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Amazon-Alternativen für Händler: Am Platzhirsch vorbei

Können Online-Händler auch ohne den mächtigen Marktplatz Amazon Erfolg haben? Die Antwort lautet: Jein – je nach Produkt und Zielgruppe

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von Regiomanager 12.07.2023
(© beast01 − stock.adobe.com)

Marktplätze sind als einzige Vertriebsform im Online-Handel 2022 noch gewachsen. Der Platzhirsch „amazon.de“ konnte seinen Marktanteil von 2021 auf 2022 um drei Prozentpunkte auf 39 Prozent steigern und ist gleichzeitig Europas größter Marktplatz. Alle Marktplätze zusammen erreichen 50 Prozent Anteil am Online-Handel, so der HDE-Online-Monitor (Hauptverband des deutschen Einzelhandels).
Bequemlichkeit, eine der stärksten Triebfedern menschlichen Handelns, macht den Online-Riesen so erfolgreich: Amazon im Browser öffnen, Suchbegriff eingeben, Produkt ansehen, kaufen. Da bei vielen Dauerkunden die Daten schon gespeichert sind, reichen ein paar Klicks, um die Bestellung aufzugeben. Diese wird in vielen Fällen schon am nächsten Tag geliefert – vom eigenen Amazon-Lieferdienst. Wer so bestellt, ist meist schneller am Ziel, als wenn er sich zum ersten Mal in einem anderen Online-Shop umsieht. „Bei Gebrauchsgütern ist Amazon mit Abstand die Nummer eins als Startpunkt für die Customer Journey“, sagt Dr. Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung am IFH Köln (Institut für Handelsforschung). „Mit 360 Millionen Visits aus Deutschland ist Amazon die absolute Nummer eins im Online-Handel.“ Der Anteil von amazon.de insgesamt am deutschen Internetversandhandel liegt laut HDE-Online-Monitor bei 56 Prozent, wovon der Eigenhandel im vergangenen Jahr 17 und der Marketplace 39 Prozent ausmachten.


Vom Produktverkauf
zum „Ökosystem“


„Amazon hat viele Standards gesetzt: beispielsweise beim Kundenservice, in der Logistik und in der Wandlung des Geschäftsmodells vom reinen Produktverkauf hin zu einem eigenen Ökosystem“, so Dr. Stüber. „Diese Wandlung beinhaltet die Erweiterung des 1994 gegründeten Online-Versandhandels für Bücher um einen Marktplatz, die Einrichtung der größten Leihbibliothek mit dem E-Book-Reader Kindle und das Kundenbindungsprogramm Amazon Prime mit der Möglichkeit, Serien und Filme zu streamen.“ Zusammen ein verlockendes Paket für Händler und Hersteller, da Amazon so im Leben der Menschen immer sichtbarer wird. Dazu trägt z.B. auch die Sprachtechnologie Echo bei – einfach gesagt: smarte Lautsprecher. Hinzu kommt das Fulfillment, also die ausgeklügelte Logistik als Rückgrat des Amazon-Erfolgs. Händler, die nicht auf diesen Zug aufsteigen, sind im Internet nur halb so sichtbar.


Nachteile für Anbieter


Den Marktplatz Amazon zu nutzen bringt den Anbietern aber auch Nachteile. So ist es angesichts der riesigen Konkurrenz schwer, dort sichtbar zu bleiben. Und wer z.B. die Standards der Premiumversandart „Prime“ – das beinhaltet u.a. die Lieferung meist am nächsten Tag – nicht einhalten kann, zieht Mitbewerbern auf demselben Marktplatz gegenüber schnell den Kürzeren. Auch die Inszenierung der eigenen Marke ist schwierig: „Selbst wenn eine Lieferung nicht im Amazon-Karton, sondern in einer gebrandeten Händler- oder Herstellerverpackung zugestellt wird, so bleibt überwiegend der Eindruck haften, dass die Ware von Amazon gekommen ist“, weiß Dr. Stüber. Auch andere Faktoren werden negativ wahrgenommen: Lagerkapazitätsbeschränkungen, z.B. in der Vorweihnachtszeit. Dr. Johannes Berentzen, geschäftsführender Gesellschafter der BBE Handelsberatung, beobachtet noch weitere Nachteile: „Händler beklagen sich vielfach über eine hohe Abhängigkeit und den ‚Lock-in-Effekt‘: Zunächst locken hohe Umsätze, nach einiger Zeit aber ist Amazon bemüht, zusätzliche Services zu verkaufen.“ Als Nachteile nennt er auch die hohen Kosten für Marketing und Fulfillment. Nicht zuletzt liegt die Datenhoheit bei Amazon.


Produkt- und
Zielgruppenanalyse


Der Suche nach Alternativen zu Amazon sollte eine Analyse vorangehen, empfiehlt Handelsexpertin Dr. Eva Stüber vom IFH Köln: „Mit welchen Produkten tritt man an, welche Zielgruppe möchte man erreichen?“ Auch Social Media sollte Teil der Marktbeobachtung sein. „Zum Beispiel kann sich aus Trends auf TikTok ableiten lassen, wie sich Märkte entwickeln.“ Alternative Marktplätze eröffnen auch Chancen, sichtbarer zu werden: Wer beispielsweise den Fokus auf Nachhaltigkeit legt, könnte mit dem Avocadostore besser bedient sein. Denn wer hier verkaufen will, muss mindestens eines von zehn Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Dies reduziert auf diesem besonderen Marktplatz die Menge der Konkurrenz und erhöht Glaubwürdigkeit und Exklusivität. Auch Zalando geht wieder stärker auf Exklusivität, hat Dr. Berentzen beobachtet. Er gibt aber auch zu bedenken: „Für viele Branchen gibt es nur wenige Alternativen mit ähnlichem Funktionsumfang.“ Er nennt eBay, Etsy – eine Verkaufsplattform für selbst hergestellte Produkte, also ein idealer Vermarktungsraum für Kreative –, außerdem Shopify oder Google Shopping. Die Preismodelle sind zwar unterschiedlich; so stehen etwa Abomodelle neben solchen mit Verkaufsprovision, grundsätzlich sind sie nach Beobachtung von Dr. Berentzen aber transparent. Dr. Eva Stüber nennt als Generalisten außerdem Otto und Kaufland, im Modesektor die Otto-Tochter About You. Die Wandlung von der reinen Produktverkaufsplattform zu „Ökosystemen“ beobachtet sie z.B. auch bei Douglas und Fressnapf. „Vom Spielzeug, Futter, der Pflege bis hin zu Gesundheitsdienstleistungen für Tiere ist beispielsweise bei Fressnapf alles zu finden. Insgesamt geht es im Online-Handel inzwischen vielmehr um Service in einem Ökosystem. So kann jeder erdenkliche Bedarf, der in einem Feld anfällt, auch befriedigt werden.“


Ausreichend Traffic generieren


Auch die Einrichtung eines eigenen Online-Shops gehört zu den Möglichkeiten. „Ein eigener Shop ist gegebenenfalls eine Ergänzung und ab einer gewissen Größe auch Erfolg versprechend“, so BBE-Chef Dr. Johannes Berentzen. „Das Hauptproblem ist, den nötigen Traffic zu erreichen.“ Es gibt E-Commerce-Plattformen, die die Einrichtung des eigenen Online-Shops erleichtern; zu nennen wären etwa BigCommerce, Shopify, Magenta. Auch zum Fulfillment gibt es Alternativen: das eigene Lager und den eigenen Versand, Dropshipping oder externe Erfüllungsdienstleister.
Dr. Johannes Berentzen gibt seinen Kunden noch einen weiteren Hinweis: „Amazon ist in erster Linie heute kein Händler mehr. Mit dem Retailgeschäft werden keine Gewinne erzielt.“ Die größten Umsatztreiber seien die Cloudservices und Retail-Media-Werbung sowie die Abomodelle. Er hat eine weitere Information parat, vielleicht eine gute Nachricht für Händler, die in der Vergangenheit erlebt haben, dass Amazon erfolgreiche Produkte von Händlern in der Folge selbst auf seinem Marktplatz anbot: Dr. Berentzen hält es für sehr wahrscheinlich, dass Amazon sich mittelfristig aufgrund des politischen und kartellrechtlichen Drucks aus dem Retailgeschäft in Deutschland zurückziehen und auf den Marketplace konzentrieren wird.

Claas Möller | redaktion@regiomanager.de

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Fotostrecke

Dr. Eva Stüber, IFH Köln (© IFH KÖLN)

Dr. Johannes Berentzen, BBE Handelsberatung (© Quirin Leppert)

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