Schon seit zwölf Jahren unterstützt Oliver Gubela als Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung und Kreisentwicklung die Belange der Wirtschaft in dieser Region. Obwohl zugezogen, ist er hier heimisch geworden und weiß genau, welche Stärken und auch Schwächen „sein Kreis“ mitbringt. Wir haben mit ihm über die aktuelle Situation und Perspektiven gesprochen.
OWLM: Wir haben zwar noch nicht ganz Jahresende, aber man kann doch auch im Herbst eine erste Bilanz ziehen … Auf welche Entwicklungen in Ihrem Kreis 2022 sind Sie besonders stolz?
Oliver Gubela: Insgesamt muss man sagen, dass sich unsere Wirtschaft recht robust darstellt und dass wir einen guten Zusammenhalt haben. Die Dinge laufen und in dieser Krise kommt man mit der gebotenen ostwestfälischen Gelassenheit auch bislang einigermaßen gut durch. Die Wirtschaft stellt nach wie vor ein, die Arbeitslosigkeit ist nicht übermäßig gestiegen, es hält sich alles noch in Grenzen, auch was Insolvenzen angeht. Ich denke, man hat während der Corona-Zeit auch schon geübt, „auf Sicht zu fahren“ und das behält man jetzt erst einmal bei. Unserer Bevölkerung und den Kommunen ist es auch gelungen, die geflüchteten Ukrainer gut aufzunehmen. Wir selbst als Wirtschaftsförderung konnten ein paar neue Themen besetzen, etwa den Ausbau der touristischen Infrastruktur. Im Rahmen der REGIONALE 2022 konnte die Smart Recycling Factory gestartet werden, ein Projekt, bei dem auf unserer Deponie „Pohlsche Heide“ ein Bildungs- und Forschungszentrum zur Kreislaufwirtschaft aufgebaut wird. Mit dem RAIL Campus OWL in Minden ist ein weiteres Zukunftsthema in Minden-Lübbecke platziert worden. Hier arbeiten alle Universitäten in OWL mit der heimischen Wirtschaft und dem DB-Konzern an Zukunftstechnologien und der gemeinsamen Nachwuchsentwicklung. Der gesamte Kreis profitiert von den LEADER-Regionen „AueLand“ und „Weserland“. Sie decken die ländlichen Räume in allen Kommunen ab und ermöglichen innovative Projekte in den Bereichen ländliche Entwicklung, Unternehmensgründung, Energie und Umwelt, Ehrenamt, Kultur- und Tourismus sowie regionale Produkte und Ernährung. Das Land und die EU sowie die kommunale Familie werden über zehn Millionen Euro für die Realisierung dieser Vorhaben mobilisieren.
OWLM: Welche Herausforderungen gilt es jetzt zu meistern, gerade vor dem Hintergrund, dass sich hier einige Weltmarktführer und Hidden Champions befinden und wir ja aufgrund der aktuellen Lage Lieferengpässe und hohe Energiekosten haben?
Oliver Gubela: Das Masterthema, abseits von akuten Krisen, ist immer noch der Fachkräftemangel. Viele haben rechtzeitig gegengesteuert und ihre Ausbildungsaktivitäten verstärkt. Die Ausbildungsbetriebe im Kreis Minden-Lübbecke sind bei diesem Thema immer sehr aktiv gewesen, im Landesvergleich konnten stets sehr gute Quoten erreicht werden. In Bereichen, in denen die Unternehmen vielleicht zu klein sind und die finanziellen oder personellen Ressourcen fehlen, helfen wir mit unserem Ausbildungsverein „Zukunft und Ausbildung im Mühlkreis“, insbesondere auch wenn es darum geht, Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauszuholen und in dauerhafte Beschäftigung zu bringen. Auch die Bemühungen, hier Studienplätze zu schaffen, wurden mit Erfolg gekrönt, insbesondere am Campus Minden der FH Bielefeld oder dem Medizincampus OWL der Ruhr-Uni Bochum. All das hilft letztendlich dabei, Fachkräfte im Medizinbereich zu sichern. Und im Bereich Ausbildung sind unsere Unternehmen extrem aktiv.
OWLM: Mit dem Standortportal Minden-Lübbecke, das Sie mitinitiiert haben, will man junge und qualifizierte Menschen in die Region holen. Wie funktioniert dieses Portal und wie wird es bisher angenommen?
Oliver Gubela: Das Portal wird gut angenommen. Wir verknüpfen es mit einer Vielzahl anderer Aktivitäten, wie der‚ #Überlandflieger-Kampagne‘, die wir u.a. zusammen mit unserer Interessengemeinschaft Standortförderung entwickelt haben. Es geht natürlich darum, Fachkräfte zu gewinnen und gleichzeitig eine digitale Wirtschaftsförderung darzustellen. Was gibt es für Veranstaltungen vor Ort? Wo kann ich mich hinwenden, wenn ich mich bewerben will? Wie sieht es mit der Infrastruktur aus, Kitas, Ärzte, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten? Das Portal wird immer weiterentwickelt und auch die Unternehmen können sich präsentieren. Auch die Inhalte rund um Tourismus und Kultur werden sehr gut besucht.
OWLM: Immer wieder haben Sie in Interviews auch den Tourismus in Ihrer Region als wichtigen Wirtschaftsfaktor genannt. Denken Sie, der Mühlenkreis konnte die Chance nutzen, dass letztes Jahr pandemiebedingt viele Touristen im Land Urlaub machen wollten, und diese überzeugen?
Oliver Gubela: Wir haben eigentlich eine relativ treue Kundschaft, insbesondere aus dem Ruhrgebiet, gerade Preußisch Oldendorf ist da ein Hotspot. Natürlich gab es eine Corona-Unterbrechung, aber sobald die Hotels wieder geöffnet hatten, kamen auch die Gäste zurück. Ansonsten sind wir ja eigentlich eine Region, die geprägt ist durch Geschäftsreisen und Tagesgäste. Der Weserraum profitiert touristisch sehr stark vom Weser-Radweg, der regelmäßig und den Top-Radwegen Deutschlands einsortiert wird. Wir konnten einen Freizeit-Infrastruktur-Manager einstellen, der die Qualität der Infrastruktur gerade bei den Rad- und Wanderwegen verbessern soll und eine gute Erreichbarkeit der Sehenswürdigkeiten im Blick hat. Wir glauben, es ist richtig, genau dort anzusetzen, um die weitere Entwicklung von Gastronomie und Hotelgewerbe zu befördern. Gleichzeitig wollen wir die Ausbildungsmöglichkeiten im Gastronomiegewerbe verbessern, um auch dort dem Personalmangel besser entgegenwirken zu können. Hier wollen wir als Kreis unterstützen und auch in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt setzen.
OWLM: Stichwort Breitbandausbau: Bei den anfangs geplanten 60 Millionen Euro blieb es aus verschiedenen Gründen nicht. Sind Sie trotzdem unterm Strich mit dem Ergebnis zufrieden? Wie ist die digitale Versorgung des Kreises heute aufgestellt?
Oliver Gubela: Das ganze Projekt wird 120 Millionen Euro kosten, davon 90 Millionen Euro Förderung, und es wird Mitte nächsten Jahres beendet sein. Dann haben wir einen geförderten Ausbau abgeschlossen, der 16.000 Haushalte zusätzlich mit Glasfaser versorgt hat. Unsere Hoffnung und Strategie war, dass durch diesen Ausbau in den Bereichen, wo gar nichts war, ein weiterer Ausbau auch ohne Förderung in Gebieten vorankommt, die bislang schlecht oder mäßig mit Breitband erschlossen waren. Die Kommunen engagieren sich mit ÖPP-Modellen, aber es gibt auch eigenwirtschaftliches Engagement. Es funktioniert also. Wir gehen davon aus, dass wir in einem wirklich überschaubaren Zeitraum eine Glasfaser-Vollversorgung haben.
OWLM: Der Klimawandel gebot schon vorher den Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe und umweltfreundliche Energien, durch den Krieg in der Ukraine und die explodierenden Gaspreise hat Photovoltaik nun noch eine weitere akute Dimension bekommen. Wie steht der Kreis Minden-Lübbecke da? Welche alternativen Energiequellen werden hier genutzt?
Oliver Gubela: Der Anteil an regenerativen Energien ist nicht so hoch wie z.B. im Kreis Paderborn, die unterhalten viel mehr Windkrafträder. Mit neuen Genehmigungsverfahren verspricht sich das Land, die Investitionsbereitschaft deutlich zu steigern. In Minden-Lübbecke stehen einige Biogas-Anlagen. Wenn man jetzt hört, dass alle einen Beitrag leisten sollen zur Stromversorgung, dann ist das sicherlich auch ein wichtiger Punkt. Der Kreis beschäftigt sich zudem mit dem Thema Wasserstoff als Energieträger. Gemeinsam mit Bielefeld und Lippe haben wir uns dazu auch an Bundesprojekten beteiligt. In einer weiteren Stufe werden die dazu führen, dass wir Erdgas-Tankstellen aufbauen und die beispielsweise für den ÖPNV nutzen können.
OWLM: Es ist ja auch eine Frage der Mentalität, wie man Krisenzeiten, wie wir sie gerade erleben, durchsteht. Welche ostwestfälische Eigenschaft kommt einem dabei entgegen?
Oliver Gubela: Im Prinzip die Ruhe, die Gelassenheit und die Bereitschaft, dem anderen das zu gönnen, was ihm zusteht. Offen und ehrlich mit den Situationen umzugehen und das Beste daraus zu machen. Ich glaube, das ist etwas, was die Ostwestfalen schon immer gut konnten.
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