Arbeitnehmer wünschen sich aus unterschiedlichen Gründen Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeit: Familie, Freizeit, Arztbesuche und Behördengänge sind nur einige Gründe. Vor allem jüngere Mitarbeiter legen Wert auf eine flexible und individuelle Arbeitszeit. Auch Arbeitgeber möchten schnell reagieren können, wenn beispielsweise ein Mitarbeiter plötzlich längere Zeit ausfällt oder Arbeitsspitzen auftreten. Die Unternehmen profitieren ebenfalls von motivierteren Mitarbeitern, da deren Work-Life-Balance ausgeglichener ist, und können so die Fachkräfte an sich binden.
So vielfältig wie die Berufe im Handwerk sind auch die Möglichkeiten, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Betriebe mit Ladengeschäften und Publikumsverkehr haben andere Bedürfnisse als Betriebe, die hauptsächlich Montagearbeiten ausführen. „Wesentliche Faktoren für die flexible Gestaltung sind die Dauer, also z.B. Vollzeit oder Teilzeit, die Lage von Arbeitsbeginn und Arbeitsende sowie die Verteilung der Arbeitszeit über einen bestimmten Zeitraum“, erläutert Susanne Wanger, Sozialwissenschaftlerin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Ein weiteres wichtiges Element ist die Zeitautonomie – also das Ausmaß, in dem Beschäftigte Einfluss auf die Gestaltung ihrer Arbeitszeit nehmen können.
Flexible Arbeitsmodelle müssen sich an den betrieblichen Erfordernissen und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden orientieren. Nur wenn beides berücksichtigt wird, können sie auch wirklich effektiv sein. „Da die Arbeitszeit im Handwerk von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, gibt es nicht das eine optimale Modell, das für alle Handwerksbetriebe passt“, berichtet Wanger.
Zufriedenere und motiviertere Mitarbeiter
Die Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeitmodelle zählen heute zu den wichtigsten Kriterien für die Berufswahl. Individuelle Regelungen in Form flexibler Arbeitszeitmodelle sind ein zentrales Instrument für Unternehmen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. „In empirischen Studien konnte gezeigt werden, dass flexible Arbeitszeitmodelle dazu beitragen, die Attraktivität von Betrieben zu erhöhen, die Bindung an das Unternehmen zu stärken und dadurch die Absicht von Mitarbeitenden, das Unternehmen zu verlassen, verringern“, sagt Wanger. Dies wirkt sich positiv auf die Produktivität aus: Zufriedene und motivierte Mitarbeitende sind langfristig produktiver und leistungsfähiger.
Flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen es Unternehmen, effizienter zu arbeiten und saisonale Schwankungen auszugleichen. „Durch verschiedene Zeitmodelle können Handwerksbetriebe individuell auf die Bedürfnisse von (neuen) Mitarbeitenden eingehen“, unterstreicht Wanger. Zugleich helfen sie auch, Betriebsabläufe effizienter zu gestalten und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, indem z.B. Leerlaufzeiten reduziert oder saisonal bedingte Schwankungen ausgeglichen werden. Vor der Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle sollten Betriebe rechtlichen Rat bei den Handwerkskammern und Fachverbänden einholen. Grundsätzlich müssen die flexiblen Arbeitszeitregelungen den geltenden rechtlichen Vorschriften, wie dem Arbeitszeitgesetz, den Arbeitsschutzbestimmungen oder dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, entsprechen. „Arbeitgeber sind verpflichtet, die gesamte Arbeitszeit der Beschäftigten systematisch zu erfassen“, betont Wanger. Zusätzlich können tarifvertragliche Bestimmungen engere Regelungen enthalten, etwa bezüglich der täglichen oder wöchentlichen Arbeitsstunden.
Beschäftigte sind mit ihrer Arbeitssituation vor allem dann zufrieden, wenn sie ihre Arbeitszeit selbstbestimmt beeinflussen können und diese zur momentanen Lebensphase passt. „Die Möglichkeit, Einfluss auf die eigenen Arbeitszeiten nehmen zu können, wirkt sich positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden aus“, so Wanger. Erfolgreiche flexible Arbeitszeitmodelle berücksichtigen sowohl die Bedürfnisse der Betriebe als auch die der Mitarbeitenden, was zu einer höheren Motivation und Arbeitszufriedenheit führt.
„Der Erfolg von flexiblen Arbeitszeitmodellen hängt letztlich davon ab, ob die gefundenen betrieblichen Lösungen beiden Bedürfnissen gerecht werden: Die Betriebe wollen flexibler sein, um Auslastungsschwankungen auszugleichen und Überstunden abzubauen. Die Beschäftigten wollen flexibler sein und mehr Einfluss auf Lage und Dauer ihrer Arbeitszeit nehmen“, erklärt Wanger. Eine innovative Arbeitszeitgestaltung ist deshalb ein wichtiger Faktor für die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden.
Herausforderungen bei der Umsetzung
Nicht jedes Modell ist gleichermaßen gut in allen Handwerksbereichen anwendbar. Die Umsetzung hängt von den spezifischen Betriebszeiten und kurzfristigen Schwankungen ab. „Es ist sinnvoll, eine Übergangsphase einzuplanen, damit Führungskräfte und Team gemeinsam Strategien und Methoden entwickeln können, wie die Umstellung gelingen kann“, rät Wanger. Wichtig sind auch klare Regelungen zur Erreichbarkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten und eine klare Festlegung von An- und Abwesenheitszeiten. Außerdem funktioniert eine Umsetzung häufig nicht von heute auf morgen. Es ist sinnvoll, eine Übergangsphase einzuplanen, damit Führungskräfte und Team gemeinsam Strategien und Methoden entwickeln können, wie die Umstellung gelingen kann. „Wichtig ist auch die Klärung von Kommunikationswegen und Arbeitsabläufen, die Erreichbarkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten und eine klare Regelung der Arbeitszeit, also der An- und Abwesenheitszeiten“, so Wanger. Darüber hinaus sollten bei Einschränkungen der Erreichbarkeit auch Kunden und Geschäftspartner über geänderte Öffnungs- bzw. Betriebszeiten informiert werden. Neben der klassischen Vollzeitstelle können auch Teilzeitstellen im Handwerk sinnvoll sein. Wie viele Stunden die Teilzeitkraft in dem Betrieb arbeitet, wird individuell vertraglich festgelegt. Dabei gibt es vollzeitnahe Teilzeitstellen mit 30 bis 35 Stunden Arbeitszeit pro Woche, aber auch die klassische Teilzeitstelle mit ca. 20 Stunden Arbeitszeit in der Woche. Im Vertrag ist ebenfalls festzuhalten, ob der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin an bestimmten Tagen arbeiten soll oder nach Bedarf. Allerdings sind für eine bessere Planbarkeit festgelegte Arbeitstage sinnvoll und auch notwendig.
Mit der Blockarbeitszeit können Arbeitsspitzen gut abgefangen werden. Für verschiedene Blöcke wie Wochen oder Monate werden hierbei unterschiedliche Arbeitszeiten festgelegt. So arbeitet der Mitarbeiter auf dem Bau im Sommer beispielsweise monatlich 40 Wochenstunden, in den Wintermonaten hingegen nur 30 Wochenstunden. Auch das Modell „Arbeit auf Abruf“ kann in Hochzeiten hilfreich sein. Der Mitarbeiter kommt bei diesem Modell nur zur Arbeit, wenn es für ihn auch wirklich etwas zu tun gibt. Dies muss im Arbeitsvertrag jedoch ausdrücklich so vereinbart worden sein. Zudem muss der Mitarbeiter mindestens vier Tage im Vorfeld darüber informiert werden, wenn seine Arbeitskraft gewünscht ist. Mehr Flexibilität schaffen darüber hinaus auch Schichtarbeit bzw. Gleitzeitarbeit.
Die Verbreitung flexibler Arbeitszeitmodelle ist bislang im Handwerk noch weniger ausgeprägt als in anderen Wirtschaftssektoren. „Die Arbeitszeitflexibilität ist also durchaus noch ausbaufähig“, findet Susanne Wanger. Der Trend geht eher in Richtung individueller und flexibler Arbeitszeitgestaltung. Für Arbeitgeber wird es zunehmend wichtig, auf individuelle Wünsche einzugehen und gleichzeitig organisatorisch erfolgreich zu agieren, was bisweilen eine Herausforderung sein kann. Doch der Arbeitsmarkt hat sich verändert: Arbeitskräfte sind knapp und haben insofern eine bessere Verhandlungsposition. „Deshalb sollten Unternehmen eine flexible Arbeitszeitgestaltung auch als Chance begreifen, Prozesse zu überdenken, Beschäftigte in die Planung einzubeziehen, Ideen aufzugreifen und gemeinsam Konzepte für die Zusammenarbeit zu entwickeln“, rät Wanger. Letztlich bieten flexible Arbeitszeitmodelle sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer im Handwerk viele Vorteile, wenn sie richtig eingesetzt werden. Eine sorgfältige Planung und Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse und rechtlichen Rahmenbedingungen sind dabei entscheidend.
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