stehen nicht mehr die großen Industriekonzerne, sondern die großen IT-Unternehmen Apple, Google (Alphabet) und Microsoft, gefolgt vom führenden Online-Händler Amazon und vom Social-Media-Giganten Facebook. Das wertvollste deutsche Unternehmen ist bezeichnenderweise der Software-Hersteller SAP. Ohne Digitaltechnik und die dazugehörige Software ist heute kaum noch ein Unternehmen zu betreiben, von der Maschinenbauindustrie über den Einzelhandel bis zu Verkehrsbetrieben oder Rechtsanwaltskanzleien. Folglich ist die Entwicklung von digitalen Programmen zu einem zentralen Grundlagenthema geworden – gefolgt von der Aufgabe, Software an die konkreten Bedürfnisse ihrer Nutzer anzupassen.
Europäische Softwareunternehmen setzen eine Billion Euro um
So verwundert es nicht, dass die Softwarebranche auch in Europa eine erhebliche Bedeutung hat. Wenn auch hier, im Mutterland der Industrialisierung, die traditionellen Industrien noch wesentlich stärker sind als in der „neuen Welt“. Im Jahr 2016 erreichte die europäische Softwarewirtschaft nach einer Studie des Vereins „software.org“ einen Umsatz von etwa einer Billion Euro – 60 Prozent davon in den Leitmärkten Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Wobei die Zuwachsraten in (noch) aufstrebenden Märkten wie Schweden oder Polen zwischen 2014 und 2016 mit über 30 Prozent am höchsten waren. Und auch in Bezug auf die Arbeitsplätze ist die europäische Softwarebranche ein Schwergewicht: Etwa 3,6 Millionen Menschen waren 2016 direkt bei Softwareunternehmen beschäftigt. 12,7 Millionen Jobs hingen direkt oder indirekt von der Softwareproduktion ab.
Jeder zweite IT-Experte arbeitet im Mittelstand
Dabei besteht die IT-Branche in Deutschland nicht aus wenigen Großunternehmen, sondern aus einer Vielzahl von kleinen und mittelständischen Firmen. Rein zahlenmäßig sind die Kleinunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern sogar in der absoluten Überzahl. Bei ihnen sind allerdings nur zehn Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten angestellt und sie erwirtschaften auch nur etwa zehn Prozent der Umsätze. Dagegen arbeitet laut dem Branchenverband Bitkom hierzulande mehr als die Hälfte der IT-Beschäftigten bei Mittelständlern mit zehn bis 499 Mitarbeitern, wo 2017 auch über 35 Prozent der deutschen IT-Umsätze erwirtschaftet wurden. Den allergrößten Teil aller Informations- und Kommunikationstechnikunternehmen stellt laut Bitkom die Branche Software und IT-Services. Von insgesamt über 96.000 deutschen IT-Unternehmen befassten sich im Jahr 2017 über 90.000 mit Software und IT-Services.
Standards für alle Fälle
Während der durchschnittliche Privatnutzer mit Standardsoftware auskommt, benötigen Unternehmen meist Software, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Mitunter reicht es, bestehende Standard-Lösungen auf das einzelne Unternehmen anzupassen. Die Herausforderung für die Softwareexperten besteht darin, die Bedarfe des Unternehmens herauszufinden, die passende auf dem Markt verfügbare Lösung zu finden und in einem weiteren Schritt die vorhandenen Daten zu migrieren und andere Softwarebausteine anzubinden. Schließlich stellt die Einführung neuer Software einen tiefen und vor allem teuren Eingriff in das Unternehmen dar, der das Unternehmen entweder weit nach vorne bringen oder auch weit zurückwerfen kann.
Bereiche, die so ziemlich jedes Unternehmen betreffen, sind etwa Controlling (Business Intelligence) und Rechnungswesen, Kundenbetreuung (Customer-Relationship-Management), Dokumentenmanagement, Warenwirtschaft und Logistik sowie Projekt- oder Qualitätsmanagement. Die Inhalte von Kommunikationsmedien werden durch Content-Management-Systeme (CMS) gesteuert. Enterprise-Resource-Planning-Software (ERP) unterstützt die Unternehmensleitung dabei, den Einsatz von Ressourcen wie Kapital und Personal zu planen. Bei der Wahl der passenden Software sollte immer auch auf die Zukunftsfähigkeit geachtet werden. Durch das heraufziehende „Internet der Dinge“ und die zunehmende Verbreitung von Künstlicher Intelligenz – um nur zwei Bereiche zu nennen – wird es zukünftig eine Vielzahl weiterer Anwendungsfelder geben.
Branchenlösungen oft sinnvoll
Auch gibt es Lösungen, die speziell auf bestimmte Branchen zugeschnitten sind, etwa für die Prozesse der Getränkewirtschaft, für die Abrechnung medizinischer Leistungserbringer mit den Krankenkassen, die Holzwirtschaft und viele mehr. Jede noch so kleine Branche hat in der Regel eine große Anzahl alternativer Softwareprodukte, was die Entscheidung für einen Anbieter nicht unbedingt leichter macht. Ist die passende Software gefunden, reichen vielfach kleinere Anpassungen an die Bedürfnisse der Kunden (sogenanntes „Customizing“), etwa in Form zusätzlicher Funktionen oder von Schnittstellen zu anderen Programmen oder Datenbanken. Oft wird die Software beim Kunden sogar nur eingerichtet und die Mitarbeiter der Kundenunternehmen werden geschult.
Königsklasse Individualsoftware?
Gerade bei hochspezialisierten Unternehmen gibt es aber keine Standardsoftware und auch Branchenlösungen helfen hier nicht weiter. Hier müssen dann individuelle Softwarelösungen geschrieben werden. Dies ist auf den ersten Blick natürlich deutlich teurer als die mannigfachen Cloudlösungen mit ihren niedrigen Monatspauschalen pro Mitarbeiter. Doch langfristig sind diese individuellen Lösungen oft preiswerter. Zudem können hier die individuellen Arbeitsabläufe des Unternehmens nachgebildet und optimiert werden, was die Produktivität des gesamten Unternehmens extrem erhöhen kann.
Und jetzt?
Welcher Weg für welches Unternehmen an welcher Stelle der richtige ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Oftmals wird es wohl auf eine bunte Mischung aus Standardsoftware, Branchensoftware und Individualsoftware hinauslaufen, die durch zahlreiche Schnittstellen und eine intelligent strukturierte Datenbank verbunden werden. Damit auch langfristig agil auf die sich immer schneller ändernden Anforderungen des Marktes reagiert werden kann. Auf jeden Fall ist der Unternehmer gut beraten, sich gute Experten heranzuholen. Denn gute Software ist teuer. Aber schlechte Software ist deutlich teurer.
Computer-Nerds dringend gesucht …
Durch die digitale Revolution sind die einstmals als „Nerds“ belächelten Computer-Tüftler zu einer äußerst begehrten Berufsgruppe avanciert. Heutige Weltkonzerne wie Apple oder Microsoft sind von Software- und IT-Spezialisten, in diesen Fällen Steve Jobs und Bill Gates mit ihren Kollegen, gegründet worden, die zugleich begnadete Unternehmerpersönlichkeiten waren. Aber auch für talentierte Softwareentwickler ohne Gründerambitionen sieht die Welt heute sehr gut aus. Laut einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom sind aktuell 82.000 IT-Stellen unbesetzt, davon viele in der Softwareentwicklung. Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass 54.000 akademisch ausgebildete Informatiker benötigt werden. Und dabei zählen Softwareentwickler zu den am meisten gesuchten Experten. Mit diesem ausgeprägten Fachkräftemangel teilt die Informationstechnik das „Schicksal“ anderer sehr geschlechtsspezifischer Branchen. Auch wenn der Frauenanteil in der IT mit 26 Prozent immerhin höher ist als im Maschinen- oder Fahrzeugbau. Junge Frauen schrecken eben immer noch in der Mehrzahl vor dem Nerd-Image der Branche zurück. Was die Informationstechnologie aber nicht davon abhält, eine immer größere Bedeutung für die Wirtschaft zu erlangen. Ohne die Nerds geht es heute nicht mehr. Michael Otterbein | redaktion@regiomanager.de
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