„Eine ernsthafte Krise sollte man nie vergeuden. Sie bietet die Chance, Dinge zu tun, die vorher unmöglich erschienen.“ Dieses Zitat ist auch als Rahms Regel bekannt geworden. Rahm Emanuel, damaliger Stabschef von Barack Obama, hatte die Vorgehensweise der Obama-Administration während der Finanzkrise 2008 verteidigt.
Eine Krise nutzen, statt darunter zu leiden: welcher Unternehmer würde da Nein sagen? Bleibt die Frage, wie das gelingen kann. Auf der Suche nach der richtigen Antwort auf diese Frage kommen immer öfter Unternehmensberater ins Spiel. Noch im Jahr 2001 hatte die Branche in Deutschland 12,9 Milliarden Euro Umsatz gemacht; 2022 waren es bereits 43,7. Auch die Zahl der Beratungsunternehmen steigt, von 13.600 im Jahr 2008 auf 26.000 im Jahr 2021.
Rund 45 Prozent des Umsatzes entfällt dabei auf die Bereiche „Technologie“ und „Prozessmanagement“. Andere große Felder sind „Strategieberatung“ sowie „People & Change“ – durchaus soziale Sektoren. Die Aufteilung deutet an: so vielfältig wie Unternehmen in Deutschland sind, so verschieden sind auch die Beratungsansätze.
Droht eine existenzielle Krise, kann eine Neuausrichtung ein ganzes Unternehmen retten. Beispiel: Fujifilm. Das japanische Unternehmen erkannte den Niedergang der analogen Fotografie und investierte in die Pharmabranche, da Chemikalien aus der Filmproduktion auch dort eingesetzt werden können. Später entwickelte Fujifilm sogar Medikamente zur Bekämpfung von Covid-19.
Doch das große Ganze wird deutlicher beim Blick ins Detail. Beispiel: Ein kleines Unternehmen in Siegen, das Werkzeuge herstellt. Große Werkzeuge, die bei der Sanierung von Gebäuden zum Einsatz kommen. „Das Unternehmen hatte das Problem, dass die Kunden aus dem Bereich B2B immer mal wieder mit Reklamationen kamen“, sagt Dr. Peter-Christian Zinn, Managing Partner bei der Bochumer Beratungsdienstleister Industrial Analytics Lab GmbH (IAL). „Doch die Qualität der Sanierung hing auch von der Benutzung des Gerätes ab. Natürlich kann man das nicht lapidar auf die Kunden schieben. Also haben wir gemeinsam ein Kamerasystem zur Qualitätsprüfung entwickelt, das dem Anwender meldet, wie erfolgreich die Sanierung war.“
Digitale Qualitätssicherungslösung
Das ist ein klassisches Beispiel für eine Technologie-Beratung – ein Unternehmen steht vor einer Hürde, bei der die Geschäftsführung nicht sicher einschätzen kann, wie diese idealerweise überwunden werden kann. „Tatsächlich war die Anfrage an uns zunächst nach KI“, so Zinn, „da muss man als Berater erstmal die Lage überblicken und ordnen. Es geht ja um einen messbaren Erfolg, um etwas Realistisches, Sinnvolles.“
Nun arbeitet die digitale Qualitätssicherungslösung zwar mit einer Software vom Industrial Analytics Lab, die mit KI-Methoden funktioniert – Machine Learning. Doch das war das Ende der Lösungsfindung, nicht der Anfang.
Zinn: „Oft wird KI übertrieben dargestellt, als könne ein großes Sprachmodell wie ChatGPT demnächst ein ganzes Unternehmen übernehmen. Wenn wir solche Anfragen bekommen, müssen wir oft freundlich unrealistische Vorstellungen korrigieren, gerade, wenn sie ohne konkrete Problemstellung daherkommen.“
Ein erster Schritt auf dem Weg zum richtigen Berater ist daher oft die Herausarbeitung des eigentlichen Problems. Geht es um eine neue Strategieausrichtung? Um eine technologische Herausforderung? Um die Modernisierung von Prozessen? Oder um einen Mix aus allen möglichen Komponenten?
Zur Vorbereitung von Beratungsprojekten empfiehlt der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) in einem Positionspapier unter anderem diese Checkliste:
- Welches Ziel soll die Beratung haben?
- Auswahl von zwei bis drei Unternehmensberatungen, die vom Schwerpunkt und der Größenordnung her geeignet sind
- Früh betroffene Führungskräfte sowie Beschäftigte des eigenen Betriebes einbeziehen
„Der Zukauf von externem Know-how ist immer dann sinnvoll und wirtschaftlich, wenn das entsprechende Fachwissen im Unternehmen selbst entweder nicht vorhanden ist oder die Know-how-Träger ihr Wissen nicht einbringen können“, beschreibt der BDU.
Rationellerer Zugang
In dem Papier beleuchtet der Verband weitere Alleinstellungsmerkmale von Beratern: Zeit für Zuarbeiten, die man im „drängenden Tagesgeschäft nicht nebenbei erledigen kann“ sowie „rationelleren Zugang zu den notwendigen Daten“. Der Verband rät außerdem dazu, Berater zu finden, die nicht nur Analysen und Lösungsvorschläge erarbeiten könnten, sondern die auch die Zeit und die Qualifikation hätten, das Unternehmen bei der Umsetzung zu unterstützen.
Doch wie findet man nun den passenden Berater? Prof. Bernd Thomsen, CEO der Managementberatung „Thomsen Group“, gibt im „Handelsblatt“ unter anderem diese drei Tipps:
- Nach mindestens drei relevanten Unterschieden zu anderen wichtigen Branchenvertretern fragen und so lange bohren, bis die Antworten überzeugend sind
- Resultate bei der Lösung ähnlicher Herausforderungen anderer Kunden sichten und auf individuellem Ansatz bestehen
- Nach überzeugenden Erfolgsindikatoren fragen, die über den Erfahrungsschatz hinaus gehen
Bei Tageshonoraren von 1000 Euro oder mehr kann es sich lohnen, die Kosten vorher abzusprechen oder Erfolgshonorare zu vereinbaren. „Achten Sie darauf, dass sich der Beratungsauftrag nicht ausschließlich auf die Erarbeitung einer Konzeption und die Übergabe des Beratungsberichtes beschränkt“, rät die Industrie- und Handelskammer Berlin.
Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum richtigen Berater kann die schiere Auswahl sein. Wer sich 10 oder 12 Angebote kommen lässt, kann leicht den Überblick verlieren. Der BDU rät daher dazu, maximal drei Beraterunternehmen in die engere Auswahl zu ziehen. In kostenlosen und persönlichen Vorgesprächen könnten grundlegende Informationen wie die Unternehmensphilosophie der Berater, Erfahrungen in spezifischen Branchen und Tätigkeitsbereichen sowie Referenzen in Erfahrung gebracht werden.
Bei der Angebotspräsentation sollten die Führungskräfte zugegen sein, die später in das Projekt einbezogen werden. Eine gewisse Deckungsgleichheit der vorgeschlagenen Konzepte mit den Werten des eigenen Unternehmens kann auch von Vorteil sein. Last but not least könnten auch die Honorarbildung, Nebenkosten und Zahlungstermine zusammen mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis aufschlussreich sein. Eine staatlich festgeschriebene Gebührenordnung gibt es übrigens für Unternehmensberater nicht, ebenso wenig wie den Schutz der Berufsbezeichnung.
„Das Wichtigste ist letztendlich“, so der BDU, „dass die ,Chemie‘ stimmt.“
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