Im Finanzzentrum von Deutschland sind die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nachdrücklich präsent: KPMG residiert an der A3 am Frankfurter Flughafen in einem Gebäude, das einem gestrandeten Wal ähnelt. Marktführer PwC hat sein Domizil im vierthöchsten Gebäude Deutschlands, einem 200-Meter-Tower mitten in „Mainhattan“. Zu den sogenannten „Big Four“ gehören auch EY und Deloitte. Sie stehen für etwa 83 Prozent des gesamten Wirtschaftsprüfungsumfangs in Deutschland und gehen aus einem langen Konzentrationsprozess hervor. Die Big Four konnten ihre Deutschlandumsätze im Jahr 2016 im Durchschnitt um 11,8 Prozent steigern; die 25 nach Inlandsumsatz führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPG) durchschnittlich um 7,2 Prozent, so ermittelte das Marktforschungsunternehmen Lünendonk, das jährlich die Spitze der Branche untersucht und gut 70 Prozent des Marktes abbildet.
Prüfungs-Honorare unter Druck
Das gute Wachstum der Branche ist weniger auf die Abschlussprüfung zurückzuführen, sondern vielmehr auf Steuer- und Rechtsberatung sowie Business Consulting, so die Beobachtung von Jörg Hossenfelder, dem geschäftsführenden Gesellschafter von Lünendonk. In die Strategieberatung drängen die großen WPG seit Jahren hinein: „Davon abgesehen, dass Deloitte seit jeher Strategieberatung in Deutschland anbietet, kann der Ausbau des Consultings sowohl als Reaktion auf die komplexeren Kundenerwartungen als auch auf den gestiegenen Honorardruck bei der Abschlussprüfung bewertet werden“, so Hossenfelder.
Umsatzbringer Tax
Steuerberatung (Tax) machte 2015 laut Lünendonk 45,8 Prozent der Umsätze in der Branche aus, die klassische Wirtschaftsprüfung (Audit) nur noch 34,1 Prozent – in diesem Bereich wurde zehn Jahre zuvor noch etwa die Hälfte der Umsätze erzielt. Die Anteile für Advisory lagen 2015 bei 10,1 Prozent und für Rechtsberatung bei 7,7 Prozent.
Gutes Personal gesucht
Die Branche sieht vor allem die Rekrutierung von qualifiziertem Personal und den erhöhten Preiswettbewerb als Herausforderung an, außerdem die Akquisition neuer Mandanten, die zunehmende Digitalisierung, die weitere Reglementierung und die Sicherung der bestehenden Mandantenstruktur. Obwohl Lünendonk nur die größten Unternehmen der Branche befragt, wird die sich fortentwickelnde Marktkonsolidierung von immerhin fünf Prozent als „sehr großes“ und von immer noch 40 Prozent als „großes“ Problem gesehen.
Chance in der Nische
Hier gilt es, sich klug aufzustellen: „Im Mittelstand werden weiterhin selbstständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erfolgreich sein, auch wenn der Druck zunimmt“, sagt Jörg Hossenfelder. „In Nischen und mit Spezial-Know-how lässt sich gut wirtschaften. Der Druck wird eher bei den mittelgroßen Wirtschaftsprüfern zunehmen.“ Chancen für die Kleineren der Branche sieht auch Klaus-Peter Naumann vom Institut der Wirtschaftsprüfer in der Mandantennähe, in der Rolle des „Hausarztes“ für Unternehmer und je nach Situation auch in einer gewissen Spezialisierung. „Es gibt zum Beispiel Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die stark als Insolvenzberater engagiert sind. Mit diesem Know-how kann man Unternehmen, die in einer schwierigen Lage stecken, dabei helfen, aus der schwierigen Situation herauszukommen“, sagt Naumann. „Ein solcher Aufbau von Know-how kann sogar einen Vorsprung vor den größeren Wettbewerbern geben – zumindest aber ermöglicht er es, auf Augenhöhe mit den großen Wettbewerbern zu agieren.“ Denn vermutlich werden die Big Four auf absehbare Zeit die Big Four bleiben – aber es gilt für die kleineren Marktteilnehmer zu verhindern, von dem mächtigen Quartett einverleibt zu werden. Claas Möller | redaktion@regiomanager.de
INFO
Die Pflicht zur Rotation
Eine EU-Verordnung für Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entities, PIE) wurde mit dem seit Juni 2016 geltenden Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) in deutsches Recht umgesetzt. Es sieht für etwa 1600 Unternehmen wie Allianz, Bayer, Daimler, Siemens, aber auch etwa für Merck und Schott eine externe Pflichtrotation des Abschlussprüfers nach maximal zehn Jahren vor. Bei PIE, die nicht Banken oder Versicherungen sind, kann dieser Zeitraum verlängert werden, indem eine Ausschreibung veranstaltet wird. Unternehmen wie die Commerzbank und Bayer haben mittlerweile schon ihren Prüfer gewechselt. Die EU-Verordnung enthält eine Liste von Nichtprüfungsleistungen, die der Abschlussprüfer eines PIE und jedes Mitglied seines Netzwerks nicht bei dem zu prüfenden PIE erbringen darf (Blacklist). Zudem begrenzt die EU-Verordnung die Gesamthonorare für zulässige Nichtprüfungsleistungen des Abschlussprüfers auf 70 Prozent des durchschnittlichen Abschlussprüferhonorars der letzten drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahre (Fee Cap). Darüber hinaus müssen zulässige Nichtprüfungsleistungen vorab vom Aufsichtsrat beziehungsweise Prüfungsausschuss genehmigt werden.
MLM: Was bringt die Neuregelung zum Thema Pflichtrotation?
Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann, Vorstandssprecher Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW): „Wir stehen ja erst am Anfang der Umsetzung. Ursprünglich sollte die Neuregelung die Qualität der Beratung verbessern. Hinzu kam dann das Ziel, bestehende Konzentrationen im Prüfungsmarkt abzubauen. Beide Ziele werden vermutlich verfehlt: Denn beim Ausrotieren geht zwangsweise schlagartig viel Know-how und damit Qualität verloren. Wir sind in Deutschland schon seit 1988 verpflichtet, die Prüfungspartner, die solch ein Mandat an der Spitze betreuen und den Bestätigungsvermerk unterzeichnen, nach sieben Jahren auszuwechseln. Und wir wechseln auch darunter graduell laufend das Prüfungsteam, so dass wir mit dieser ‚internen Rotation‘ Betriebsblindheit bereits vermeiden. Der Grundsatz, dass ein Prüfer nicht prüfen darf, was er vorher selbst gestaltet hat, gilt schon lange und explizit ebenfalls seit 1988. Aber es könnte sein, dass auch das zweite Ziel, die Wettbewerbsbelebung, nicht erreicht wird. Denn wir haben gesehen, dass Unternehmen, die früher freiwillig den Prüfer wechselten, eher zu den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wechseln. Darum befürchten wir, dass durch die externe Rotation die Konzentration weiter voranschreitet.”
Jörg Hossenfelder, geschäftsführender Gesellschafter Lünendonk & Hossenfelder GmbH: „Sowohl die Blacklist als auch die Fee Cap sorgen für Regulierung. Und aufgrund einiger Finanzskandale in der Vergangenheit ist diese Hürde auch gut. Jedoch wäre es überzogen gewesen, einer WP-Gesellschaft die Beratung eines Nichtprüfungsmandanten grundsätzlich zu verbieten. Die externe obligatorische Rotation wird nicht dafür sorgen, dass WPG unterhalb der Big Four große PIE prüfen. Die Marktmacht bleibt bestehen. Eine Joint-Audit-Einführung hätte dies verändert. Die Nicht-Trennung von Prüfung und Beratung spielt denjenigen WP-Gesellschaften in die Karten, die Consulting-Einheiten auf- beziehungsweise ausbauen. Klar ist, dass diese Regelungen den Druck auf die Prüfungshonorare weiterhin aufrechterhalten. Für die gesamte Branche ist das betriebswirtschaftlich nicht ideal.“
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