Wer
das erste Mal in den 400 Einwohner zählenden Brüggener Stadtteil
Lüttelbracht kommt, wird kaum annehmen, dass an diesem idyllischen
Örtchen die größte Bäckerei am Niederrhein ihren Sitz hat. Seit über 160
Jahren versorgt die Landbäckerei Stinges & Söhne von hier aus die
Region mit ihren Köstlichkeiten und kann dabei auf eine eindrucksvolle
Entwicklung zurückblicken. Als die Brüder Willi und Leo Stinges 1987 die
Geschäftsführung in fünfter Generation übernahmen, hatte das
Familienunternehmen sieben Filialen mit etwa 60 Mitarbeitern. Heute
beschäftigen die beiden gelernten Bäckermeister 950 Mitarbeiter und
machen einen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro. Damit ist Stinges &
Söhne einer der größten Arbeitgeber im Kreis Viersen überhaupt. Die
insgesamt 123 Filialen sind in einem Radius von 50 Kilometern um Brüggen
gut verteilt – und das Unternehmen somit tief verwurzelt mit der
Region. „Wir sind über die Jahre stark gewachsen, was natürliche eine
enorme organisatorische und qualitative Anpassung erforderte. Diese
Entwicklung ist alles andere als selbstverständlich, wenn man sich die
großen Herausforderungen in der Branche, vor allem in den letzten
Jahren, genauer anschaut“, erklärt Willi Stinges. Eine dieser
Herausforderungen ist die Konkurrenz durch den Handel, der zunehmend
selbst backt. Das war nicht immer so, denn viele Jahre hat Stinges mit
Supermärkten und Discountern in der Region erfolgreich
zusammengearbeitet. „Unser Vater hat in den 70er-Jahren als einer der
Ersten in der Region das Konzept etabliert, Bäckerläden in den
Vorkassenzonen von Supermärkten einzurichten. Das war damals ein
Riesenerfolg: Es war nicht unüblich, dass 40, 50 Kunden an einem Samstag
in solch einem Laden Schlange standen“, erinnert sich Leo Stinges.
Dieses Konzept funktionierte zunächst sehr gut, jährlich kamen auf diese
Weise fünf bis sechs neue Standorte dazu. Vor rund drei Jahren kündigte
dann ein großer Discounter die Zusammenarbeit auf, weil er sich auf den
Vertrieb seiner eigenen industriell gefertigten Backwaren konzentrieren
wollte – und Stinges verlor auf einen Schlag fünf Standorte. „Das war
hart, wir mussten schnell umdenken. Kompensiert haben wir das mit
eigenen neuen Flächen. Dieses Konzept hat auch den Vorteil, dass wir
noch stärker mit regionalen Akteuren zusammenarbeiten.“
Frisch und natürlich aus der Region für die Region
Die
Region liegt den Stinges-Brüdern traditionell sehr am Herzen. Wer seit
über 160 Jahren am selben Standort produziert, kann auf intensive und
nachhaltig gewachsene Beziehungen zu Kunden und Lieferanten bauen. So
wird das Getreide, das auf den Feldern am linken Niederrhein angebaut
wird, etwa in der Plange Mühle in Neuss gemahlen. Obst und Gemüse, mit
denen die Backwaren bestückt werden, bezieht Stinges von der Firma
Go-Fresh aus Heinsberg. Lediglich das verwendete Meersalz kommt aus
Italien – und dafür gibt es einen guten Grund: „Die Qualität ist einfach
besser. Und das ist uns im Sinne des Kunden nun mal sehr wichtig“, sagt
Willi Stinges. Dass sich der Vertrieb ausschließlich über eigene Läden
am linken Niederrhein abspielt, hat zudem den Vorteil, dass die Waren
besonders frisch sind. „Jede Filiale beliefern wir zweimal täglich. Das
könnten wir nicht umsetzen, wenn unser Vertriebsgebiet größer wäre“,
erklärt Leo Stinges. Mit der Regionalität und der damit verbundenen
Frische ihrer Produkte bietet die Landbäckerei damit seit jeher ein
Qualitätsmerkmal, das sich in den letzten Jahren zum Mega-Trend bei den
Konsumenten entwickelt hat. Die Kunden schätzen nicht nur die hohe
Qualität der Stinges-Leckereien, sondern auch die besondere Atmosphäre
in den Filialen. Im Zuge des neuen Ladenkonzeptes werden die einzelnen
Geschäfte nach und nach vergrößert und umfassen neben einem großen
Verkaufsbereich mit großzügigen Theken auch Café-Lounges, in denen man
schlemmen und parlieren kann. „Die große Resonanz darauf zeigt uns: Die
Kunden genießen den freundlichen Kontakt mit unseren Mitarbeitern und
sehen Stinges nicht nur als Verkaufsort, sondern auch als Treffpunkt.
Das freut uns sehr“, so Willi Stinges.
Vielfältige Produkte – und immer offen für Neues
„Die
Arbeitsweise und Mobilität der Menschen haben sich in den letzten
Jahren stark gewandelt. Mit unseren Standorten wollen wir da genau an
der Schnittstelle sein. Und mit einem sich stets wandelnden kreativen
Angebot den Bedürfnissen der Kunden entsprechen“, schildert Leo Stinges.
Denn auch das Essverhalten der Kunden ändert sich: Laut Statistiken des
Bäckerhandwerks essen die Deutschen tendenziell immer weniger Brot.
Dieser Trend trifft, so Willi Stinges, aber eher auf die Städte zu. Auf
dem Land – wie rund um Brüggen – sind Backwaren nach wie vor sehr
beliebt. Nichtsdestotrotz ist man bei Stinges & Söhne immer gut
vorbereitet und entwickelt ständig neue Produkte, um den Kunden einen
Mehrwert zu bieten und sich seinen Bedürfnissen anzupassen. Das
Familienunternehmen ist da natürlich wesentlich schneller und flexibler
bei der Umsetzung als ein Industriebetrieb. „So wie bei unserer leckeren
Senfkruste zum Beispiel. Die Idee dazu entstand relativ spontan, wir
haben ein wenig rumexperimentiert – und in kürzester Zeit ein Produkt
kreiert, das sich nun großer Beliebtheit erfreut“, so Leo Stinges. Oder
das Patschel-Brot: eine in Anlehnung an den bekannten niederrheinischen
Comic-Fischotter regionale Köstlichkeit, die die doppelte Menge an
Saaten enthält wie ein durchschnittliches Brot. Und dann gibt es
natürlich Klassiker, die sich immer gut verkaufen: Oma Helenes
Butterstreusel, ein Familienrezept, geht immer weg „wie geschnitten
Brot“. 26 Brotsorten, 21 Brötchensorten, 15 Teilchen, 16 Kuchen, 5
Snacks und eine Vielfalt an Getränken gibt es auf der Stinges-Homepage
zu bestaunen. Bei einer solchen Vielfalt hat die Landbäckerei viele
Möglichkeiten, das Angebot zu variieren – immer den Kundenwünschen
entsprechend. Was im Übrigen nicht bedeutet, dass man jeden Trend bei
Stinges mitmacht: „Glutenfreie Produkte haben wir eine Zeit lang
angeboten. Die sind allerdings kaum angenommen worden, also haben wir
sie wieder aus dem Sortiment entfernt.“ Als ausbaufähiges Geschäftsfeld
sehen die Stinges-Brüder den Bereich Konditorei und dürfen sich da auf
eine Expertise aus den eigenen Reihen freuen: Die beiden Söhne machen
derzeit – aus eigener Motivation heraus, wohlgemerkt – eine Ausbildung
zum Konditor.
Mitarbeiter, die „das kleine Glück“ produzieren
„Das
Bäckerhandwerk ist einfach total spannend und abwechslungsreich. Bei
unserer Unternehmensgröße haben Mitarbeiter den Vorteil, grundsätzlich
alle Bereiche – von der Produktion über den Vertrieb bin hin zum Verkauf
– miterleben zu können und so ihre individuellen Vorlieben zu
entdecken“, erklärt Willi Stinges. Und im Gegensatz zu industriellen
Betrieben mit ihren vollautomatisierten Backstraßen nimmt die „Hand“
beim Stinges-Handwerk immer noch eine wichtige Rolle ein. Kein Produkt
wird bei den Brüggenern komplett maschinell erstellt, das ließe sich
aufgrund der Angebotsvielfalt und der vielen verschiedenen Bestandteile
auch gar nicht umsetzen. Genau diese Qualität wird wiederum von den
Kunden geschätzt. „Wir sind kreative Genuss-Entwickler. Wir produzieren
das kleine Glück für unsere Kunden – und das macht einfach großen Spaß,
auch bei harter Arbeit“, beschreibt es Leo Stinges. Damit sich die rund
950 Mitarbeiter besonders wohlfühlen, tut das Management auch einiges.
Das reicht von einem betrieblichen Gesundheitsmanagement, das die teils
harte körperliche Arbeit der Bäcker maschinell erleichtert, bis hin zu
einer übertariflichen Ausbildungsvergütung. Zudem profitieren die
Angestellten von einem überaus umfangreichen Fachwissen, das bis zur nun
fünften Generation weitergegeben wurde und immer weiter verfeinert
wird.
Besonderer Service für Geschäftskunden
Geschäftskunden
können alle Angebote in größerem Umfang vorab bestellen – etwa für
Betriebsfeiern oder Mitarbeiterschulungen. Immer attraktiv fürs Business
sind auch saisonale Hingucker, Weckmänner oder Stollen zum Beispiel,
die als Give aways an Kunden verschickt werden können. Für
Geschäftskunden, die etwas Ausgefallenes haben wollen, kreieren die
Backprofis von Stinges selbstverständlich auf Anfrage auch eine
individuelle Köstlichkeit. In die Zukunft blicken die Stinges-Brüder
trotz der großen Herausforderungen überaus positiv. „Mit unserem
Geschäftsmodell, unseren Kunden in einem begrenzten Radius überaus
frische und regionale Produkte zu liefern, sind wir sehr erfolgreich und
zufrieden. Wir setzen nicht mehr auf größeres Wachstum, sondern eher
auf den Ausbau unserer bestehenden Standorte“, erklärt Willi Stinges.
Geplant in diesem Jahr ist, die Zentrale an der Lüttelbrachter Straße
noch um eine 2.200 Quadratmeter große Halle zu erweitern. Auch die Sorge
um die Nachfolge scheint unbegründet: Alle Kinder haben eine hohe
Affinität zum Bäckerhandwerk und wollen sich in verschiedener Weise in
Zukunft bei Stinges einbringen: die zwei Söhne und eine Tochter mit
kreativen Back- und Konditor-Konzepten, die Tochter mit
Marketing-Fachwissen. Das einzigartige Bäckerhandwerk aus Brüggen wird
wohl auch in der sechsten Generation in guten Händen sein.
Teilen: